Institut Iliade tagte am 25. April in Paris – SiN vor Ort

Als der Philosoph und Musikwissenschaftler Jean-François Gautier über die große Leinwand des „Hauses der Chemie“...

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

im noblen 7. Pari­ser Arron­dis­se­ment einen Auf­tritt des Leip­zi­ger Tho­man­er­chors abspie­len ließ, neig­te sich eine groß­ar­ti­ge Ver­an­stal­tung dem Ende zu.

Gemäß dem Leit­ge­dan­ken „Das ästhe­ti­sche Uni­ver­sum der Euro­pä­er” refe­rier­ten am Sams­tag, den 25. April, Per­sön­lich­kei­ten aus meh­re­ren Natio­nen zur kul­tu­rel­len, musi­ka­li­schen und geis­tes­ge­schicht­li­chen Sub­stanz Euro­pas. 850 Zah­len­de, die meis­ten von ihnen aus Frank­reich, aber auch eine grö­ße­re Grup­pe aus Deutsch­land, folg­ten der Ein­la­dung des Insti­tuts Ilia­de – und waren sicht­lich begeis­tert. Dazu gab es reich­lich Anlaß:

Lan­ge Schlan­gen vor der reprä­sen­ta­ti­ven Tagungs­stät­te ver­rie­ten nicht nur eini­ges über das gro­ße Inter­es­se an der Pfle­ge des Erbes von Domi­ni­que Ven­ner, son­dern gaben auch einen ers­ten Ein­blick in die Hete­ro­ge­ni­tät des Teil­neh­mer­krei­ses. Tat­säch­lich war des­sen Spann­brei­te – von jun­gen Akti­vis­ten diver­ser fran­zö­si­scher Grup­pie­run­gen bis zu bekann­ten Wis­sen­schaft­lern der Pari­ser Uni­ver­si­tä­ten – eben­so erfreu­lich wie die von den Vor­tra­gen­den gewähl­ten The­men. Gemein­sa­mer Nen­ner der zehn Vor­trä­ge war das Ansin­nen, gemäß der euro­päi­schen Ver­pflich­tung Ven­ners die Tra­di­ti­ons- und Ent­wick­lungs­li­ni­en der rei­chen euro­päi­schen Kul­tur­ge­schich­te ins Bewußt­sein zu rufen.

Iliade BeginnPhil­ip­pe Con­rad, Nach­fol­ger Ven­ners als Chef­re­dak­teur des Geschichts­ma­ga­zins La Nou­vel­le Revue d’Histoire, lei­te­te die Ver­an­stal­tung mit einem Vor­trag über die „Schön­heit als Hori­zont“ ein. Er bezog sich damit auf ein Zitat Ven­ners, in dem er die „Natur als Grund­la­ge, die her­aus­ra­gen­de Qua­li­tät als Ziel und die Schön­heit als Hori­zont“ benann­te. Der His­to­ri­ker Con­rad defi­nier­te die euro­päi­sche Kunst als Mit­tel, die Tran­szen­denz aus­zu­drü­cken, und ver­wies auf die Not­wen­dig­keit der Wie­der­an­eig­nung des euro­päi­schen Erbes, das in einem „kul­tu­rel­len Krieg“ von meh­re­ren Sei­ten grund­sätz­lich in Fra­ge gestellt wird. Um dem „zeit­ge­nös­si­schen Cha­os“ zu ent­flie­hen, bedür­fe es der tief­grün­di­gen Aus­ein­an­der­set­zung mit den Wur­zeln der eige­nen Kul­tur; das Kol­lo­qui­um soll, so Con­rad, der das Insti­tut Ilia­de mit Jean-Yves Le Gall­ou und Ber­nard Lugan grün­de­te, ein Bau­stein dazu sein.

Haupt­red­ner war Alain de Benoist („Die euro­päi­sche Kunst – Eine Kunst der Ver­ge­gen­wär­ti­gung“), der einen Streif­zug durch die nicht­mo­no­the­is­ti­schen Reli­gio­nen der Welt bot, denen es gemein­sam war, ihre Göt­ter bild­lich dar­zu­stel­len. Die­se Kul­te der Reprä­sen­ta­tio­nen stell­te er dem christ­li­chen Ver­bot (vgl. Exodus 20, 4) ent­ge­gen, sich ein Got­tes­bild zu machen, ging aber eben­so auf die dem par­ti­ell ent­ge­gen­ste­hen­de Ent­ste­hung der Iko­nen­ma­le­rei im Chris­ten­tum ein.

Auf Benoist folg­te der ser­bisch-schwei­ze­ri­sche Foto­graf und Schrift­stel­ler Slo­bo­dan Des­pot. Der sehr per­sön­li­che und beein­dru­cken­de Bild­vor­trag gab einen Ein­blick in sein eige­nes Schaf­fen, das ins­be­son­de­re dem Zusam­men­hang zwi­schen Natur und Kul­tur, Natur und (anti­ker, sla­wi­scher und hel­le­ni­scher) Reli­gi­on gewid­met ist. Die Suche nach der Natur und der bewuß­ten Abkehr vom hek­ti­schen Dasein in der spät­ka­pi­ta­lis­ti­schen Rea­li­tät nann­te er – unter Bezug­nah­me auf Juli­us Evo­la – eine tat­säch­li­che „Revol­te gegen die moder­ne Welt“.

Anschlie­ßend sprach Duar­te Bran­quin­ho aus Por­tu­gal über den Turm von Belém. Die­ses Wahr­zei­chen in der Hafen­ein­fahrt Lis­sa­bons sei einer der wich­ti­gen Erin­ne­rungs­or­te für die euro­päi­sche Geschich­te. Es reprä­sen­tie­re das see­fah­ren­de, erkun­den­de, schöp­fe­ri­sche Europa.

Als ein sol­cher Erin­ne­rungs­ort gilt auch der Pala­tin, einer der sie­ben Hügel Roms. Adria­no Sci­an­ca refe­rier­te über die Geburt der Welt­stadt aus die­sem ältes­ten Vier­tel der Stadt her­aus. Der Kul­tur­be­auf­trag­te der Bewe­gung Casa­Pound Ita­lia mach­te den „Mythos Rom“ nach­drück­lich ver­ständ­lich, der so kul­tur­stif­tend und prä­gend für die gro­ßen Zei­ten Euro­pas gewe­sen ist. Er bezeich­ne­te abschlie­ßend Rom als Abbild des sakra­len Ein­klangs von Ver­wur­ze­lung und der gleich­zei­ti­gen Öff­nung zur Welt.CDgXfMkW0AARPop

In der Pau­se prä­sen­tier­ten die wich­tigs­ten rechts­in­tel­lek­tu­el­len Ver­la­ge und Zeit­schrif­ten Frank­reichs ihre Publi­ka­tio­nen. Neben den élé­ments und der Nou­vel­le Revue d’Histoire zog vor allem der Stand des Kul­tur- und Lite­ra­tur­ma­ga­zins livr’arbitres die Besu­cher an. Das Son­der­heft zum Kol­lo­qui­um ent­hält gekürz­te Fas­sun­gen der meis­ten Vor­trä­ge, war rasch aus­ver­kauft und wird nachgedruckt.

Eben­falls Zeit blieb für die Wür­di­gung zwei­er die Büh­ne flan­kie­ren­der Wand­ge­mäl­de, die drei Schwes­tern aus der Teil­neh­mer­schar in Heim­ar­beit mit ihren 19 Kin­dern fer­tig­stell­ten. Auf dem Podi­um erklär­ten die Künst­le­rin­nen im Anschluß ihre Motive.

Danach blieb es Phil­ip Stein vor­be­hal­ten, einen deut­schen Erin­ne­rungs­ort in sei­ner Bedeu­tung für das euro­päi­sche Geis­tes­le­ben vor­zu­stel­len. Er bet­te­te die Wart­burg in die deut­sche und euro­päi­sche Geschich­te ein, erläu­ter­te Luthers nach­hal­ti­ge Wir­kung auf die Welt­ge­schich­te und ver­gaß als Bur­schen­schaf­ter nicht, die Bedeu­tung des mit der Wart­burg eng ver­bun­de­nen Waf­fen­stu­den­ten­tums im Wir­ken für die deut­sche Natio­nal­be­we­gung zu skizzieren:

Im Jahr 1848 wur­den sie [die Bur­schen­schaf­ter] zum Weg­be­rei­ter und Trä­ger der deut­schen März­re­vo­lu­ti­on, die sich in ver­schie­dens­te revo­lu­tio­nä­re Ereig­nis­se in ganz Euro­pa ein­reiht. Wäh­rend Giu­sep­pe Mazzini und sein „Jun­ges Euro­pa“ vor­wie­gend in Ita­li­en kämpf­ten, stan­den deut­sche Stu­den­ten eben­falls für ihr Vater­land auf den Bar­ri­ka­den. Die ers­te deut­sche Stu­den­ten­re­vol­te ent­fal­te­te trotz ihrer bür­ger­li­chen Ursprün­ge eine weit­aus grö­ße­re umstürz­le­ri­sche Ener­gie, als etwa Rudi Dutsch­ke und sei­ne lin­ke 68er-Gene­ra­ti­on rund 150 Jah­re spä­ter. Statt zeit­ge­nös­si­scher Sitz­blo­cka­den und Flash­mobs übten sich die Stu­den­ten der Wart­burg-Gene­ra­ti­on in kör­per­li­cher Ertüch­ti­gung, Turn­übun­gen und Gym­nas­tik. An Stel­le der Inter­na­tio­na­len san­gen die Bur­schen natio­na­les und volks­ei­ge­nes Liedgut.

Stein beließ es aber nicht bei einer deutsch­zen­trier­ten Per­spek­ti­ve und stell­te einen gesamt­eu­ro­päi­schen Kon­text her. Sein Plä­doy­er für eine euro­päi­sche Annä­he­rung, die nicht zuletzt dem geis­ti­gen Patron des Sym­po­si­ums – Domi­ni­que Ven­ner – stets am Her­zen lag, ende­te mit der Fest­stel­lung, daß es nicht nur das glei­che geschicht­li­che Schick­sal sei, das Euro­pa ver­bin­de, son­dern auch das man­nig­fal­ti­ge Zusam­men­wir­ken des euro­päi­schen Intel­lekts. Die Wart­burg als Aus­gangs­punkt vie­ler deut­scher Umwäl­zun­gen, die auf das gesam­te Euro­pa über­schlu­gen, ist, so Stein, zwei­fel­los ein wich­ti­ger Pfei­ler der gemein­sa­men Geistestradition.Stein Iliade

Wei­te­re Wort­bei­trä­ge kamen von Marie Mon­voi­sin („Bro­cé­lian­de“), die über “Mer­lins Wald” in der Bre­ta­gne refe­rier­te, der auf kei­ner moder­nen Land­kar­te ver­zeich­net ist und in der kel­ti­schen Mytho­lo­gie eine gro­ße Rol­le spielt; von Chris­to­pher Gérard („Die Schön­heit und das Gött­li­che“); vom bereits erwähn­ten Jean-Fran­çois Gau­tier („Die Poly­pho­nie der Welt“), des­sen groß­ar­ti­ge Tour d’horizon über Hun­der­te Jah­re Musik­tra­di­ti­on die Gäs­te ver­zück­te; und abschlie­ßend vom spa­ni­schen Schrift­stel­ler Javier Portel­la („Die Spaltung/Dissidenz durch Schön­heit“), der in einem unter­halt­sa­men, visu­ell beglei­te­ten Bei­trag die (post)moderne Kunst als Anti­kunst einer Kunst des Schö­nen entgegensetzte.

Nächs­tes Jahr soll ein drit­ter gro­ßer Kon­greß statt­fin­den. Bis dahin will das Insti­tut einen För­der­kreis bil­den, der die Bil­dungs­ar­beit für die Bewah­rung euro­päi­scher Tra­di­tio­nen stüt­zen und for­cie­ren soll, und wei­te­re Ver­an­stal­tun­gen durch­füh­ren. Man darf gespannt sein, zumal die Meß­lat­te mit der dies­jäh­ri­gen Ver­an­stal­tung enorm hoch ange­setzt wurde.

Wei­ter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen zum Kol­lo­qui­um 2015 fin­den sich auf der Netz­sei­te und der Face­book-Prä­senz des Insti­tuts. Das Ilia­de-Son­der­heft der livr’arbitres – mit den Vor­trä­gen von Benoist, Gau­tier, Portel­la, Gérard, Stein, Sci­an­ca – kann bestellt wer­den (8 € + Por­to); die Vor­stel­lung einer älte­ren Aus­ga­be des Lite­ra­tur­ma­ga­zins fin­det sich hier.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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