Brief an Verteidigungsminister Dr. Thomas de Maizìere

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

seit einigen Tagen gibt es über einen Beitrag von mir, der in der Zeitschrift Marineforum (Ausgabe 7/8-2011) erschienen ist, eine mediale Debatte,...

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph und Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Staatspolitik.

in die Sie sich am Sonn­abend ver­gan­ge­ner Woche durch eini­ge Sät­ze im Ham­bur­ger Abend­blatt ein­ge­schal­tet haben.

Sie reagie­ren dar­in „empört“ auf den Bei­trag, stel­len mei­ne Aus­füh­run­gen in einer Rei­he mit links­extre­mis­ti­schen Ver­un­glimp­fun­gen gefal­le­ner Bun­des­wehr­sol­da­ten und kom­men zu dem Schluß (O‑Ton): „Und jetzt kommt eine geschmack­lo­se Aus­ein­an­der­set­zung über den Tod der See-Kadet­tin auf der Gorch Fock in einer Mari­ne­zeit­schrift hin­zu. Ich fin­de das widerwärtig.“

Ich gehe davon aus, daß Ihnen der Arti­kel zum Zeit­punkt Ihrer Aus­sa­ge nicht im Wort­laut bekannt war, da dar­in das Gegen­teil von dem steht, was Sie anneh­men. Auch blei­ben Sie die Bele­ge für Ihr Urteil schul­dig (soll­te es Bele­ge geben, bit­te ich Sie, mir die­se zu nen­nen). Weder wird von mir irgend­je­mand geschmäht oder ver­un­glimpft, noch fin­det sich an einer Stel­le auch nur die lei­ses­te Geschmacklosigkeit.

Es geht auf den drei Sei­ten mei­nes Bei­trags um die Fra­ge, wel­chen Gren­zen es für den Ein­satz von Frau­en in den Streit­kräf­ten gibt und wel­che Aus­wir­kun­gen die Unter­schie­de zwi­schen den Geschlech­tern auf ihre mili­tä­ri­sche Ver­wen­dung haben. Der Arti­kel basiert auf einer umfang­rei­chen Stu­die, die im März erschie­nen war und zu der mir u.a. Ernst-Rein­hard Beck (MdB und Ver­tei­di­gungs­po­li­ti­scher Spre­cher der CDU/C­SU-Frak­ti­on) aus­rich­ten ließ, daß er sie mit gro­ßem Inter­es­se gele­sen habe und er den Her­aus­ge­bern „auch wei­ter­hin ein gutes Händ­chen bei der The­men­aus­wahl und deren Dis­kus­si­on“ wünscht (ePost vom 16. 3. 2011).

Die Schluß­fol­ge­run­gen mei­nes Arti­kels stüt­zen sich nicht nur auf umfang­rei­che Unter­su­chun­gen der US-ame­ri­ka­ni­schen Streit­kräf­te zu die­sem The­ma, son­dern auch auf eine vom BMVg beauf­trag­te Stu­die aus dem Jahr 2005: „Erhe­bung und Bestim­mung metrisch-funk­tio­nel­ler Kenn­grö­ßen zum Zweck der Inte­gra­ti­on weib­li­cher Bun­des­wehr­an­ge­hö­ri­ger an mili­tä­ri­schen Arbeits­plät­zen“ (Bonn 2006, For­schungs­be­richt aus der Wehr­me­di­zin; BMVg-FBWM 06–1).

Die­se kommt zu fol­gen­dem Schluß: „Von einer Gefähr­dung von klei­nen bis mit­tel­gro­ßen Frau­en ins­be­son­de­re im Bereich des Arbeits­schut­zes an mili­tä­ri­schen Arbeits­plät­zen ist aus­zu­ge­hen, solan­ge die­se nicht im Ein­zel­fall durch eine ergo­no­mi­sche Eva­lua­ti­on und anschlie­ßen­de metri­sche Opti­mie­rung oder durch den Aus­schluß von kör­per­lich unge­eig­ne­ten Per­so­nen von sol­chen Arbeits- und Funk­ti­ons­plät­zen ver­hin­dert wer­den kann.“

Wei­ter heißt es in der Stu­die: „Ein gro­ßer Teil von Frau­en liegt in der Ver­tei­lung der wich­tigs­ten anthro­po­me­trisch-ergo­no­mi­schen Kenn­grö­ßen unter­halb der Grenz­wer­te von Män­nern.“ Mich wun­dert, daß die­se Ergeb­nis­se kei­ne Beach­tung gefun­den haben, da sie doch auf rea­le Gefah­ren hin­wei­sen, vor denen die Sol­da­ten geschützt wer­den müs­sen. Daß Frau­en im Schnitt kör­per­lich klei­ner und schwä­cher als Män­ner sind, ist eine Tat­sa­che, auf die man reagie­ren muß. Eben­so gilt es die unter­schied­li­chen sozio­lo­gi­schen Vor­aus­set­zun­gen zu beach­ten. Um nichts ande­res geht es in mei­nem Bei­trag im Mari­ne­fo­rum.

Sehr geehr­ter Herr Bun­des­mi­nis­ter, was an die­sen Aus­sa­gen ist „wider­wär­tig“, was haben sie mit Ver­un­glimp­fung, Ver­höh­nung, Schmä­hung der Kadet­tin oder der Gefal­le­nen zu tun? Falls es Argu­men­te gegen die von mir vor­ge­brach­ten Fak­ten gibt, bit­te ich Sie, mir die­se zu nen­nen, damit ich mei­ne Auf­fas­sun­gen kor­ri­gie­ren kann. Bis­lang hat mich nichts in die­ser Rich­tung erreicht. Die Bericht­erstat­tung beschränkt sich dar­auf, mir etwas zu unter­stel­len, was ich nie behaup­tet oder gesagt habe. Wenn Sie die Kom­men­ta­re bei welt.de (ca. 850) und spiegel.de (ca. 750) zu die­sem The­ma durch­ge­hen, wer­den Sie mer­ken, daß sie über­wie­gend posi­tiv sind und die media­le Hys­te­rie nicht nach­voll­zie­hen kön­nen. Das heißt nicht, daß jeder mei­ne Auf­fas­sun­gen teilt, aber doch, daß man dar­über offen dis­ku­tie­ren dür­fen muß, ohne des­halb mit ehr­ab­schnei­de­ri­schen Voka­beln bedacht zu werden.

Ich bin über Ihre Wort­wahl des­halb ehr­lich ent­setzt und hät­te nicht erwar­tet, daß Sie als Obers­ter Dienst­herr ihre Unter­ge­be­nen, zu denen ich als Reser­ve­of­fi­zier mit­tel­bar ja auch gehö­re, in die­ser Art und Wei­se an die Pres­se aus­lie­fern, die hier wie­der ein­mal eine Kam-pagne auf dem Rücken der Bun­des­wehr aus­fech­ten will. Auch wenn Sie mei­nen Namen nicht expli­zit erwäh­nen, ist es doch ein Leich­tes her­aus­zu­be­kom­men, auf wen sich Ihre oben zitier­te Aus­sa­ge bezieht. Ich habe immer wie­der mei­ne Frei­zeit, über die ich als fünf­fa­cher Fami­li­en­va­ter (u.a. ande­rem von drei Töch­tern) nur sehr knapp ver­fü­ge, geop­fert, um mei­nem Land zu die­nen. Als Bür­ger, Offi­zier und Wis­sen­schaft­ler sehe ich es als mei­ne Pflicht an, auf Miß­stän­de hin­zu­wei­sen. Ich bit­te Sie drin­gend, den Fall zu prü­fen und ins­be­son­de­re Ihre Aus­sa­ge zu kor­ri­gie­ren, die mich in die Nähe von links­extre­mis­ti­schen Ver­äch­tern von Staat und Bun­des­wehr rückt. Mein Bestre­ben läuft erkenn­bar nicht dar­auf hin­aus, staat­li­che Insti­tu­tio­nen zu schwä­chen, son­dern im Gegen­teil dar­auf, sie durch den nüch­ter­nen Blick auf die Wirk­lich­keit wider­stands­fä­hig zu machen.

Mit einem freund­li­chen Gruß, Dr. Erik Leh­nert (OLt d.R.)
Test

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph und Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Staatspolitik.

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