Blaise Pascal: Politica. Gedanken, Vorträge

Eine Rezension von Konrad Gill

Blai­se Pas­cal ist bekannt als bedeu­ten­der, obgleich schon mit 39 Jah­ren gestor­be­ner Mathe­ma­ti­ker, Phi­lo­soph und Phy­si­ker. Der Erfin­der einer frü­hen Rechen­ma­schi­ne und des ers­ten öffent­li­chen Ver­kehrs­sys­tems war, was weni­ger bewußt ist, ein fun­da­men­ta­lis­ti­scher christ­li­cher Den­ker. Sein radi­ka­les Den­ken mit Blick auf die Poli­tik in der unru­hi­gen Zeit irgend­wo zwi­schen dem, was die Nach­welt »Renais­sance« und »Auf­klä­rung« genannt hat, wie­der bekann­ter zu machen, dient der vom Karo­lin­ger-Ver­lag vor­ge­leg­te neu­es­te Band der Biblio­thek der Reaction.

Pas­cals Grund­an­nah­men über das Leben in Gemein­schaft sind radi­kal – und biblisch begrün­det. Das mensch­li­che Ver­hal­ten ist unrett­bar sünd­haft, die dum­me Eigen­lie­be des Indi­vi­du­ums unbe­sieg­bar. Mora­lis­mus ist lächer­lich, Staa­ten sind schlecht und ver­wor­fen, die Macht der Köni­ge beruht auf Täu­schung und Aber­glau­ben. Weil der Mensch aber so schlecht ist, hat er auch kei­ne Mög­lich­keit, bes­se­re Zustän­de her­zu­stel­len, denn bes­ser ver­hal­ten kann er sich nicht, dem wehrt die Sün­de. Um das Recht zu haben, die schlech­ten Ver­hält­nis­se umzu­stür­zen, gegen das Gesetz indi­vi­du­el­le Frei­heit zu suchen und die Herr­schaft zu hin­ter­fra­gen, müß­ten die Umstürz­ler in der Lage sein, etwas Bes­se­res anzu­bie­ten, was aus­ge­schlos­sen ist. Sol­che Argu­men­ta­ti­on läßt die ver­le­ge­ri­sche Auf­nah­me Pas­cals unter die Reak­tio­nä­re ver­ständ­lich wer­den. Gleich­wohl durf­ten die Fürs­ten sich vor Pas­cals Ver­stand nicht sicher füh­len: »Man wählt, um ein Schiff zu steu­ern, nicht den­je­ni­gen von den Rei­sen­den aus, der dem vor­nehms­ten Geschlecht entstammt«.

Apho­ris­tisch, dann wie­der in kur­zen Essays, greift Pas­cal eini­ge der phi­lo­so­phi­schen Leit­sät­ze auf und an, die der begin­nen­den soge­nann­ten Auf­klä­rungs­epo­che so wich­tig wer­den soll­ten. Das Stre­ben nach Glück ver­wirft Pas­cal, denn Glück sei nur bei Gott. Men­schen­lie­be gebe es gar nicht, nur Haß, ledig­lich die Begier­de wur­de für die Gemein­schaft dien­lich gemacht, um den Men­schen­haß zu ver­de­cken. Noch in der christ­li­chen Ehe erkennt Pas­cal ledig­lich die Ord­nung die­ser Begier­de. Und gegen­über jeg­li­chen Erwar­tun­gen, die Welt durch­schau­en und len­ken zu kön­nen, zeigt Pas­cal als Jan­se­nist ohne­hin gro­ße Reser­ve; die Text­samm­lung durch­zie­hen epis­te­mo­lo­gi­sche Erwä­gun­gen, immer wie­der hart kon­tras­tiert mit Ein­sich­ten in die hoff­nungs­lo­se Schlech­tig­keit des Erken­nen­den. Pas­cal durch­denkt, was All­macht Got­tes bedeu­tet. Vor die­ser Grö­ße wer­den auch die ver­meint­lich Größ­ten unter den Men­schen irrele­vant. Selbst der Mäch­ti­ge, der sich auf­rich­tig bemüht, Gutes zu tun, wird scheitern.

Um die­sen Kern der Men­schen- und damit Gesell­schafts­kri­tik hat der Her­aus­ge­ber aller­lei »Pen­sées« zusam­men­ge­tra­gen, in denen Pas­cal sich zu Herr­schaft und ande­ren sozia­len Bezie­hun­gen, zum Selbst­ver­ständ­nis der Mäch­ti­gen und natür­lich zur Bezie­hung zu Gott äußert. Noch wert­vol­ler als die (nicht in jedem Fall nach­voll­zieh­ba­re) Aus­wahl und Anord­nung der viel­fach ander­wei­tig edier­ten Gedan­ken­split­ter ist frei­lich der aus­lei­ten­de Essay des gro­ßen Gelehr­ten Erich Auer­bach. Der Leser soll­te grob über den Jan­se­nis­mus ori­en­tiert sein, dann wird er Auer­bachs Text mit gro­ßem Gewinn als Ein­füh­rung in die Poli­ti­ca lesen und die­se bes­ser ver­ste­hen. Sich die­se Mühe zu machen, erwirbt ganz prak­ti­schen Lohn. Lust an und Moti­va­ti­on für Poli­tik ist bei Pas­cal zwar nicht zu schöp­fen. Aber Demut für poli­tisch Han­deln­de vielleicht.

Blai­se Pas­cal: Poli­ti­ca. Gedan­ken, Vor­trä­ge. Mit einem Essai von Erich Auer­bach, Wien: Karo­lin­ger 2018. 131 S., 19.90 € – hier bestel­len

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