Etwas wird sichtbar – (Weitere Gedanken zum Mohammed-Film)

Manfred Kleine-Hartlage und Erik Lehnert haben sich mit schlüssigen Argumenten für das provozierende Vorhaben der "Pro"-Partei ausgesprochen,...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

das Pro­pa­gan­da­film­chen “Inno­cence of Mus­lims” öffent­lich auf­zu­füh­ren.  Selbst wenn die­ses nur ein Bluff sein soll­te (denn mehr als die You­tube-Aus­schnit­te gibt es ver­mut­lich gar nicht zu zei­gen), hat er schon aus­ge­reicht, hef­ti­ge und auf­schluß­rei­che Reak­tio­nen zu pro-vozieren.

Der bun­des­deut­sche Kin­der­gar­ten funk­tio­niert dann etwa so: “Tan­te, Tan­te, der Fritz hat gesagt, daß er mor­gen in der gro­ßen Pau­se ‘Moham­med ist doof’ sagen will!!” – “Oh, da wer­den der Meh­met, der Özkan, der Hassan, der Abdul­lah, der Izmir, der Ali und der Jihad  aber böse, äh trau­rig sein! Die schla­gen dann wie­der alles kurz und klein, weil sie so trau­rig sind, daß sie dis­kri­mi­niert wer­den! Da müs­sen wir jetzt aber mit dem Fritz schimp­fen, wenn er so gars­tig ist!”

Axel B. C. Krauss schrieb auf eigen­tüm­lich frei, daß er “die­se Sup­pe” nicht löf­feln wol­le: da das Video offen­sicht­lich mit der vol­len Absicht in Umlauf gebracht wur­de, Ärger zu stif­ten, sol­le man sich dem Spiel verweigern.

Für alle Betei­lig­ten gilt: Habt Mut, euch eures eige­nen Ver­stan­des zu bedie­nen. Fallt bit­te nicht auf plum­pe Pro­vo­ka­tio­nen her­ein, von wem sie auch stam­men und aus wel­chen Moti­ven sie sich auch spei­sen mögen! Lasst euch nicht gegen­ein­an­der auf­wie­geln, seid kei­ne Mario­net­ten im wohl ältes­ten Spiel der Mensch­heit: Tei­le und herrsche!

Sehr ähn­lich war auch mein Fazit:

Ich sage, und viel­leicht irre ich mich: in der momen­ta­nen Lage sind Zurück­hal­tung und Skep­sis das Rich­ti­ge. Wir soll­ten uns nicht zu gackern­den Hüh­nern machen las­sen; wir soll­ten über­haupt den Stall ver­las­sen. Wir soll­ten alle Kabel aus­fin­dig machen und ent­fer­nen, die uns noch mit roten Knöp­fen ver­bin­den. Sonst machen auch wir uns nur zu Spiel­bäl­len und Schachfiguren.

In der Tat ist die Wahr­schein­lich­keit hoch, daß das Video eine kal­ku­lier­te, zio­nis­tisch gesteu­er­te Fabri­ka­ti­on ist: der omi­nö­se, vor­be­straf­te Sam Baci­le / Nakou­la Bas­se­ley Nakou­la wäre dann ein bezahl­ter “Front­man”; die von dem Kop­ten Joseph Nas­ral­la gelei­te­te Pro­duk­ti­ons­fir­ma des Meis­ter­werks, “Media for Christ” und der “Bera­ter” Ste­ve Klein haben enge Bezie­hun­gen zu pro­mi­nen­ten “Counterjihad”-Aktivisten wie Robert Spen­cer und Pame­la Gel­ler, die stramm pro-zio­nis­tisch und pro-israe­lisch aus­ge­rich­tet sind. Spen­cer hat mit sei­ner 2003 gegrün­de­ten Sei­te jihadwatch.org die Blau­pau­se für das gelie­fert, was heu­te unter “Islam­kri­tik” läuft, so auch für den deut­schen Able­ger pi-news.

Was nun auch immer die Ver­brei­tung des Films im Nahen Osten bezwe­cken soll­te – in Euro­pa wird er doch eine ande­re Wir­kung ent­fal­ten als dort. Ein jun­ger, ger­ma­no­phi­ler Zio­nist mein­te ein­mal mir gegen­über, Isra­el und Deutsch­land stün­den in einer Front, die von Neu­kölln bis Gaza rei­che.  Dem muß­te ich wider­spre­chen. Der Mos­lem im Nahen Osten befin­det sich näm­lich in sei­nem Hei­mat­land, der Mos­lem in Deutsch­land aber in meinem.

Die glo­ba­lis­ti­sche Stra­te­gie des “Invi­te them/Invade them” hat eine ver­zwick­te, unüber­schau­ba­re Lage geschaf­fen. Jim Goad (unter sei­nem Ali­as “The Edi­tors”) kom­men­tier­te in dem “paläo­kon­ser­va­ti­ven” Netz­ma­ga­zin Taki­mag:

Hil­la­ry Clin­ton nann­te den Film “ekel­haft und ver­werf­lich”. Ame­ri­ka­ni­sche Poli­ti­ker aus dem gesam­ten ekel­haf­ten wie ver­werf­li­chen Spek­trum beto­nen beflis­sen, daß wir den Islam viel weni­ger has­sen, als wir es anschei­nend lie­ben, die mos­le­mi­sche Welt in die Stein­zeit zu bomben. (…)

Ame­ri­ka und Groß­bri­tan­ni­en sind viel stär­ker von der inne­ren demo­gra­phi­schen Ero­si­on bedroht, als von einem archai­schen reli­giö­sen Unfug, der sich tau­sen­de Mei­len ent­fernt abspielt. Wir müs­sen mit Irri­tie­rung und Bit­ter­keit dabei zuse­hen, wie die kriegs­gei­len Hand­lan­ger in den Staa­ten und in Eng­land ihre Sol­da­ten in den Tod schi­cken, und zur glei­chen Zeit die Umma ein­la­den, uns zu kolonisieren.

Dank unse­rer halb­her­zi­gen und selbst­mör­de­ri­schen Vor­stel­lun­gen von “Tole­ranz” und “kul­tu­rel­ler Sen­si­bi­li­tät” hat sich die Anzahl der Mos­lems in den USA seit 9/11 mehr als ver­dop­pelt.  Und wir zwei­feln schwer dar­an, daß all die­se, wahr­schein­lich nicht ein­mal ihre Mehr­zahl, von den edels­ten Absich­ten und einem auf­rich­ti­gen Anpas­sungs­wil­len an unse­re Kul­tur beseelt sind. So funk­tio­niert der Islam ganz ein­fach nicht. So hat der Islam nie­mals funk­tio­niert. Es han­delt sich um eine ech­te demo­gra­phi­sche Gefahr.  Statt unse­re Wirt­schaft wei­ter­hin mit end­lo­sen und tota­len Impe­ri­al­krie­gen zu zer­stö­ren, fän­den wir es viel prak­ti­scher, über­haupt jeg­li­che Ein­wan­de­rung in die USA zu stop­pen, abge­se­hen von, sagen wir ein­mal, ein paar Wis­sen­schaft­lern, die her­aus­ge­fun­den haben, wie man Krebs hei­len kann.

Wor­in sich nun der ehren­wer­te Axel B. C. Krauss irrt, ist die Annah­me, es gäbe über­haupt eine Ein­heit, die man erst aus­ein­an­der­di­vi­die­ren müß­te. Daß poli­tisch zwi­schen uns und den Suda­ne­sen im Sudan und den Liby­ern in Liby­en kei­ner­lei Ver­bin­dung oder Gemein­sam­keit besteht, scheint auf der Hand zu lie­gen. Es wird aber auch nicht viel bes­ser, wenn der Suda­ne­se oder der Liby­er einen deut­schen Paß bekommen.

In Wirk­lich­keit sind die fort­ge­schrit­ten mul­ti­kul­tu­ra­li­sier­ten Län­der Euro­pas wie Eng­land, Frank­reich und Deutsch­land bereits jetzt voll von gefähr­li­chen inne­ren Bruch­li­ni­en, über die tag­aus tag­ein hin­weg­ge­lo­gen wird. Allein die blo­ße mas­si­ve Prä­senz frem­der Kul­tu­ren und Bevöl­ke­rungs­grup­pen in Euro­pa ist bereits Fol­ge des “Tei­le und Herrsche”-Prinzips.

Dabei braucht es nicht ein­mal wirk­li­che Ernst­fäl­le, um zu zei­gen, wie sich die Soli­da­ri­tä­ten wirk­lich ver­tei­len. Vor eini­gen Wochen etwa hat das Innen­mi­nis­te­ri­um eine Kam­pa­gne gegen isla­mi­sche Radi­ka­li­sie­rung lan­ciert, die sorg­sam dar­auf acht­gab, ihre Gut­ge­meint­heit zu beto­nen und Mos­lems und den Islam nicht pau­schal zu atta­ckie­ren. “Gesucht” wur­den per Pla­kat­auf­ruf fik­ti­ve Freun­de, Ver­wand­te und Bekann­te, ver­irr­te Schäf­chen, die eigent­lich zu “uns”, zu “Deutsch­land” gehö­ren, die aber von einem uner­klär­li­chen reli­giö­sen Virus befal­len sei­en, wie ande­re Sek­ten­an­hän­ger auch.

Der sofor­ti­ge Wider­stand mos­le­mi­scher Ver­tre­ter, und zwar vor allem sol­cher aus dem libe­ra­len und “inte­grier­ten” Spek­trum, war mas­siv. Das ging so weit, daß die Tür­ki­sche Gemein­de Deutsch­lands fast schon Blau­hel­min­va­sio­nen her­bei­wünsch­te, um die­ses Ver­bre­chen an der Mensch­heit zu ahnden.

Wie schon zuvor, waren die mos­le­mi­schen Inter­es­sens­grup­pen also nicht bereit, das Inte­gra­ti­ons­spiel “Wir rei­chen uns die Hän­de und distan­zie­ren uns jetzt alle gemein­sam von Extre­mis­ten, dann wird es schon gut­ge­hen” mit­zu­ma­chen, von ein paar halb­her­zi­gen, diplo­ma­tisch for­mu­lier­ten Lip­pen­be­kennt­nis­sen mal abge­se­hen. Es gibt hier deut­lich Inter­es­sen, Soli­da­ri­tä­ten und Iden­ti­f­kat­io­nen, die tie­fer gehen als die übli­chen Bekennt­nis­se zu “Demo­kra­tie”, “Wer­ten” und so weiter.

Ähn­li­ches wur­de nun auch sicht­bar ange­sichts der Dro­hun­gen des klei­nen Pro-Frit­zen. Am stärks­ten ins Zeug gelegt hat sich dabei die Ber­li­ner Sena­to­rin für “Arbeit, Frau­en und Inte­gra­ti­on” Dilek Kolat (SPD), gebo­ren 1967 in der Tür­kei. Ber­li­ner Bou­le­vard­blät­ter druck­ten in fet­ten Schlag­zei­len ihren Auf­ruf an die “Zivil­cou­ra­gier­ten” und sons­ti­ge Instan­zen auf, die öffent­li­che Auf­füh­rung der 14 Minu­ten mit allen Mit­teln zu boy­kot­tie­ren. Und schon begann das gro­ße Ein­kni­cken, selbst bei jenen, die den Film in anpran­gern­der Absicht prä­sen­tie­ren woll­ten. Kolat:

Die demo­kra­ti­sche Kul­tur in unse­rer Stadt braucht den gegen­sei­ti­gen Respekt und das fried­li­che Zusam­men­le­ben von Men­schen mit unter­schied­li­chen Reli­gio­nen. Der Film ist eine plum­pe Pro­vo­ka­ti­on, der alle Ber­li­ne­rin­nen und Ber­li­ner eine fried­li­che aber deut­li­che Absa­ge ertei­len sollten!

Kann man sich nun vor­stel­len, daß Kolat ähn­lich enga­gier­ten Dampf gemacht hät­te, wenn ein anti­christ­li­cher Film auf dem Pro­gramm gestan­den wäre? Eher nicht, und das liegt wohl nicht nur an eth­ni­schen und reli­giö­sen Soli­da­ri­tä­ten, son­dern wohl auch dar­an, daß sie genau weiß, daß Chris­ten in der Regel nicht zur Gewalt grei­fen, wenn gegen sie “gehetzt” wird, was gera­de in Ber­lin nicht sel­ten vor­kommt. Wer wun­dert sich indes­sen, wenn Leu­te wie Kolat zuneh­mends als Akteu­re der Fünf­ten Kolon­ne wahr­ge­nom­men werden?

“Het­ze” wird immer nur dann zum Pro­blem für die meis­ten Leu­te, wenn Ärger bevor­steht. Kei­ne Sau küm­mert sich etwa um die wei­ße Kreu­ze tra­gen­den christ­li­chen Abtrei­bungs­geg­ner, die auf Anti­fa­sei­ten übelst beschimpft und dif­fa­miert wer­den, und kei­ne Sau küm­mert sich, wenn die­se dann von Anti­fas tät­lich ange­grif­fen wer­den. Nie­mand muckt gegen die “Het­ze” gegen Wehr­lo­se und Macht­lo­se auf, so trau­rig es ist. Auch all die­je­ni­gen nicht, die nun laut­stark gegen die “Het­ze” des Moham­med-Film­chens pro­tes­tie­ren, immer aus dem Augen­win­kel schie­lend, ob man sie dabei ja gut sehen kann. Nicht sel­ten steht hin­ter der mora­li­schen Empö­rung bloß kaschier­te Angst.

Das Ver­hal­ten vie­ler maß­geb­li­cher Poli­ti­ker auf die Vor­füh­rungs­an­kün­di­gung kommt einem Ein­ge­ständ­nis gleich: der Angst vor der Gefahr, die offen­bar ganz real von mos­le­mi­scher Sei­te erwar­tet wird. Anfang August gab Innen­mi­nis­ter Fried­rich (CSU) bekannt, daß Deutsch­land im “Visier von Isla­mis­ten” stün­de, und ter­ro­ris­ti­sche Aktio­nen befürch­tet wür­den. Der­sel­be Fried­rich mach­te sich nun für ein Auf­füh­rungs­ver­bot von “Inno­cence of Mus­lims” stark, und warf der Pro-Bewe­gung vor, “Öl ins Feu­er” gie­ßen zu wol­len. Er muß es ja wis­sen, daß hier etwas glimmt oder gar schon brennt. Und nach den jüngs­ten Kur­den­kra­wal­len in Mann­heim, bei denen 80 Poli­zis­ten ver­letzt wur­den, nicht nur er.

Mit sei­nen nega­ti­ven Erwar­tun­gen steht Fried­rich nicht allein da:  Aiman Mazy­ek, Vor­sit­zen­der des Zen­tral­rats der Mus­li­me in Deutsch­land, “warn­te” eben­falls vor Aus­schrei­tun­gen, wobei sich das in sei­nem Mund wie­der ein­mal eher wie eine Dro­hung anhört. Nun, die­ser Mann kennt offen­bar sei­ne Pap­pen­hei­mer gut, aber er und sei­ne Ver­tre­ter spre­chen mit gespal­te­ner Zun­ge von “Extre­mis­ten hüben wie drüben”:

  „Es ist zu befürch­ten, daß Extre­mis­ten auf bei­den Sei­ten vor Gewalt­an­wen­dung nicht zurück­schre­cken wer­den“, warn­te Soy­kan. Damit aber hät­ten die Macher die­ses Fil­mes ihr Ziel erreicht. Dies gel­te es, zu verhindern.

“Bei­de” Sei­ten? Wen meint er? Weder die Pro-Bewe­gung noch eine ande­re “islam­kri­ti­sche” Grup­pie­rung hat in Deutsch­land bis­her Gewalt ange­wen­det oder auch nur dazu aufgerufen.

Man kann es dre­hen und wen­den wie man will: die State­ments von Fried­rich, Kolat und Mazy­ek sind alle­samt Ein­ge­ständ­nis­se, daß es in Deutsch­land ein beträcht­li­ches Kon­flikt­po­ten­zi­al gibt, das nur solan­ge “fried­lich” in der Kis­te schlum­mert, solan­ge die Din­ge nach den Inter­es­sen der Mos­lems ver­lau­fen. Ansons­ten wird ver­kün­det, hier gäbe es nichts zu sehen und nichts zu befürch­ten, alles sei in But­ter (abge­se­hen von ein paar ein­ge­stan­de­nen “Extre­mis­ten” mit komi­schen Bär­ten), der Islam “gehört zu Deutsch­land”, und wer Gegen­tei­li­ges behaup­tet, ist isla­mo­phob, popu­lis­tisch, rassistisch.

In mei­nem letz­ten Bei­trag schrieb ich, noch zögerlich:

Man könn­te aber auch sagen, daß sie ver­su­chen, Feu­er an die Lun­ten zu legen, um per Test­spren­gung zu demons­trie­ren, daß sich auch in Deutsch­land ers­te isla­mi­sche Dyna­mit­la­ger ange­sam­melt haben, und daß es kei­ne gute Idee ist, die­se wei­ter wach­sen zu las­sen. Self-ful­fil­ling pro­phe­cy oder Quod erat demonstran­dum? Und das hät­te frei­lich wie­der eini­ge Legi­ti­mi­tät für sich. So oder so wer­den sich alle Betei­lig­ten, „Appeaser“ wie Pro­vo­ka­teu­re fra­gen müs­sen, wie­viel Gewalt sie bereit sind, im Namen ihrer poli­ti­schen Zie­le in Kauf zu neh­men, wie­viel Gewalt sie für unver­meid­lich und „alter­na­tiv­los“ hal­ten, als Kol­la­te­ral­scha­den oder als Erweckungsknall.

Was für einen sinis­tren Zweck “Inno­cence of Mus­lims” ursprüng­lich auch gehabt haben mag – wenn die­ser zuge­schupf­te Ball all dies sicht­bar wer­den las­sen kann, dann ist es legi­tim, ihn auszuspielen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.