Strohpuppenzukunft – Nachklapp zur WM

von Claus Wolfschlag

Durchaus zu Recht verärgert sind jene Fans, die der deutschen Nationalelf nach ihrer Rückkehr am Frankfurter Flughafen ein wenig zuwinken wollten.

Doch anders als die übri­gen Halb­fi­nal­teil­neh­mer, die sich in ihren Hei­mat­län­dern Uru­gu­ay, Nie­der­lan­de und erst recht Spa­ni­en begeis­tert fei­ern lie­ßen, zog es die Löw-Elf vor, sich nicht mal fünf Minu­ten den treu­en Anhän­gern am Flug­ha­fen zu zei­gen, son­dern ein­fach sofort in den per­sön­li­chen Urlaub zu gehen.

Vie­len guten und schö­nen Spie­len zum Trotz paßt die­ser unge­hö­ri­ge Abgang zum unwür­di­gen Auf­takt der Mann­schaft, der von der Wei­ge­rung eini­ger Spie­ler über­schat­tet war, nicht die Natio­nal­hym­ne sin­gen zu wol­len. Dar­an ändern auch nach­ge­schick­te Ent­schul­di­gun­gen wenig.

Wäh­rend der Spie­le wur­de zudem von den hie­si­gen Medi­en die Mul­ti­kul­ti-Phra­sen­dresch­ma­schi­ne über­mä­ßig ange­wor­fen. Eine Mul­ti­kul­ti-Mann­schaft, die in einer Regen­bo­gen­na­ti­on die Men­schen begeis­tert, die – gleich ob weiß oder schwarz – selbst in irgend­wel­chen Town­ships gemein­sam auf dem Klapp­stuhl fei­ern wür­den. Bla­bla­bla. Und das jeden Tag. So ein­fach kann und soll die Welt erschei­nen. All das lag auf der Zwan­zi­ger-Linie und dem Ver­such, über den Fuß­ball eine Art “anti­ras­sis­ti­sches” und selt­sam ver­scho­be­nes neu­deut­sches “natio­nal-buil­ding” zu betreiben.

Nun ist über­haupt nichts dage­gen zu sagen, daß Zuwan­de­rer sich für die deut­sche Natio­nal­elf begeis­tern oder gar bei ihr mit­spie­len. Ganz im Gegen­teil. Cacau etwa ist da ein sehr ange­neh­mes, ja sym­pa­thi­sches Bei­spiel für solch gewünsch­te Inte­gra­ti­on. Wenn Ein­wan­de­rer sich so ein­fach für Deutsch­land begeis­tern las­sen wür­den und einen Moti­va­ti­ons­schub für ihre posi­ti­ve Ein­glie­de­rung erhiel­ten – nichts sprä­che gegen sol­ches „nati­on-manage­ment“. Indes, Inte­gra­ti­on funk­tio­niert eben nicht um jeden Preis. Und dann kann man trotz mit­tel­mä­ßi­ger Leis­tung einen Özil noch so sehr in den Medi­en hypen, – sich für die Natio­nal­mann­schaft auf­stel­len las­sen und dann der Nati­on die kal­te Schul­ter zei­gen, indem man die Sym­bo­le­be­ne nicht bedie­nen will, war nicht nur schlech­ter Stil, es zeug­te von Ego­is­mus und miß­glück­ter Inte­gra­ti­on. Anstän­dig wäre gewe­sen, wenn er erklärt hät­te, noch nicht men­tal reif für das Spiel in der Natio­nal­mann­schaft zu sein, und dan­kend ver­zich­tet hätte.

Ein Bekann­ter sag­te mir: „Bei Mül­ler sieht man das befrei­te Auf­spie­len, wäh­rend man bei Özil merkt, daß er inner­lich zer­ris­sen ist. Er hat aus Grün­den des per­sön­li­chen Vor­teils mit­ge­macht, um Geld zu ver­die­nen und bekann­ter zu wer­den, wodurch sein Markt­wert und die Wer­be­ver­mark­tungs­chan­cen stei­gen. Er steht aber eigent­lich nicht hin­ter der Sache. Das sieht man in sei­nem gehemm­ten Spiel.“

Einem Freund, dem das Sin­gen reich­lich unwich­tig erschien, ver­such­te ich das Gan­ze auf die Busi­ness-Welt bezo­gen zu erklä­ren: „Neh­men wir einen regio­na­len Fir­men­wett­streit. Die Deut­sche Bank stellt ein Team für einen Sport­wett­be­werb auf. Alle tra­gen Tri­kots mit den Bezeich­nun­gen ihrer Ban­ken, Ver­si­che­run­gen oder Wer­be­agen­tu­ren. Alle Teil­neh­mer erhiel­ten eine Prä­mie und bezahl­ten Urlaub. Im Deut­sche Bank-Team aber wei­gern sich plötz­lich jene, die sich frei­wil­lig zum Wett­be­werb gemel­det haben, das Fir­men­tri­kot zu tra­gen. ‘Ja, das muß man schon ver­ste­hen. Der Herr Kunz war vor drei Jah­ren noch bei der Spar­kas­se beschäf­tigt. Da hängt er noch emo­tio­nal dran. Des­halb geht das mit einem Deut­sche Bank-Tri­kot gar nicht für ihn´, hört man plötz­lich. Und: ‘Ja, die Mut­ter der Frau Schnei­der mag die Deut­sche Bank ein­fach nicht. Des­halb möch­te Frau Schnei­der aus Respekt vor ihr auch auf das Tri­kot ver­zich­ten und lie­ber eines mit Schwein­chen Dick dar­auf tra­gen´ usw.usf. Wie aber müß­te die Fir­ma eigent­lich über sol­che Leu­te urteilen?“

Tei­le der DFB-Elf haben sich vor allem gegen­über ihren Fans schä­big ver­hal­ten, und das kann auch die durch­sich­ti­ge Mul­ti-Kul­ti-Beschal­lung in den Medi­en nicht völ­lig über­schmie­ren. Inso­fern geht es mora­lisch in Ord­nung, daß die­se Mann­schaft nicht den Cup geholt hat.

Und die Fans? Wie gestal­tet sich eigent­lich das Ver­hält­nis zwi­schen Fuß­ball­mann­schaft und Nati­on? Das Fuß­ball­spiel als zivi­li­sier­tes Kriegs-Abs­trak­tum funk­tio­niert aus der Iden­ti­fi­ka­ti­on der Fans mit den Spie­lern. Ohne die­se Fans wäre Fuß­ball kein Mas­sen­phä­no­men, also wirt­schaft­lich unren­ta­bel, also unbe­deu­tend. Doch die Fans über­se­hen, daß längst der Kapi­ta­lis­mus Ein­zug gehal­ten hat ins Fuß­ball­ge­schäft. Nur noch eine Min­der­zahl an Bun­des­li­ga-Spie­ler ent­stammt der Regi­on ihrer Ver­ei­ne. Ja, schon vor Jah­ren wur­den gar dort die Aus­län­der­be­schrän­kun­gen auf­ge­ho­ben. Seit­dem sind die Ver­ei­ne rei­ne Wirt­schafts­un­ter­neh­men, die belie­big ver­schieb­ba­re Gla­dia­to­ren ein­kau­fen und ver­kau­fen kön­nen. Teams wech­seln stän­dig ihr Gesicht. Die Iden­ti­fi­ka­ti­on des Fans mit „sei­nem“ Ver­ein beruht also immer mehr auf einer Fik­ti­on, nicht den Rea­li­tä­ten. Die­ses kapi­ta­lis­ti­sche Prin­zip hält nun auch zuneh­mend auf der Ebe­ne der Natio­nal­mann­schaft Einzug.

Das stellt die Fra­ge nach der Zukunft, nach dem Grad, wie lan­ge man die ver­bin­den­de Linie zwi­schen Fans und Mann­schaft aus­höh­len kann, ohne daß das Sys­tem implo­diert. Wie lan­ge also kann die Sym­bo­le­be­ne medi­al auf­recht­erhal­ten wer­den, wäh­rend sie real schon längst weg­bricht? Wie lan­ge erken­nen die Bür­ger in der DFB-Elf die “deut­sche”, als “ihri­ge” Mannschaft?

Es wäre ein Sozi­al­ex­pe­ri­ment wert: Wenn etwa die Spie­ler von Uru­gu­ay und Deutsch­land ihre Tri­kots getauscht hät­ten, und wenn die Bür­ger eine Wei­le in den Medi­en dar­auf vor­be­rei­tet wor­den wären, daß die deut­sche Mann­schaft nun von For­lan und Sua­rez gebil­det wür­de, wäh­rend Mül­ler und Özil „Urus“ sei­en, hät­ten das die Zuschau­er irgend­wann geschluckt? Hät­ten die Deut­schen also für For­lan im Spiel um Platz 3 gejubelt?

Eine Stu­fe wei­ter: Hät­te man auch ein­fach irgend­wel­che 11 West­afri­ka­ner als deut­sche Mann­schaft hin­stel­len kön­nen, und das Publi­kum hät­te auch geju­belt? Macht es also allein das Tri­kot und der zuge­hö­ri­ge Medi­en-Hype, wer als deut­sche Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur herhält?

Dann müß­te man den Test noch ein­mal ver­schär­fen: Die West­afri­ka­ner tre­ten nicht mehr mit Schwarz-Rot-Gold auf, son­dern nur noch mit einem gro­ßen vio­let­ten Gum­mi­bär­chen auf dem Tri­kot. Wür­de auch dies der Ver­bin­dung der Fans zu der Natio­nal­elf kei­nen Abbruch tun? Ist also allein die media­le Ver­mitt­lung ver­ant­wort­lich, die Events hoch­he­ben oder ver­schwei­gen kann?

Noch eine Stu­fe wei­ter: Könn­ten even­tu­ell auch beweg­li­che, mit Moto­ren aus­ge­stat­te­te Stroh­pup­pen, von einer Trai­ner­bank aus fern­ge­steu­ert, die Natio­nal­elf bil­den, wenn nur die Medi­en die nöti­ge Iden­ti­fi­ka­ti­ons­ebe­ne her­stel­len, den nöti­gen Tratsch ver­brei­ten, und dann auch aus­rei­chend Tore geschos­sen werden?

Wenn sol­che Entor­tung gelingt, könn­te dem Fuß­ball der Sprung in sei­ne „spät­rö­mi­sche“ Hoch­pha­se gelin­gen. Mann­schaf­ten bestün­den dann aus voll­ends ent­re­gio­na­li­sier­ten Teams, die nur von Fan-Com­mu­ni­ties getra­gen wer­den. Medi­en­taug­lich könn­ten schril­le Out­fits und Spie­ler­ty­pen den Unter­hal­tungs­ef­fekt stei­gern. Dann könn­ten die „Com­merz­bank Wave Pun­kers“ mit tra­di­tio­nel­lem Iro­ke­sen­schnitt und schwar­zen Tri­kots gegen die „Sie­mens Hot Indi­ans“ mit stets wech­seln­der Kriegs­be­ma­lung antre­ten. Die Meis­ter­schaft gin­ge viel­leicht an die „Glam Boys North Opel“, die ger­ne mit silb­rig glit­zern­den Neo­pren-Bade­an­zü­gen zum Spiel erschei­nen. Fuß­ball wür­de so zum optisch auf­ge­pepp­ten Show-Spek­ta­kel. Eine Art gigan­ti­sche Wrest­ling-Show mit Ball. Wäre dann das End­ziel des “Sys­tems Zwan­zi­ger” erreicht? Viel­leicht, aber es wäre auch der Anfang vom Ende der Fuß­ball-Epo­che. Und 200 Jah­re spä­ter könn­te man dann viel­leicht in den alten Sta­di­en Gemü­se­bee­te bewun­dern – und Strohpuppen…

 

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