Ernst Jünger – Leben und Werk

pdf der Druckfassung aus Sezession 22/Februar 2008

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Am 29. März wird Ernst Jünger als Sohn eines Chemikers in Heidelberg geboren. Von seinen Geschwistern fühlt er sich besonders Friedrich Georg verbunden. Kindheit und Jugend verbringt er in verschiedenen Städten, vor allem in Niedersachsen (Hannover, Braunschweig, Wunstorf, Hameln), unterbrochen durch ständige Umzüge und Schulwechsel, die auch durch Jüngers schlechte Noten erzwungen werden.

Wenn wir uns der Zeit erinnern, in der wir Kinder waren, des Schweifens durch Wald und Feld, wo das Geheimnis hinter jedem Baum und jeder Hecke verborgen war, der wilden, tobenden Spiele in den dämmrigen Winkeln der kleinen Stadt, der Glut der Freundschaft und der Ehrfurcht vor unseren Idealen, so sehen wir, um wieviel blasser die Welt geworden ist.
                                                      (Das Abenteuerliche Herz. Erste Fassung)


1911
Jün­ger schließt sich der Orts­grup­pe Wunstorf des Wan­der­vo­gels an.

Jeder Genuß lebt durch den Geist. Und jedes Aben­teu­er durch die Nähe des Todes, den es umkreist. Ich ent­sin­ne mich eines Bil­des, das ich gese­hen habe, als ich kaum lesen gelernt hat­te, und das „Der Aben­teu­rer” hieß: ein See­fah­rer, ein ein­sa­mer Kon­quis­ta­dor, der den Fuß auf den Strand einer unbe­kann­ten Insel setzt. Vor ihm ein Furcht erwe­cken­des Gebir­ge, sein Schiff im Hin­ter­grund. Er ist allein …Von jenem „Aben­teu­rer” haben sich mir nur Ein­zel­hei­ten schär­fer in der Erin­ne­rung erhal­ten: der Strand war mit Kno­chen besät, mit Schä­deln und Gebei­nen der beim glei­chen Wag­nis Geschei­ter­ten. Das begriff ich und zog auch den Schluß, den der Maler beab­sich­tigt hat­te: daß da hin­auf­zu­stei­gen zwar ver­lo­ckend, doch gefähr­lich sei. Das sind die Kno­chen der Vor­gän­ger, der Väter und end­lich auch die eige­nen. Der Strand der Zeit ist von ihnen bedeckt. Wenn ihre Wel­len uns an ihn her­an­tru­gen, wenn wir lan­den, schrei­ten wir über sie hin­weg. Das Aben­teu­er ist das Kon­zen­trat des Lebens: wir atmen schnel­ler, der Tod rückt näher heran.
                                                            (Annä­he­run­gen. Dro­gen und Rausch)

1913
Jün­ger geht über die Gren­ze nach Frank­reich und tritt in die Frem­den­le­gi­on ein, setzt nach Alge­ri­en über, wird aber vom Vater unter Ver­mitt­lung deut­scher Stel­len freigekauft.

Wir hat­ten Hör­sä­le, Schul­bän­ke und Werk­ti­sche ver­las­sen und waren in den kur­zen Aus­bil­dungs­wo­chen zu einem gro­ßen, begeis­ter­ten Kör­per zusam­men­ge­schmol­zen. Auf­ge­wach­sen in einem Zeit­al­ter der Sicher­heit, fühl­ten wir alle die Sehn­sucht nach dem Unge­wöhn­li­chen, nach der gro­ßen Gefahr. Da hat­te uns der Krieg gepackt wie ein Rausch. 
                                                                                        (In Stahlgewittern)

1914
Unmit­tel­bar nach Kriegs­aus­bruch mel­det sich Jün­ger als Kriegsfreiwilliger.

Die glü­hen­den Gefil­de, die uns erwar­ten, hat noch kein Dich­ter in sei­nen Träu­men geschaut. Da sind eisi­ge Kra­ter­fel­der, Wüs­ten mit feu­ri­gen Pal­men­in­seln, rol­len­de Wän­de aus Feu­er und Stahl und aus­ge­stor­be­nen Ebe­nen, über die rote Gewit­ter zie­hen. Da schwär­men Rudel von stäh­ler­nen Vögeln durch die Luft, und gepan­zer­te Maschi­nen fau­chen über das Feld. Und alles, was es an Gefüh­len gibt, vom gräß­lichs­ten kör­per­li­chen Schmerz bis zum höchs­ten Jubel des Sie­ges, wird dort zu einer brau­sen­den Ein­heit, zu einem blitz­ar­ti­gen Sinn­bild des Lebens zusammengeballt.
                                                                                        (Das Wäld­chen 125)

1915
Nach kur­zer Aus­bil­dung kommt er mit sei­nem Regi­ment an die West­front. Am 24. April wird Jün­ger zum ers­ten Mal ver­wun­det. Im Som­mer nimmt er an einem Offi­ziers­lehr­gang teil, kehrt als Fähn­rich an die Front zurück und wird kurz dar­auf zum Leut­nant befördert

Was soll ich eure Ner­ven scho­nen? Lagen wir nicht selbst ein­mal vier Tage lang in einem Hohl­weg zwi­schen Lei­chen? Waren wir da nicht alle tote und Leben­di­ge, mit einem dich­ten Tep­pich gro­ßer, blau­schwar­zer Flie­gen bedeckt? Gibt es noch eine Stei­ge­rung? Ja: es lag dort man­cher, mit dem wir man­che Nacht­wa­che, man­che Fla­sche Wein und man­ches Stück Brot geteilt hat­ten. Wer darf vom Krie­ge reden, der nicht in unse­rem Rin­ge stand?
                                                                     (Der Kampf als inne­res Erlebnis)

1916
Zwei­te Ver­wun­dung im August; wäh­rend Jün­ger im Laza­rett liegt, wird sein gan­zer Zug bei Guil­le­mont ver­nich­tet. Drit­te Ver­wun­dung im Novem­ber, am 16. Dezem­ber erhält Jün­ger das Eiser­ne Kreuz ers­ter Klasse

Viel­leicht spürt man nir­gends schär­fer als hier im Gra­ben, wie der Geist einer Zeit als brü­chi­ges Gewand in Stü­cken her­un­ter­fällt. Die Art, in der Gedan­ken, die man noch vor kur­zem für bare Mün­ze nahm, sich ent­lee­ren und gleich­gül­tig wer­den, hat etwas Unheim­li­ches; es ist, als ob man inmit­ten gewal­ti­ger Schutt­fel­der den Geis­tern ver-stor­be­ner Bekann­ter begeg­ne­te, mit denen man eine schat­ten­haf­te Unter­hal­tung führt.
                                                                                        (Das Wäld­chen 125)

1917
Jün­ger rückt zum Kom­pa­nie­füh­rer auf; bei neu­er­li­chen Kämp­fen auf dem Schlacht­feld von Lan­ge­marck ret­tet er sei­nem Bru­der Fried­rich Georg das Leben.

1918
Nach vier­zehn Ver­wun­dun­gen und toll­küh­nen Aktio­nen als Stoß­trupp­füh­rer erhält Jün­ger am 22. Sep­tem­ber 1918 den Pour le Méri­te als höchs­te Tapferkeitsauszeichnung.

„In Stahl­ge­wit­tern”. Der Abschied des Krie­gers von den home­ri­schen Hel­den mit ihrem Kampf­spiel, ihrem Ruhm. Noch glaubt er, dem Tita­nis­mus stand­hal­ten zu kön­nen; er sieht nur die neu­en Mit­tel, nicht die Welt­macht, die dahin­ter­steht. Er tauscht die bun­te Uni­form gegen das graue Arbeits­kleid. Der Sol­dat ist als Leben­der unsicht­bar gewor­den, als Toter unbe­kannt. Noch möch­te er die Feu­er­welt dem über­lie­fer­ten Ethos anpas­sen. Doch herr­schen ande­re Geset­ze dort. Mit den Flug­zeu­gen erscheint der Vogel Phö­nix in neu­em Gewand.
                                                                                          (Sieb­zig verweht)

1919
Der hoch­de­ko­rier­te Leut­nant wird in das klei­ne 100 000-Mann-Heer über­nom­men und erar­bei­tet Infan­te­rie­vor­schrif­ten. Sein Tage­buch arbei­tet Jün­ger zu einem Buch um: In Stahl­ge­wit­tern erscheint 1920 im Selbst­ver­lag und wird zum Best­sel­ler. 1922 folgt der Deu­tungs­ver­such Der Kampf als inne­res Erlebnis.

1923
Jün­ger schei­det aus der Reichs­wehr aus und nimmt in Leip­zig das Stu­di­um der Zoo­lo­gie auf. 1925 hei­ra­tet er Gre­tha von Jein­sen, bricht das Stu­di­um ab und wird frei­er Schrift­stel­ler. Als wei­te­re Kriegs­ta­ge­bü­cher erschei­nen: Das Wäld­chen 125 und Feu­er und Blut.

Jede Gemein­schaft, die durch auf­ein­an­der ange­wie­se­ne Män­ner gebil­det wird, ent­wi­ckelt sich nach den Geset­zen der orga­ni­schen Natur. Sie wird aus der Ver­schmel­zung ver­schie­de­ner Kei­me erzeugt und wächst her­an wie ein Baum, der sei­ne Eigen­art einer Rei­he von Umstän­den ver­dankt. Die ers­te Begeg­nung ist eine im Grun­de feind­li­che, man schleicht mas­kiert umein­an­der her­um, jeder gibt sich, wie er schei­nen möch­te, und späht die schwa­chen Stel­len des ande­ren aus. All­mäh­lich begin­nen Sym­pa­thien zu spie­len, gemein­schaft­li­che Abnei­gun­gen und Lei­den­schaf­ten wer­den entdeckt.
                                                                                                  (Sturm)

1926
Sohn Ernst wird gebo­ren. Jün­ger ist als Publi­zist und Her­aus­ge­ber an zahl­rei­chen natio­nal­re­vo­lu­tio­nä­ren Blät­tern beteiligt.

Was die­se Wär­me ergrei­fen und umfas­sen möch­te, ist noch sehr ver­schie­den­ar­ti­ger Natur: aber das, wovon sie sich abwen­det, ist immer und über­all das­sel­be: Die eisi­ge Käl­te, die noch die alten For­men beherrscht. Ob wir die­se Käl­te in der Poli­tik als Libe­ra­lis­mus, in der Wis­sen­schaft als mecha­nis­ti­schen Betrieb, in der Kunst als Artis­tik, in der Reli­gi­on als Unglau­ben, oder im Rei­che der Lie­be als Ego­is­mus bezeich­nen, – es ist über­all der­sel­be Man­gel an Anteil­nah­me, Begeis­te­rung und Opfer­wil­lig­keit, der uns abschreckt und ent­setzt. Es ist nicht eigent­lich Feind­schaft, was wir dem­ge­gen­über emp­fin­den, denn Feind­schaft kann auch dem Edlen gel­ten, und unter unse­ren Geg­nern von heu­te ver­birgt sich so man­cher zukünf­ti­ge Freund. Es wirkt viel­mehr die gro­ße Lee­re und Unfrucht­bar­keit, die kal­te Arbeit von Gehir­nen, die kein Schlag des Her­zens mehr erwärmt, wie ein mat­tes unper­sön­li­ches und ver­haß­tes Medi­um, das durch Feu­er­luft gerei­nigt wer­den muß. 
                                                                            (Geleit­wort zum Vormarsch)

1927
Jün­ger wen­det sich von tages­po­li­ti­schen Fra­gen ab und den meta­po­li­ti­schen, geschichts­phi­lo­so­phi­schen zu. Umzug nach Ber­lin. Freund­schaft mit Carl Schmitt.

Poli­ti­sche Gestal­tung ist nicht der ers­te, son­dern der letz­te Schritt des Natio­na­lis­mus; sie ist der Abschluß einer Erschei­nung, die nicht gemacht wer­den kann, son­dern die auf Wachs­tum ange­wie­sen ist. Der Anfang des Natio­na­lis­mus wird nicht bezeich­net durch die Grün­dung einer Par­tei, eines pro­gram­ma­ti­schen Gehäu­ses, in dem die alten Din­ge neu gemischt wer­den. Die­ser Anfang gleicht viel­mehr dem Kei­me, in dem sich die zar­te Kraft des Lebens verkörpert.
                                                                               (Revo­lu­ti­on um Karl Marx)

1929
Jün­ger ver­öf­fent­licht die ers­te Fas­sung von Das aben­teu­er­li­che Herz, ein Jahr spä­ter den Sam­mel­band Krieg und Krie­ger, in dem sein Auf­satz Die tota­le Mobil­ma­chung ent­hal­ten ist; fast zeit­gleich erscheint in der von Franz Schau­we­cker her­aus­ge­ge­be­nen Novel­len­samm­lung Mond­stein Jün­gers Sizi­lia­ni­scher Brief an den Mann im Mond.

Man kann sich heu­te nicht in Gesell­schaft um Deutsch­land bemü­hen; man muß es ein­sam tun wie ein Mensch, der mit sei­nem Busch­mes­ser im Urwald Bre­sche schlägt und den nur die Hoff­nung erhält, daß irgend­wo im Dickicht ande­re an der glei­chen Arbeit sind.
                                                     (Das aben­teu­er­li­che Herz. Ers­te Fassung)

1932
Die Han­sea­ti­sche Ver­lags­an­stalt bringt Jün­gers Der Arbei­ter. Herr­schaft und Gestalt. Zahl­rei­che Rei­sen nach Dal­ma­ti­en, Ita­li­en, Spa­ni­en, Frankreich.

Mein neu­es Buch beschäf­tigt sich mit der Herr­schaft und Gestalt des Arbei­ters. Das ers­te Ge-fühl, das mich ver­an­laß­te, mich die­sem The­ma zuzu­wen­den, war das einer gewis­sen Neu­gier­de. Unter­stellt, lau­te­te die Fra­ge­stel­lung ungefähr,der Arbei­ter voll­endet sei­nen Weg zur Macht, auf dem er in vie­len Staa­ten und unter man­nig­fal­ti­gen For­mu­lie­run­gen bereits weit vor­ge­drun­gen ist, so bezeich­net die­ser Punkt für ihn kei­nen Abschluß, son­dern erst den Beginn sei­ner Exis­tenz. In dem glei­chen Augen­blick, in dem die Herr­schaft gewähr­leis­tet ist, wächst auch der Umkreis der Ver­ant­wor­tung. Man kann dies auch so for­mu­lie­ren, daß in dem glei­chen Augen­blick, in dem die Herr­schaft zur Tat­sa­che wird, die Ansprü­che von Schich­ten, die sich wirt­schaft­lich oder sozi­al benach­tei­ligt füh­len, nicht mehr genü­gen, son­dern daß eine umfas­sen­de, sich auf die Tota­li­tät des Lebens bezie­hen­de Befehls­spra­che erwar­tet wer­den muß, wie sie zu allen Zei­ten das Kenn­zei­chen einer neu­en Aris­to­kra­tie gewe­sen ist. 
                                      (Rund­funk­an­spra­che zum Erschei­nen des Arbeiters)

1933
Jün­ger geht zu den Natio­nal­so­zia­lis­ten auf Distanz. Im Dezem­ber zieht er von Ber­lin nach Gos­lar. 1934 wird Sohn Alex­an­der gebo­ren, Blät­ter und Stei­ne. 1936 Umzug nach Über­lin­gen, Afri­ka­ni­sche Spie­le. 1938 Das aben­teu­er­li­che Herz (zwei­te Fassung).

Die schlech­te Ras­se wird dar­an erkannt, daß sie sich durch den Ver­gleich mit ande­ren zu erhö­hen, ande­re durch den Ver­gleich mit sich zu ernied­ri­gen sucht.
                                                                                       (Blät­ter und Steine)

1939
Umzug nach Kirch­horst bei Han­no­ver. Jün­ger wird reak­ti­viert und rückt im Sep­tem­ber zur Trup­pe ein, im Okto­ber erscheint Auf den Mar­mor­klip­pen. Als Haupt­mann Füh­rer einer Infan­te­rie­kom­pa­nie im Wes­ten, ab 1941 im Stab des Mili­tär­be­fehls­ha­bers in Paris. 1942 Inspek­ti­ons­rei­se in den Kau­ka­sus, Gär­ten und Stra­ßen erscheint.

Die Füh­rung des Tage­bu­ches, das heißt, die Ord­nung des Anfalls von Fak­ten und Gedan­ken, zählt zum Kur­sus, zur Auf­ga­be, die sich der Autor stellt. Dar­in liegt eine ein­sa­me Trös­tung, deren er bedarf. In einem Zustand, in dem der Tech­ni­ker den Staat ver­wal­tet und nach sei­nen Ideen umformt, sind nicht nur die musi­schen und die meta­phy­si­schen Exkur­se, son­dern ist auch die rei­ne Lebens­freu­de von Kon­fis­ka­ti­on bedroht.
                                                                                      (Gär­ten und Straßen)

1944
Die Schrift Der Frie­de kur­siert in Abschrif­ten. Im Sep­tem­ber Ent­las­sung aus dem Heer, wegen des Ver­dachts der Betei­li­gung an der Ver­schwö­rung gegen das NS-Regime; der Sohn Ernst fällt im Novem­ber in Italien.

Dane­ben wird nie­mand über­se­hen, daß in der Welt der Tat­sa­chen der Nihi­lis­mus sich den letz­ten Zie­len annä­hert. Nur war beim Ein­tritt in sei­ne Zone der Kopf bereits gefähr­det, der Leib dage­gen noch in Sicher­heit. Nun ist es umge­kehrt. Das Haupt ist jen­seits der Linie.
                                                                                              (Über die Linie)

1945
Jün­ger wird von den Besat­zungs­be­hör­den als Weg­be­rei­ter des Natio­nal­so­zia­lis­mus ein­ge­stuft, er wei­gert sich, den „Fra­ge­bo­gen” aus­zu­fül­len und erhält Publi­ka­ti­ons­ver­bot. 1948 Umzug nach Ravensburg.

1949
Das Publi­ka­ti­ons­ver­bot wird auf­ge­ho­ben, Strah­lun­gen und Helio­po­lis erschei­nen. Armin Moh­ler tritt als Sekre­tär bis 1953 in Jün­gers Diens­te. 1950 Umzug nach Wilf­lin­gen, wo man zunächst ins Schloß, spä­ter in das gegen­über­lie­gen­de Forst­haus zieht. Über die Linie (1950), Der Wald­gang (1951).

Dort, wo die Gedan­ken, die Bil­der ent­sprin­gen, sind Geis­ter ver­sam­melt; sie wit­tern, daß Blut gespen­det wird. Die Erde wird vom Geist geführt. Das ist eine Wahr­heit, die stets ihr Gewicht behält. So zählt das Amt des Autors zu den höchs­ten die­ser Welt. Wenn er das Wort ver­wan­delt, umdrän­gen ihn die Geis­ter, die stets nach sol­cher Spen­de hung­rig sein. 
                                                                                                (Strah­lun­gen)

1955
Zum 60. Geburts­tag erscheint die Fest­schrift Freund­schaft­li­che Begeg­nun­gen. Seit 1957 ist Jün­ger ver­trag­lich an den Ver­lag Klett gebun­den. Von 1959 bis 1971 gibt Jün­ger gemein­sam mit Elia­de die Zeit­schrift Antai­os her­aus. An der Zeit­mau­er (1959).

Antai­os’ Kraft ist stets erneut, doch stets die­sel­be – das ist einer der Wider­sprü­che von Man­nig­fal­tig­keit und Ein­heit, auf denen die Dau­er in der Zeit beruht. Antai­os berührt den gemein­sa­men Grund, aus dem die Völ­ker in ihrer Viel­zahl als Brü­der erwach­sen sind. 
                                               (Geleit­wort zur ers­ten Aus­ga­be von Antaios)

1960
Gre­tha Jün­ger stirbt im Novem­ber. Um die ers­te, zehn­bän­di­ge Werk­aus­ga­be Wer­ke, die zwi­schen 1960 und 1965 erscheint, ent­brennt ein Streit zwi­schen Jün­ger und Moh­ler, weil Jün­ger sein Früh­werk dar­in nur in über­ar­bei­te­ter Form ver­öf­fent­licht. 1962 hei­ra­tet er Lise­lot­te Loh­rer, sei­ne Lektorin.

1965
Seit sei­nem 70. Geburts­tag führt Jün­ger wie­der regel­mä­ßig Tage­buch, spä­ter als Sieb­zig ver­weht I‑V (1980–1997) publi­ziert. Annä­he­run­gen. Dro­gen und Rausch (1970), Die Zwil­le (1973).

JÜNGER: Ich bin ja nie mit Staats­for­men zurecht­ge­kom­men, son­dern schon als Unter­pri­ma­ner in die Frem­den­le­gi­on aus­ge­ris­sen, offen­bar, weil mir die bür­ger­li­chen Umstän­de nicht zusag­ten, und das ist eben mein Elend bis heu­te. Aber im Zusam­men­hang mit dem Goe­the­preis habe ich zahl­lo­se Brie­fe bekom­men, und da heißt es immer wie­der, mit dem Preis gera­de an mich deu­tet sich eine „Ten­denz­wen­de” an. Daher wohl auch die Auf­re­gung. Ich wün­sche aber gar kei­ne Ten­denz­wen­de. Ich bin ja froh, wenn die­ser wacke­li­ge Wagen, solan­ge ich lebe, noch halb­wegs weiterläuft.
SPIEGEL: Dür­fen wir die Fra­ge zuspit­zen? Trifft es zu, daß Sie im moder­nen Staat auch den Levia­than, daß Sie in ihm eine Pseu­do­de­mo­kra­tie sehen?
JÜNGER: Da sehen Sie die Sache schon etwas näher. Was darf man denn heu­te? Die Sachen, die man darf, sind doch, sagen wir mal, dem Barock gegen­über, gewal­tig reduziert.
SPIEGEL: Zum Beispiel?
JÜNGER: Zum Bei­spiel dür­fen Sie heu­te nicht sagen: „Ich bin ein Faschist.” Dann sind Sie schon gleich der Unters­te. Oder: Sie dür­fen nicht auf der lin­ken Sei­te fah­ren mit Ihrem Auto­mo­bil. Das greift tief in das Indi­vi­du­um ein. Noch mei­ne Väter, mei­ne Groß­vä­ter, haben viel frei­er gelebt als heute.
                     (Inter­view aus Anlaß der Ver­lei­hung des Goethe-Preises)

1978
Die zwei­te Werk­aus­ga­be Sämt­li­che Wer­ke erscheint bis 1983 in 18 Bän­den. Die Ver­lei­hung des Goe­the­prei­ses 1982 rückt Jün­ger wie­der in das Licht der Öffent­lich­keit, es kommt zu poli­ti­schen Anfein­dun­gen. Zahl­rei­che Rei­sen, Prei­se und Publi­ka­tio­nen. Eine gefähr­li­che Begeg­nung (1985), Die Sche­re (1990). 1993 nimmt sich Sohn Alex­an­der das Leben.

1995
Der 100. Geburts­tag! Jün­ger erreicht das unwahr­schein­li­che Alter im Voll­be­sitz sei­ner kör­per­li­chen und geis­ti­gen Kräf­te. 1996 erfolgt die Kon­ver­si­on zum Katho­li­zis­mus in aller Stil­le. Sieb­zig ver­weht V (1997).

1998
Ernst Jün­ger stirbt am 17. Febru­ar kurz vor sei­nem 103. Geburts­tag. Zahl­rei­che Brief­wech­sel Jün­gers, etwa mit Carl Schmitt und Ger­hard Nebel, wer­den in den fol­gen­den Jah­ren ediert. 2001 erscheint Jün­gers Poli­ti­sche Publi­zis­tik (1919–1933), 2003 liegt der vier­te und letz­te Sup­ple­ment-Band der Sämt­li­chen Wer­ke vor.

Mögen wir nie­mals so alt wer­den, daß wir das rech­te Lachen ver­lie­ren über die Taten derer, die plötz­lich als Tau­ge­nicht­se auf und davon gin­gen, weil ihnen die Bücher den Kopf ver­dreh­ten. Mögen wir im Gegen­teil immer bei denen sein, die eines Mor­gens aus­zie­hen…
                                                     (Das aben­teu­er­li­che Herz. Ers­te Fassung)

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