FAZ, Identitäre und Merkel: Zweierlei “Diskurs”?

"Diskurs" ist ein mitunter ganz brauchbares und griffiges Wörtchen,...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

mit dem sich so man­cher schwa­che Text intel­lek­tu­ell wür­zen und so man­che For­mu­lie­rungs­ver­le­gen­heit über­spie­len läßt.  In der Form, in der es heu­te am häu­figs­ten benutzt wird, geht es auf die “Dis­kurs­theo­rie” Michel Fou­caults zurück.

“Dis­kur­se” meint dabei begriff­lich abge­steck­te Gelän­de und Sprach­sys­te­me, die Fou­cault vor allem unter dem Aspekt der Aus­übung von “Herr­schaft” zu ana­ly­sie­ren such­te. Wis­sen­schaft­ler, Psy­cho­lo­gen, Medi­zi­ner, Juris­ten, Theo­lo­gen usw. ver­fü­gen alle­samt über spe­zi­fi­sche Spra­chen, um die Wirk­lich­keit in Begrif­fe zu fas­sen. Die­se wird dadurch gedeu­tet, beur­teilt, beherrscht und bis zu einem gewis­sen Grad auch erst geschaffen.

Man­che die­ser “Dis­kur­se” müs­sen erst durch eine Ana­ly­se frei­ge­legt wer­den; sie basie­ren oft auf unter­ir­di­schen Tie­fen­schich­ten unse­res Welt- und Wirk­lich­keits­ver­ständ­nis­ses, auf Prä­mis­sen, die uns so selbst­ver­ständ­lich sind, daß wir sie gar nicht mehr wahr­neh­men. Der Kampf um die “Dis­kurs­ho­heit” und die Begrif­fe ist auch immer ein Macht­kampf. So weit, so einleuchtend.

Nun ist vor allem der Aspekt der Wirk­lich­keits­kon­struk­ti­on für die heu­ti­gen Schü­ler Fou­caults bedeut­sam, die ihn zum Teil der­art zuspit­zen, daß am Ende nur noch belie­bi­ge “Kon­struk­tio­nen”, aber kei­ne Bau­stei­ne mehr übrig­blei­ben. Die Dis­kurs­theo­rie mün­det direkt in Struk­tu­ra­lis­mus und Dekon­struk­ti­vis­mus, und damit in die links­in­tel­lek­tu­el­le Super­waf­fe, die Strah­len­ka­no­ne aller Strah­len­ka­no­nen: die Poli­tik der Gän­se­füß­chen, die dar­in besteht, einen Sach­ver­halt ver­schwin­den zu las­sen, indem man den Begriff, der ihn bezeich­net, anvi­siert, als blo­ßes Dis­kurs-Ele­ment abstem­pelt und damit neutralisiert.

Die Dis­kurs­theo­rie ist daher auch die Basis der Vor­stel­lung, Iden­ti­tä­ten (z.B. geschlecht­li­che oder natio­na­le) kämen auf rein “dis­kur­si­ver” Basis zustan­de, und hät­ten damit kei­ne “eigent­li­che” Rea­li­tät für sich (zumin­dest sofern es die Iden­ti­tät der “Ande­ren” betrifft, der Hete­ro­se­xu­el­len, Wei­ßen, Chris­ten usw.).

Vor allem aber ist die Dis­kurs­theo­rie Fou­caults eine der wich­tigs­ten Wur­zeln der “Poli­ti­cal Cor­rect­ness” und ihrer qua­si-magi­schen Vor­stel­lung, man kön­ne durch Sprach­ver­hüb­schung und ‑ver­zu­cke­rung auch Rea­li­tä­ten ver­än­dern und bei­spiels­wei­se “Dis­kri­mi­nie­run­gen” und “Ungleich­heit” aus der Welt schaf­fen. Dar­aus folgt dann auch die Mora­li­sie­rung der Dis­kus­sio­nen und Dis­kur­se: der Sprach­ge­brauch wird zur Fra­ge von Gut und Böse. Wer die “fal­schen” Wör­ter benützt, signa­li­siert damit sei­ne Bos­heit und sei­ne ethi­schen Defek­te, wer die “rich­ti­gen” benutzt, sei­ne mora­li­sche Überlegenheit.

Das alles sei hier reka­pi­tu­liert, um den Arti­kel von Han­nah Lüh­mann in der FAZ vom 16.04. über die “iden­ti­tä­re Bewe­gung”  in den rich­ti­gen Kon­text zu set­zen. Lüh­mann bedient sich dar­in der übli­chen “dis­kur­si­ven” Kneif­zan­ge, mit der nicht-lin­ke Bewe­gun­gen und Ideen ange­faßt wer­den. Die eine Backe ist der “Gefähr­lich­keits­dis­kurs”:

Dass etwas ganz und gar nicht neu ist, bedeu­tet nicht, dass es nicht gefähr­lich wer­den kann. Im Fal­le der „Iden­ti­tä­ren Bewe­gung“, über die in letz­ter Zeit in eini­gen deutsch­spra­chi­gen Medi­en berich­tet wur­de, haben sich meh­re­re Kon­zep­te zusam­men­ge­fun­den, die in ihrer Syn­the­se zumin­dest beun­ru­hi­gend sind.

Die ande­re der “Mimikry”-Diskurs:

Angeb­lich ste­hen die jugend­li­chen Anhän­ger der „Iden­ti­tä­ren Bewe­gung“ weder links noch rechts. Aber die Rhe­to­rik trügt.

Bei­de Backen wer­den von der Autorin zwar rou­ti­niert, aber doch eher sach­te in Anschlag gebracht – denn ganz sicher scheint sie sich ihrer Sache nicht zu sein, wie sie das Eisen anfas­sen soll:

Sowohl Ver­teu­fe­lun­gen als auch Ver­harm­lo­sun­gen bedeu­ten jedoch unbe­ab­sich­tig­te Wer­bung für sol­che Grup­pen. Bericht­erstat­tung über sie natür­lich auch.

So endet der (ansons­ten eini­ger­ma­ßen sach­li­che) Arti­kel mit dem etwas unbe­hol­fe­nen Nachschlag:

So sei hier nur dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ein rechts­extre­mis­ti­scher Dis­kurs ein rechts­extre­mis­ti­scher Dis­kurs bleibt, auch wenn Sprin­ger­stie­fel out sind, auch wenn er sich dif­fe­ren­ziert und jugend­lich gibt. Und als sol­cher muss er erkannt werden.

Und damit glaubt sich die Autorin wohl des, um ihre Wor­te zu gebrau­chen, läs­ti­gen “Dif­fe­ren­zie­rungs­ge­trie­bes neu­er poli­ti­scher Aus­drucks­for­men” ent­le­digt zu haben. Der “böse” Dis­kurs ist als sol­cher ent­larvt und mit­tels eines Bann­worts in die Qua­ran­tä­ne gesteckt, also Fin­ger weg, inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung über­flüs­sig, ab jetzt Totschweigen .

Die FAZ-Leser sind jedoch offen­bar nicht über­zeugt. Bis dato sind fast sämt­li­che Leser­kom­men­ta­re kri­tisch gegen­über dem Arti­kel aus­ge­fal­len. Vie­le Leser sym­pa­thi­sie­ren gar offen mit den “Iden­ti­tä­ren”. Hier ein paar Kostproben:

Die­se Unfä­hig­keit der Wahr­neh­mung, gepaart mit Arro­ganz der Macht (Poli­tik) oder Mei­nung (Medi­en, Leh­rer) macht die Rech­ten zor­nig. Und genau das erle­ben wir bei den Iden­ti­tä­ren. Ich hab mir durch­ge­le­sen, was sie wol­len und ich wün­sche ihnen viel Erfolg!

Eine Gesell­schaft, die ihre über­kom­me­nen reli­giö­sen Sym­bo­le (in die­sem Fall das Kreuz) aus dem öffent­li­chen Raum ent­fernt und die sich für “fort­schritt­lich” hält, wenn sie alle iden­ti­täts­stif­ten­den Merk­ma­le als “gest­rig” oder “rück­wärts­ge­wandt” abtut, muss sich nicht wun­dern, dass Zuwan­de­rer dafür nur Ver­ach­tung emp­fin­den. Und auch nicht, dass zumin­dest ein Teil der eige­nen Jugend sich ganz bewusst für einen ande­ren Weg entscheidet.

Das Trau­ri­ge in unse­rer Zeit ist, daß sehr sehr vie­le nicht dif­fe­ren­zie­ren kön­nen oder wol­len. Beson­ders schlimm ist dies, wenn es Jour­na­lis­ten sind. Man fra­ge ein­mal Japa­ner, Chi­ne­sen oder Inder, ja auch vie­le Schwarz­afri­ka­ner, ob sie Deutsch­land als aus­län­der­feind­lich anse­hen. Ich den­ke, die wer­den es durch die Bank ver­nei­nen. Es ist doch nur eine bestimm­te Kli­en­tel, gegen die sich die “Aus­län­der­feind­lich­keit” rich­tet. (…) War­um wird bei so viel Gewalt­ta­ten von Jugend­ban­den der Vor­na­me genannt, wenn es auto­ch­to­ne Deut­sche sind, aber sehr viel häu­fi­ger die Namen aber nicht genannt? Man wirft heu­te den Men­schen im 3. Reich vor weg­ge­schaut zu haben. Schau­en aber heu­te nicht gra­de unse­re Medi­en weg?

War­um wird nun der Ein­hei­mi­sche als rechts­extrem dif­fa­miert wenn er sich mit sei­ner eige­nen Kul­tur iden­ti­fi­zie­ren will, wäh­rend dies bei Migran­ten als natür­lich und not­wen­dig ange­se­hen wird? Sol­len wir unse­re eige­nen kul­tu­rel­len Wer­te zuguns­ten Mul­ti­kul­ti ein­fach über Bord werfen?

In ein paar Absät­zen ist die Ana­ly­se abge­schlos­sen und das Urteil, gemäß der der­zeit gel­ten­den jour­na­lis­ti­schen PC-Richt­li­ni­en zum The­ma deut­sche Iden­ti­tät u. Mul­ti­kul­ti, gespro­chen: die Bewe­gung ist pöh­se. Ich per­sön­lich habe mich noch nicht genau­er mit der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung befaßt, aber die­ser Reflex­ar­ti­kel, der, wie üblich, in allem, was als Kri­tik an unkon­trol­lier­ter Zuwan­de­rung ver­stan­den wer­den kann, das Böse sieht, sorgt dafür, daß ichs jetzt tun werde.

Viel­leicht, lie­be FAZ, soll­ten Sie mal die jun­gen Leu­te sel­ber fra­gen. Viel­leicht wür­den sie Ihnen erzäh­len, was sie in ihrer Schu­le und auf der Stras­se, ja sogar beim Sport unter den Kin­dern der “Kul­tur­be­rei­che­rer” gelit­ten haben.

 

Lüh­mann kann also sovie­le “Dis­kur­se” iden­ti­fi­zie­ren, wie sie will, sie kann die Berech­ti­gung der dar­in auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen und ihre Aus­wir­kung auf die Lebens­wirk­lich­lich­keit der Deut­schen schwer­lich klein­re­den. Was nun den angeb­li­chen “Rechts­extre­mis­mus” des iden­ti­tä­ren Dis­kur­ses betrifft, so besteht er letzt­lich in nichts ande­rem in als einer abwei­chen­den Wer­tung jener Dis­kur­se, die zur Zeit die deut­sche Öffent­lich­keit und Poli­tik bestimmen.

Das kann man gut an Mer­kels Rede vom 10. 4. anläß­lich des Fest­akts „60 Jah­re Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge“ able­sen. Dem “Herr­schafts­sys­tem” (mer­ci enco­re, Michel Fou­cault) des lan­des­üb­li­chen News­peak wur­de dar­in ein neu­es klin­gen­des Voka­bel zuge­fügt: “Wir”  sol­len und “wol­len” nun also ein “Inte­gra­ti­ons­land” wer­den. Was heißt das eigent­lich? In Mer­kels eige­nen Wor­ten (das Phra­sen­schwein­chen platzt mal wie­der vor Überfüllung):

In Deutsch­land leben nach Berech­nun­gen des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amts rund 16 Mil­lio­nen Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Das ist etwa ein Fünf­tel unse­rer Bevöl­ke­rung. Die Zuwan­de­rung aus­län­di­scher Mit­bür­ge­rin­nen und Mit­bür­ger ist sozu­sa­gen kein vor­über­ge­hen­des Phä­no­men, wie lan­ge ange­nom­men wur­de, son­dern eine dau­er­haf­te Rea­li­tät. Des­halb dür­fen wir nicht dabei ste­hen blei­ben, dass wir ein Land sind, das eine hohe Migra­ti­ons­ra­te hat, son­dern wir wol­len ein Inte­gra­ti­ons­land wer­den. Inte­gra­ti­on – das ist ein Wort für einen ver­stärk­ten Zusam­men­halt. Es ist auch Aus­druck davon, dass wir in zuneh­men­der Viel­falt eine Berei­che­rung sehen, dass wir Chan­cen sehen, dass wir die­se Chan­cen frei­le­gen wol­len, dass wir aber auch nicht die Augen ver­schlie­ßen vor den Schwie­rig­kei­ten, die sich auf die­sem Wege ergeben.

In Zei­ten von Glo­ba­li­sie­rung, aber auch in Zei­ten des demo­gra­fi­schen Wan­dels, den wir in Deutsch­land sehen, ist das von aller­größ­ter Bedeu­tung. Denn in den nächs­ten Jahr­zehn­ten wird sich unse­re Bevöl­ke­rung noch ein­mal stark ver­än­dern. Wir wer­den weni­ger wer­den, wir wer­den im Durch­schnitt älter wer­den und wir wer­den in unse­rer Bevöl­ke­rungs­struk­tur viel­fäl­ti­ger wer­den. Des­halb darf es kei­ne Fra­ge der Her­kunft sein, son­dern es muss für jeden klar sein: Jeder, der sich mit sei­nem jewei­li­gen kul­tu­rel­len Hin­ter­grund, mit sei­nen Inter­es­sen, Kennt­nis­sen, Erfah­run­gen in Wirt­schaft, Gesell­schaft und Poli­tik in unse­rem Land ein­bringt, ist ein Gewinn für unser Land. So, wie jeder Ein­zel­ne sei­nen All­tag gestal­tet, so prägt er natür­lich auch unser Land. Und unser Land und sein Bild in der Welt wer­den auch dadurch geprägt, wie wir mit­ein­an­der umgehen.

Mer­kel spricht hier unmiß­ver­ständ­lich aus, daß die “Struk­tur” der “Bevöl­ke­rung” auf­grund der Zuwan­de­rung und der sie beglei­ten­den demo­gra­phi­schen Dyna­mik inner­halb der nächs­ten Jahr­zehn­te zu Unguns­ten der deut­schen Noch-Mehr­heit kip­pen wird. Sie sagt ganz offen, daß sich Deutsch­land in einen Viel­völ­ker­staat ver­wan­deln wird,und daß die­se Ent­wick­lung nicht auf­zu­hal­ten sei, son­dern viel­mehr noch aktiv vor­an­zu­trei­ben sei. Frei nach Nietz­sche: Was fällt, soll man auch noch sto­ßen! (Neben­bei ver­säumt es Mer­kel auch nicht, den Natio­nal­so­zia­lis­mus und die angeb­li­chen “NSU”-Verbrechen als mora­li­sche Legi­ti­ma­ti­on und Gold­grund für die­se Poli­tik vor­zu­schie­ben. Auch das ein Argumentationsklassiker!)

Die Ver­kit­schung und Ver­schleie­rung der Spra­che ist wohl­kal­ku­liert und hat ihren guten Grund. Mer­kel kann sich ja schlecht hin­stel­len, und offen sagen: Lie­bes Noch-Staats­volk der Bio­deut­schen, wir haben euch zwar nicht gefragt, und wer­den das auch in Zukunft nicht tun, aber da ihr demo­gra­phisch ohne­hin am Abschlap­pen seid und eine mie­se ras­sis­ti­sche Ver­gan­gen­heit habt, haben wir beschlos­sen, daß es an der Zeit ist, daß ihr ande­ren und ihren Inter­es­sen (sic!)  im Namen der Men­schen­rech­te und der alter­na­tiv­los dau­er­haf­ten Rea­li­tät Platz macht. (Wie war das noch­mal mit der von der Géné­ra­ti­on Iden­ti­taire beklag­ten und von Lüh­mann zitier­ten “erzwun­ge­nen Ver­mi­schung”, die wohl eher auf eine “erzwun­ge­ne Frag­men­tie­rung” hin­aus­lau­fen wird?)

Das ist es ein­fa­cher, nicht sooo kon­kret zu wer­den, son­dern sein Publi­kum im Ton­fall einer Kin­der­gar­ten­tan­te anzu­spre­chen:  Wir wol­len uns jetzt alle ganz fest bei den Hän­den hal­ten und ein kun­ter­bun­tes, kuschel­wei­ches “Inte­gra­ti­ons­land” wer­den, in dem alle ganz doll zusam­men­hal­ten. Pri­ma, das sagen wir jetzt alle im Chor nach.

Aber halt, wer ist eigent­lich “wir”? Und was heißt “zusam­men­hal­ten”? Und seid wann eigent­lich ist “Zusam­men­halt” gleich­be­deu­tend mit “Inte­gra­ti­on”? Und wer gewähr­leis­tet über­haupt, daß die­se Vie­len in der “Viel­falt” über­haupt Bock haben, mit uns und ande­ren Ande­ren “zusam­men­zu­hal­ten”? Und was soll über­haupt die Basis die­ses “Zusam­men­halts” sein? Daß wir es uns alle ganz, ganz fest vor­neh­men und weil es Tan­te Böh­mer und Onkel Gauck so wollen?

Und wer garan­tiert uns denn, daß all dies wirk­lich “Chan­cen”, “Berei­che­rung” und “Gewinn” bringt? “Chan­cen” auf was, und für wen? “Berei­che­rung” für wen? “Gewinn” für wen?  Was für “Chan­cen”, “Berei­che­run­gen”  und “Gewin­ne” hat “uns” all dies bis­her über­haupt gebracht? Aber wer hier dum­me Fra­gen stellt, und all das für einen zwei­fel­haf­ten Dis­kurs hält,  ist wohl schon mit­ten­drin im “rechts­extre­mis­ti­schen” Diskurs.

Der euphe­mis­ti­sche Begriff der “Viel­falt”, den Mer­kel hier benutzt, meint, wie stets in die­sem Kon­text, eth­ni­sche (in den USA, woher er stammt, sogar dezi­diert “ras­si­sche”) “Viel­falt”, ohne den Begriff der Eth­nie oder der “Ras­se” selbst in den Mund zu neh­men. Anders wür­de er aber über­haupt kei­nen Sinn erge­ben. Er bezeich­net einen Plu­ra­lis­mus von Völ­kern und “Kul­tu­ren” an einem bestimm­ten, gemein­sa­men Ort. Der “eth­no­plu­ra­lis­ti­sche” Ansatz hält es dage­gen für güns­ti­ger und dem demo­kra­ti­schen Prin­zip wie dem soli­da­ri­schen Zusam­men­halt und der “Inte­gra­ti­on” zuträg­li­cher, wenn jedes Volk sei­nen Staat Isra­el, also sei­nen eige­nen Ort hat. Und die­ser Ansatz hat die gan­ze Erfah­rung der Geschich­te auf sei­ner Seite.

Wie gesagt: Der “iden­ti­tä­re Dis­kurs” sieht also die­sel­ben Ent­wick­lun­gen, wie sie Mer­kel beschreibt und herb­ei­ers­ehnt, bewer­tet sie aber anders, fin­det ande­re Wor­te dafür, stellt ande­re Zukunfts­pro­gno­sen.  Er setzt genau dort an, wo sich heu­te der Main­stream der Poli­tik befin­det. Die Rede vom “rechts­extre­men Dis­kurs” bedeu­tet nichts ande­res als den Ver­such, Kri­tik an die­ser Poli­tik und ihrem faden­schei­ni­gen “Viel­falts-Dis­kurs” aus­zu­schal­ten und zu verunglimpfen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (21)

Nordländer

18. April 2013 10:10

Eines von vielen gesellschaftlichen Konstrukten ist der "herrschaftsfreie Raum". (Siehe auch den "herrschaftsfreien Diskurs" ala Habermas). Einen solchen gibt es in der Natur nirgendwo, Herrschaft übt bereits die Sängerin aus, so sie denn die gänzliche Aufmerksamkeit und die Herzen des Auditoriums erobern kann.

(Die eigentliche Bedeutung solcher Begriffe wie "Macht", "Gewalt", "Herrschaft", "Autorität" ist schon weitgehend verschüttet worden und nahezu tabuisiert, gerade auf sprachlicher Ebene hat eine ganz enorme Enteignung stattgefunden.)

Eine solche Konstruktion von Realität, ein Erschaffen aus dem Nichts, aus etwas, das gar nicht vorhanden ist, kann einen ganz immensen Einfluß auf die Lebenswirklichkeit haben, die Anschauung und Auslegung der Welt von Massen verändern, insofern, daß diesen partielle Herrschaft geraubt wird, während sich zugleich Herrschaft immer mehr in den Händen einer kleinen Elite konzentriert.

Der moderne Herrscher setzt sich für die Freiheit ein, denn der Unfreie könnte womöglich sonst Ressentiments gegen die herrschende Elite entwickeln, die sich bis zum Aufstand hochschaukeln könnten.
Er schenkt dem Volke Themen, mit dem sich dieses befassen darf. Für oder gegen die "Ehe" gleichgeschlechtlich Orientierter? Über solche Fragen, die an den allgemeinmenschlichen Bereich der Sittlichkeit anknüpfen, hat ein jeder so dieses oder jenes zu sagen, was, ist eigentlich nur sekundär, solange die Elite fernab von dem allgemeinen aufgeregten Geschnatter der "Talk"-Runden z.B. den ESM ohne großen Widerstand installieren kann oder ihre aggressive Politik im Maghreb oder Syrien ungestört weiterverfolgt.

Mit den Identitären für "Integration" (allerdings dann nur von Herrschaften aus aller Herren Länder ohne implementierten Koran-Chip), für den Wirtschaftsstandort Europa, gegen Rechts und "Rassismus"?
Oder gegen die Identitären, für "Integration", auch der Mohammedaner, gegen Rechts und "Rassismus"?

Wer käme auch auf die freche Idee, wenn man ihm großzügig die Freiheit gewährt, sich zwischen COKE oder SPRITE zu entscheiden, sich lieber einen Tee zuzubereiten oder sich ungezuckerten Apfelsaft einzuschenken?

Ein kluger Herrscher gibt immer das Paradigma, die Matrix vor. Der Pascha läßt seine Frau dann ganz alleine auswählen, welches Muster ihr für die neue Tischdecke am besten gefällt.

Rumpelstilzchen

18. April 2013 11:02

Mal wieder ein sehr komplexer Text von Herrn Lichtmesz.

Ich habe auf eine entsprechende Reaktion in der SEZESSION gewartet, nachdem ich den Beitrag in der FAZ ( 16.4) gelesen habe und über die durchweg konstruktiven und wohlwollenden Leserkommentare angenehm überrascht war.

Die Kommentare bringen das Problem auf den Punkt:
1. "Fremdenfeindlichkeit" bei Jugendlichen kommt aus der ERFAHRUNG am eigenen Leib mit "Kulturbereicheren", ist also kein Ergebnis rechter Gesinnung, sondern gründet in Erfahrung.

2. Diese negativen Erfahrungen, die authochtone Jugendliche machen, werden von Politik und Medien ignoriert und klein geredet. Diese "Unfähigkeit der Wahrnehmung" verstärkt das Ohnmachtsgefühl der Jugendlichen und macht sie zornig.

3. Die Jugendlichen sehen, dass muslimische Migranten eigene kulturelle und religiöse Werte pflegen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu ihrer lokalen Wertegesellschaft entwickeln .Die Wertekultur der Migranten wird von Medien und Politik als wertvoll angesehen und als erwünscht dargestellt.

4. Dagegen empfinden authochthone Jugendliche oft keinerlei Identifikationsmöglichkeit. im Gegenteil, Politik und Medien tun identitätsstiftende Merkmale ab (religiöse, politische , ethnische)

5. Die einheimischen Jugendliche werden zu Entwurzelten auf der Suche nach Identität, sie werden zu IDENTITÄREN.
Und nichts anderes besagt dieses Wort .

Identitär = heimatlos

Fansik

18. April 2013 11:24

Sehr guter Artikel!
"Diskurs" ist ja das magische Zauberwort aller postmoderner Intellektueller. Er wird ja angeblich alle Probleme und inneren Widersprüche ihrer Abschaffung der Politik, der Unterschiede und der Herrschaft heilen.
Blöd nur wenn sich ungebetene Töne in ihre heiteren Diskurse, die fernab der Realität plätschern einklinken. Aber immerhin nimmt man die Identitären Ernst genug um ihnen überhaupt einen (wenn auch rechtsextremen und mit Gänsefüßchen versehenen) Diskurs zu zusprechen. ;)

Martin Lichtmesz

18. April 2013 11:42

Mit der "Diskurstheorie" könnte man die ganze PC in Stücke zerlegen, eben deswegen, weil diese stark auf jener aufbaut.

Toni Roidl

18. April 2013 12:11

Deutschland braucht einen Numerus Clausus für Geisteswissenschaften.

Ernst Wald

18. April 2013 12:25

Ad Martin Lichtmesz

Es ist natürlich vollkommen richtig, wenn Sie behaupten, dass die PC-Gouvernanten oft mit dem von Foucault stammenden Diskursbegriff hantieren. Aber Foucault selbst war kein Linker. Paul Veyne, ein langjähriger Vertrauter Foucaults, bemerkte diesbezüglich:

„Ce gauchiste prétendu, qui n´était ni freudien, ni marxiste, ni socialiste, ni progressiste, ni tiers-mondiste, ni heideggérien, qui ne lisait ni Bourdieu ni Le Figaro, qui n´était ni `nietzschéen de gauche´ (comme d´aucuns), ni d´ailleurs de droite, a été l´inactuel, l´intempestif de son époque, pour reprendre à juste titre un terme nietzschéen. Par là, il était non conformiste, ce qui semblait suffisant pour le classer à gauche“ (Veyne, Paul: Foucault, sa pensée, sa personne, Paris, 2008 / S.227).

Foucault hat letztlich eine theoretische Werkzeugkiste hinterlassen, die durchaus auch von Rechten gebraucht werden kann.

M.L.: Absolut!

Dr. Schneider

18. April 2013 12:41

Was vielleicht noch anzumerken wäre:

Vernunft, Rationalität und logisches Denken sind erst recht bei Derrida, aber auch schon bei Foucault selbst Diskurse, die es zu dekonstruieren gilt.

Damit beißt sich die Schlange dann in den Schwanz und das Ganze verkommt zu einer Art Bauchdenken und einem Dreschen suggestiver Phrasen.
Eh voilà: die "Theorie" hinter dem politischen und (mainstream)medialen "Diskurs" unserer Zeit.

Karolus

18. April 2013 12:42

Ich danke für diesen sehr interessanten Beitrag, der sich mit einem Wort beschäftigt, welches den Lesern sprachlich anspruchsvollerer Tageszeitung in jeder Ausgabe anspringt, was vor ca. 30 Jahren noch nicht der Fall war. Obwohl dieses Wort nicht das Hauptthema von Lichtmesz' Ausführungen ist, nutze ich die Gelegenheit, die sich hier Versammelnden mit dem zu konfrontieren, was Eckhard Henscheid in seiner von Reclam unter dem Titel "Dummdeutsch" veröffentlichten Sammlung zu dem Begriff DISKURS sagt:

"Diskurs Wahrscheinlich von J. Habermas zum Start der 80er Jahre erfundener, eher trübsinniger und aber höchst folgenreicher Schnickschnack: Diskursethik, Diskurs über soziale Ungleichheit, Diskurs des Radikalen, Diskurstheorie des Rechts usw. usf. DER Quatsch der akademischen 80er Jahre. Erscheint deshalb meist bei Suhrkamp. Ab 1990 in jedem zweiten Buchtitel oder Untertitel (vgl. dazu Eckhard Henscheids elementare Studie 'Spaß nit Suhrkamp' in der FAZ vom 3.9.92).
Vorsicht: Es gibt einen Projekt-Diskurs, aber auch ein Diskursprojekt! Ohne Bindestrich!"

Seit einigen Monaten nun stoße ich zunehmend auf 'Narrativ'. Jemand des Englischen Mächtiger muss Gefallen an '(the) narrative' gefunden haben und hat diesen in der aktuellen Ausgabe des DUDEN nur als Adjektiv vermerkten Begriff erfolgreich unters Volk gebracht. Bin ich der einzige Leser, der 'Narrativ' so ekelhaft wie 'Backshop' oder den 'Servicepoint' bei der DB findet?

M.L.: "Narrativ" benutze ich hin und wieder auch ganz gern, aber ich kann die Abneigung verstehen. Es gibt inzwischen eine Flut von akademischer Literatur, in der pro Seite gefühlte fünfmal von "Diskursen" und "Narrativen" die Rede ist. Und danke für den Henscheid!

JeanJean

18. April 2013 12:57

Es hüpft von "wir " zu "wir". "Wir" werden weniger und "wir" werden vielfältiger. Da kann einem schwindelig werden!

Den "Zusammenhalt" finden "(neues) wir" über die Ebenen der Räte, die den Ethnopluralismus organisieren und die Interessen der Stakeholder ausformulieren,sortieren, gewichten und die dann aus den Höhen des Regimes in Form von Wohltaten für die Einen und Abstrafung der Anderen, ganz nach dem Regenbogenmodell, in einem fortlaufenden Prozess der Vermittlung und des Ausgleichs, festgeschrieben werden .

In Berlin wünscht man ja bereits organisierte, ethnopluralistische Hausgemeinschaften, zur Konfliktlösung auf unterster Ebene, die dann wie eine kleine UN Vollversammlung kulturell sensibilisiert, darüber debattieren können, wie man damit umgehen sollte, wenn beständig in den Aufzug uriniert wird.

So darf man sich auch die "Menschenrechtserziehung" in Schule und Kita vorstellen, die darauf abzielt, die gesamte Familie einzubeziehen und in den "communities" friedensstiftend wirksam zu werden.

Aufschlussreich auch die Frankfurter "Stadtverfassung", die Frankfurt zur Global City erhebt und ein schariaartiges Netz aus Microregulierungen und Gesprächsforen über den Alltag der Bürger breitet.

Zusammenhalt, in Großbritannien sagt man etwas deutlicher community harmony, bedeutet den ewigen im Dialog zu suchenden Ausgleich sich gänzlich widersprechender, sich ausschließender und unvereinbarer Interessen, der nur darauf abzielt, einen Friedensprozess im Gang zu halten, der niemals enden darf, weil sonst das Wort Bürgerkrieg nicht mehr zu vermeiden ist.

Natürlich kommt den Autochtonen, bis sie überflüssig werden, nur die Aufgabe zu, zu moderieren, abzugeben und sich willig und wertschätzend als Nährlösung zur Verfügung zu stellen.

Ja, der Haken ist bei Merkels Rede, dass die Frage nach dem deutschen "wir" so überdeutlich im Raum steht, aber natürlich in keinem Moment einen Bezugspunkt bietet, da wir nur als alternd und schrumpfend (morsche Knochen), wahrgenommen werden dürfen. Revolutionen und totalitäre Regime setzen stets auf die Jugend und auf das beschleunigte Ableben der Alten.

Georg Albrecht

18. April 2013 17:21

Foucault trieb die deutsche Frage um:

"Wir haben im zeitgenössischen Deutschland [d.h. 1979, G.A.] einen Staat, den man einen radikal ökonomischen Staat nennen kann ...: Seine Wurzel ist vollkommen ökonomisch. ... Ich meine auch, daß man sich nicht über die Natur des geschichtlichen Prozesses täuschen soll, der den Staat gegenwärtig so unerträglich und problematisch macht. Deshalb, aus diesem Grunde wollte ich die Organisation dessen untersuchen, was man das deutsche Modell und seine Verbreitung nennen könnte, wobei es natürlich klar ist, daß dieses deutsche Modell ... nicht das so oft herabgewürdigte, verbannte, öffentlich bloßgestellte und beschimpfte Modell des Bismarckschen Staates ist, der sich zum Hitler-Staat entwickelt. Das deutsche Modell, das sich ausbreitet und das in Frage steht, ... ist die Möglichkeit einer neobliberalen Gouvernementalität." (Geburt der Biopolitik, S. 126 u. 269)

Andreas Vonderach

18. April 2013 17:57

Es ist an der Zeit, daß das IfS einmal von kompetenter Seite eine Aufklärungsschrift über den linken, postmodernen Ideologiekomplex und -jargon des Konstruktivismus / Dekonstruktivismus, Diskurstheorie usw. herausgibt. Eine solche ist als Argumentationshilfe dringend von Nöten!

JeanJean

18. April 2013 18:00

https://www.realclearworld.com/articles/2013/04/16/us_could_be_worlds_most_populous_country.html

Der Autor:

Joseph Chamie, former director of the United Nations Population Division, recently stepped down as research director at the Center for Migration Studies. He is the lead author of the groundbreaking, seminal study, "Replacement Migration: Is It a Solution to Declining and Ageing Populations?" © 2013 Yale Center for the Study of Globalization

Zadok Allen

18. April 2013 20:54

Die Diskurstheorie mündet direkt in Strukturalismus und Dekonstruktivismus, und damit in die linksintellektuelle Superwaffe, die Strahlenkanone aller Strahlenkanonen: die Politik der Gänsefüßchen, die darin besteht, einen Sachverhalt verschwinden zu lassen, indem man den Begriff, der ihn bezeichnet, anvisiert, als bloßes Diskurs-Element abstempelt und damit neutralisiert.

Die Diskurstheorie ist daher auch die Basis der Vorstellung, Identitäten (z.B. geschlechtliche oder nationale) kämen auf rein „diskursiver“ Basis zustande, und hätten damit keine „eigentliche“ Realität für sich (zumindest sofern es die Identität der „Anderen“ betrifft, der Heterosexuellen, Weißen, Christen usw.).

Meine Empfehlung: Keine Berührungsangst mit den "dekonstruktivistischen" Ansätzen. Nimmt man sie zu ihrem Nominalwert, so lassen sie sich blitzschnell in recht scharfe argumentative Waffen umkehren.

Diese Theoreme sind nicht notwendigerweise mit bestimmten wertrationalen Einstellungen verbunden (auch wenn das ihre Erfinder, wie Habermas und Foucault, natürlich gerne hätten).

Natürlich hat Herr Lichtmesz vollkommen richtig beschrieben, wie sie als Instrumente zur Delegitimierung und Herabwürdigung der europäischen Völker und ihrer Institutionen eingesetzt werden. Die dahinterstehende Theorie ist aber ontologiekritisch gemeint: es gibt überhaupt nur "Diskurse". Diese sind allumfassende Entitäten, die uns alle tragen und in denen wir leben.

Das gilt nun, nimmt man den Ansatz einmal probehalber eine Minute lang ernst, selbstverständlich auch und gerade für solche "Diskurse" wie den "Menschenrechtsdiskurs", den "Multikulturalismus-Diskurs", den "Gender-Diskurs" usw. usf. Nichts von alledem hat ein fundamentum in re, ein irgendwie geartetes ontisches Substrat - wenn man, nota bene, die theoretischen Prämissen kauft, was man ja auch nicht muß.

Nochmals: Mir ist klar, in welchen Gesinnungskreisen der "Dekonstruktivismus" entstanden ist und wie er funktionalisiert wird. Daß er aber als "Strahlenkanone aller Strahlenkanonen" eingesetzt wird, liegt nicht an der Theorie selbst, sondern an dem historisch zufälligen Umstand, daß er bestimmten (sog. "linken") sozialen Gruppen als Waffe dient. (Hätten diese nicht den "Dekonstruktivismus", so hätten sie eben etwas anderes als Waffe.)

Man sollte also nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren, sondern sich klarmachen, daß sich mit besagtem theoretischen Ansatz im Handumdrehen skeptische, pessimistische, relativistische und partikularistische Werthaltungen verbinden ließen. Im Prinzip öffnet der "Dekonstruktivismus" einem radikalen Dezisionismus des Einzelnen sowie beliebiger Gruppen Tür und Tor.

M.L.: Wie gesagt, diese Waffe läßt sich in der Tat mit Leichtigkeit gegen ihren Urheber wenden... übrigens hat sich schon Mohler aus ähnlichen Gründen für Postmoderne und Dekonstruktivismus interessiert.

Ein Fremder aus Elea

18. April 2013 23:18

die Wirklichkeit in Begriffe zu fassen. Diese wird dadurch gedeutet, beurteilt, beherrscht und bis zu einem gewissen Grad auch erst geschaffen.

Diese wird dadurch partiell erfaßt.

Aufgrund der Partialität der Erfassung bleibt Raum für implizite Assoziationen.

Welche problematisch sind, weil

1. ihre logische Konsistenz nicht überprüft werden kann und
2. die verbreitetsten von ihnen, welche nicht zu nachhaken, sondern zu stillem Einverständnis führen, das aufgrund uniformer Vermittlung durch die Massenmedien sind.

Sagt Foucault noch mehr?

Nun, das ist die profane Seite des Problems, alle über die Erfahrung der Naturgesetze hinausgehenden Selbstverständlichkeiten werden gemacht, und sie müssen keineswegs widerspruchsfrei sein.

Noch kürzer... Aber es gibt auch noch eine andere Seite des Problems, nämlich die des Festhaltens der Begriffe, als welches sich üblicherweise im Umgang mit ihnen vollzieht, so daß ein eingeschränkter Umgang auch eine eingeschränkte Begrifflichkeit begünstigt, welche ihrerseits wiederum einen eingeschränkten Umgang begünstigt, also ein Teufelskreis der Borniertheit.

Das ist viel schwerwiegender, die Fessel, welche Millionen für Jahrtausende in Ignoranz hält.

Nun, Herr Kleine-Hartlage hat sich über den Wegfall des Demos ja des öfteren ausgelassen, daß ohne ihn Demokratie nicht möglich ist, was wohl das beste Argument für ihn ist, und also auch das beste Argument für die Identitären, und ich habe es auch einmal getan:

https://bereitschaftsfront.blogspot.com/2013/03/voraussetzungen-des-dialektischen.html

Aber natürlich ist unsere Korporationenkoordinationszentralstelle darüber nicht unbedingt unglücklich.

Irrlicht

19. April 2013 11:36

@Zadok Allen
Der Relativismus des Postmodernismus oder der nordamerikanischen Cultural Studies in Bezug auf Geltungsfragen, Ontologie, etc. zählt auch zu deren größten theoretische Schwächen, weshalb derartiges in Deutschland auch nur im Feuilleton , in der akademischen Philosophie aber nicht, anzutreffen ist. Die Begeisterung für die angebliche "Strahlenkanone aller Strahlenkanonen" für einen nah am Selbstwiderspruch balacierenden Relativismus erschließt sich mir jedenfalls nicht. Und die wissenschaftlichen Standards dieser akademischen Turnübung wurden durch den Sokal Hoax beleuchtet.

Inselbauer

19. April 2013 12:06

Ich bin mir nicht so sicher, ob die "Werkzeugkiste" des Herrn Foucault nicht doch ein linker Kramladen ist. Dieser Verdacht nährt sich aus der persönlichen Erfahrung, dass ich die Hälfte meines Lebens linke Schrott-Texte auf der Grundlage dieses Köfferchens produziert habe, beim Abfassen eines auch nur annähernd nationalen Textes aber niemals auch nur auf die Idee käme, Machtverhältnisse an Sprachregelungen festzumachen. Das Gerede von Stürzenberger ist da ein gutes Beispiel: Er bedient alle möglichen schwachsinnigen "Diskurse" und plumpst in so gut wie alle offen stehenden Mistlöcher von Sprachregelung, trotzdem ist er einer der ganz wenigen, die etwas Wirkungsvolles gegen die Islamisierung machen. und er ist ein Deutscher, wie er deutscher gar nicht sein könnte.
Ich bin auch der Ansicht, dass der gute Franzose in seiner Jugend einfach zu viel Stalin gelesen hat und ihm die "Linguistikbriefe" eine Art Prägung verpasst haben.
Vielleicht sind das aber auch nur persönliche Vorurteile.

M.L.: Aus dem akademischen Abfall, der mittels poststrukturalistischem Jargon verfaßt wurde, könnte man einen Himalaya aufbauen.- Sicher, Stürzenberger macht auch nichts anderes, als laufende "Diskurse" aufzugreifen und sie als eigenen Spieß zu benutzen. Damit entlarvt er die Doppelstandards der Liberalen, allerdings eher als Nebeneffekt seiner Agitation, der, wie ich fürchte, ihm selber gar nicht auffällt. Er glaubt offenbar "wirklich" an die gängigen "Diskurs"-Hülsen, aber genau hier kann ja eine Aufklärung über "Diskurse" ansetzen. Mir sind jedenfalls Leute, die keinerlei Distanz zu politischer Phraseologie erkennen lassen, zutiefst unheimlich. Jedesmal, wenn Stürzenberger den Mund aufmacht, verspüre ich den unwiderstehlichen Drang, auf der Stelle zum Islam zu konvertieren.

Inselbauer

19. April 2013 12:50

Stürzenberger ist ein Post-Diskurs-Phänomen, er tritt als phraseologisch Behinderter auf, der durch seine Biographie in der CSU schwer geschädigt worden ist und jetzt mit einem geistigen No-Problem-Orchester (eine musikalische Institution, die Jörg Haider in Kärnten erfunden hat) durch die Fußgängerzonen knallt. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass er das strukturelle Vorbild seiner Spaßtruppe genau kennt ("Chance 3000" von Schlingensief) und den Rollstuhlfahrer, die paranoide Beflaggung und das nagelneue Megaphon als Setting bewusst kopiert hat.
Er ist sich seiner Rolle sehr wohl bewusst, und er hantiert mit den Diskurs-Leichen wie mit Bomben. Ich finde das toll, er widerlegt damit alles, was es an "Diskurstheorie" noch gibt. Es ist eine brüllende Combo, PI ist jetzt ein Massenmedium, das bei Alexa künstlich zurückgestuft werden muss.
Diese therapeutischen Ausbrüche sind immerhin noch ein unbewusster ethnischer Abwehrkampf. Den Trommler im No-Problem-Orchester darfst du nach dem Haider nicht fragen, er kennt ihn gar nicht.

Nordländer

19. April 2013 13:31

@ M.L.:

"Jedesmal, wenn Stürzenberger den Mund aufmacht, verspüre ich den unwiderstehlichen Drang, auf der Stelle zum Islam zu konvertieren."

Stürzenberger, Femenaufstände, allerlei politisch-inkontinentes liberales Gebroder ... habe mir jetzt zumindest schon einmal Materialien angesehen, die Einwanderungsgesetzgebung Saudi Arabiens anbelangend.

Die Gemeinde derer, die da meint, eine Verneinung sei eine Verneinung, ein Widerspruch sei ein Widerspruch, ist beachtlich.
Der angepaßte Biedermann, der da klagt "Ich fühle mich als "Bio-Deutscher" (Cem Özdemir, sic) diskriminiert."

"Es ist nicht wahr, daß ich meine Frau seit Wochen im Keller gefangen halte. Ich weise weiterhin ausdrücklich darauf hin, daß ich all meine Waren im Lebensmittelmarkt grundsätzlich und immer an der Kasse zu bezahlen pflege."

Quietschvergnügt bejaht der politisch Inkontinente das Paradigma der BUNTEN Spassgesellschaft durch seine Verneinung, mit Wohlbehagen betrachtet er sein schmuckes Narrenkostüm des allzeitkritischen Islamkritikers im Spiegel, er wird auf dem Ball so manchen Harlekin, Cowboy und Indianerhäuptling ausstechen und in die zweite Reihe verweisen.

Theosebeios

19. April 2013 17:15

Mir wird bei so viel Zuspruch zu Foucault bzw. konstruktivistischen Ansätzen recht unbehaglich. Da scheint mir, pardon liebe Mitstreiter, ein gerüttelt Maß an Naivität mitzuschwingen. Es erinnert etwas an den emotionalen Aufschwung, den Herr Bosselmann vor Monaten hier anlässlich seiner Adorno-Lektüre zeigte. Kühlen Kopf bewahren. Bin dankbar für den messerscharfen und in kürzest möglicher Form eingebrachten Kommentar von "Irrlicht" (kontrafaktisch zu seinem Aliasnamen sozusagen).
An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Methoden können blenden. Der negative Nutzeffekt (die Zersetzung der Zersetzer) ist zugestanden. Aber man zeige eine einzige konstruktive (sic) Anwendung bei gleichzeitiger Bewahrung vor Selbstinfektion.

Heinrich Brück

21. April 2013 19:04

Eine moralische Diskursethik, und die Mächtigen definieren die Moral?
Die Achtundsechziger werden Hitler niemals verzeihen daß er verloren hat.

Martin Lichtmesz

22. April 2013 14:05

Geschlossen, Dank an alle Teilnehmer.

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