Panik? JA!!!

Die Blaue Narzisse macht ihrem Ruf als "Junge Freiheit 2.0" mal wieder alle Ehre. Und zwar mit einem erneuten Aufguß des JF-Evergreens "fröhliche Interviewfalle", ...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

… der erst vor einem Monat mit dem Pira­ten­par­tei-Ver­tre­ter Andre­as Popp in der Haupt­rol­le eine glanz­vol­le Wie­der­auf­füh­rung erleb­te. Das Dreh­buch der Far­ce dürf­te hin­rei­chend bekannt sein, dar­um nur soviel: Die BN hat­te unlängst, wie sie es nun schon län­ger tut, zwei pop­kul­tur­ori­en­tier­te (und neben­bei gänz­lich unpo­li­ti­sche) Inter­views ver­öf­fent­licht, eines mit dem Musik­jour­na­lis­ten Albert Koch und eines mit einer New­co­mer-Indie-Band names Ja, Panik.

Es dau­er­te natür­lich nicht lan­ge, bis in Form eines Radio­fea­tures aus allen Roh­ren zurück­ge­schos­sen wur­de. Unter den Inter­view­ten ist inzwi­schen die Distan­zie­rungs­pa­nik aus­ge­bro­chen und sie schrub­ben sich wie ver­rückt den Hals, als säße ihnen der Leib­haf­ti­ge im Nacken.

Wäh­rend nun der für das Ja, Panik-Inter­view ver­ant­wort­li­che Ben­ja­min Zschok­ke eher ver­hal­ten reagiert hat, hal­ten sich mein Ver­ständ­nis und Mit­leid in Gren­zen. Zunächst ein­mal springt ins Auge, daß offen­bar sowohl Koch als auch Ja, Panik aus eige­nen Stü­cken nicht in der Lage waren, durch Ankli­cken der Sei­te, Lesen der Arti­kel, goo­geln etc zu erken­nen, was für eine ach so gefähr­li­che, ach so “ver­ab­scheu­ungs­wür­di­ge Ideo­lo­gie” die BN doch ver­tritt. Nein, da muß­te ihnen offen­bar erst nach­her jemand erklä­ren, was Sache hin­ter der dia­bo­li­schen Tar­nung ist.  Schon allein die­ser Umstand wirft ein bezeich­nen­des Licht auf die geis­ti­ge Eigen­stän­dig­keit der Beteiligten.

Schlau­er gemacht haben sich aller­dings sowohl Koch als auch Ja, Panik weder vor­her noch nach­her.  Vor allem letz­te­re haben wie die kopf­lo­sen Hüh­ner aus allen rhe­to­ri­schen Geschüt­zen los­ge­bal­lert, um ihren Arsch vor dem Grund­eis­gang zu ret­ten. Klickt man ihre Home­page an, knallt einem ein Pop-Up-Fens­ter mit einer skur­ri­len, keu­chen­den Lita­nei ent­ge­gen , die ich hier schon allein zu musea­len Zwe­cken voll­stän­dig doku­men­tie­ren möchte:

Wir möch­ten hier­mit dar­auf hin­wei­sen, dass wir einer Chem­nit­zer Schü­ler­zei­tung namens „Blaue Nar­zis­se“ auf Anfra­ge ein Inter­view gege­ben haben. Es han­delt sich um eine faschis­ti­sche, deutsch­na­tio­na­le Ein­rich­tung. Der Inter­view­er Ben­ja­min Jahn Zscho­cke ist Mit­glied der Pen­na­len Bur­schen­schaft Theo­dor Kör­ner und wür­de sich wohl selbst als Künst­ler bezeich­nen. Besucht man sei­ne Inter­net Sei­te wird man von einem Notwist Zitat begrüßt. Klickt man sich zu Ben­jis Fotos vor, wird man einen jun­gen, gut aus­se­hen­den Mann sehen. Shout Out Louds T–Shirt. Unein­deu­ti­ges Bärt­chen, pep­pig hin­mon­tiert. Glat­ze. Ben­ji mag Toco­tro­nic und Leni Rie­fen­stahl. Sie sehen schon, eine fan­ta­sie­vol­le Krea­ti­on aus bewähr­ten Zei­chen und Codes, auf­ge­ma­schelt durch schein­bar Wider­sprüch­li­ches, ja Wider­stän­di­ges. Wir sind per­plex. Ein schlau­er Fuchs unser Ben­ji. Wir unter­stel­len dem jun­gen Her­ren außer­dem, dass er mit bür­ger­li­chem Namen min­des­tens Gün­ther heisst, das form­schö­ne Ben­ja­min sich wolfs­gleich als Schafs­pelz über­ge­wor­fen hat. Der klei­ne Ben­ji ist ein gutes Bei­spiel dafür, dass man sich von dem Gedan­ken ver­ab­schie­den muss, eine Ideo­lo­gie bräuch­te heu­te auch nur einen ein­zi­gen Sol­da­ten, einen Schlä­ger­trupp, oder sonst was für abge­mel­de­te For­men von alt­her­ge­brach­ten Gewalt­vor­stel­lun­gen. Eine gut ver­netz­te, geschick­te und wie­sel­flin­ke Vor­hut von RATTENFÄNGERN und TROJANERN über­trifft die Schlag­kraft einer klo­bi­gen, mora­lisch und wirt­schaft­lich abge­mel­de­ten Armee um ein Viel­fa­ches. Nicht anders geht das im Grun­de fried­lie­ben­de Spek­ta­kel vor. Das bes­te Bei­spiel, sei­ne herz­al­ler­liebs­te Waf­fe, die Bio­macht. Im Namen einer deut­schen Idee wird da, tech­nisch auf Höhe der Zeit, wie eh und je als hass­erfüll­te Angst­ma­cher, als Ein­peit­scher, ope­riert. Die wah­ren Moti­ve ihres Han­delns blei­ben ihnen natür­lich ver­schlei­ert, ganz wie das Gesicht des Her­ren, dem sie immer schon so ohn­mäch­tig gedient haben. Sie wür­den erschau­dern vor sei­ner hämisch lachen­den Frat­ze. $ Jede Idee, die nach ihrer Erfül­lung als Ideo­lo­gie strebt, ist abzu­leh­nen. Die bes­se­ren Ideen der bes­se­ren Men­schen sind in Ausch­witz gestor­ben. Wir sind unre­gier­ba­re Sin­gu­la­ri­tä­ten. Wir ALLE.

Es wur­de per Mail durch­ge­führt. Wir haben uns nicht infor­miert, haben nicht auf­ge­passt. Wir wur­den dreist über­rum­pelt. Blitz­krieg. Schon bei dem blu­mi­gen Namen „Blaue Nar­zis­se“ hät­ten wir zu unse­ren Revol­vern grei­fen müssen.

Nun möch­te ich wis­sen, was die­ses auf­ge­reg­te und kli­schier­te Geschwätz über “Ausch­witz”, “Ideo­lo­gie” und “Faschis­mus”, die­ses para­no­ide, hys­te­ri­sche, halt­lo­se Deli­rie­ren über “Rat­ten­fän­ger” und “Tro­ja­ner” und “haßer­füll­te Angst­ma­cher” mit den tat­säch­li­chen Inhal­ten und Posi­tio­nen der BN und dem Cha­rak­ter ihrer Macher zu tun haben soll.

Die Ant­wort ist ein­fach: Näm­lich über­haupt nichts. Es han­delt sich hier ledig­lich um aus zwei­ter Hand ein­ge­bla­se­ne Alar­mis­mus­rhe­to­rik, auf die Ja, Panik ange­sprun­gen sind wie Pawlow’sche Pudel, die sich nun aus halb­be­wuß­ter Angst vor dem Big Brot­her um Kopf und Kra­gen schwa­feln. Beson­ders lus­tig sind in die­ser Hin­sicht die aus­ufern­den Spe­ku­la­tio­nen über Zschok­ke, dem sie nicht ein­mal mehr glau­ben, daß er als über­führ­te ethisch defek­te Bes­tie so einen hüb­schen, harm­lo­sen Schafs­pelz­na­men wie “Ben­ja­min” haben kann.

Ein sou­ve­rä­ner Umgang mit anders­ge­rich­te­ten Mei­nun­gen oder Signal einer kri­ti­schen Distanz zum Main­stream ist das jeden­falls nicht, und alles ande­re als eine Demons­tra­ti­on von “Sin­gu­la­ri­tät”, und schon gar nicht einer “unre­gier­ba­ren”.  Denn mit genau die­sen Affekt­knöpf­chen und Schlag­wort­scha­blo­nen wird heu­te regiert, auch die Möchtegern-“angry young men”, die sich selbst für so unge­heu­er rebel­lisch, unan­ge­paßt und indi­vi­du­ell hal­ten – quod erat demonstrandum.

Edit 7. 11. 2009: Das oben erwähn­te Pop-Up-Fens­ter ist inzwi­schen verschwunden.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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