Linker Patriotismus?

pdf der Druckfassung aus Sezession 36 / Juni 2010

von Werner Olles

Robert Habeck ist ein sympathischer und freundlicher Mensch. Egal, was er sagt oder schreibt – man kann ihm nicht böse sein.

So ziert das Titel­bild ein jugend­lich wir­ken­der Mann mit offe­nem, fri­schem Gesicht, in des­sen Obhut als Erzie­her man ohne wei­te­res sei­ne Enkel­kin­der geben würde.

In der Tat reprä­sen­tiert Habeck das neue Gesicht der Grü­nen, da ist nichts von der ideo­lo­gi­schen Ver­knif­fen­heit eines Appa­rat­schiks wie Jür­gen Trit­tin, dem schril­len Betrof­fen­heits­ges­tus einer Clau­dia Roth oder jener poli­tik­as­ter­haf­ten Atti­tü­de von Rena­te Kün­ast. 1969 gebo­ren, Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der Grü­nen in Schles­wig-Hol­stein, Schrift­stel­ler und Vater von vier Söh­nen steht Habeck – laut Klap­pen­text – »für einen neu­en Kurs der Eigen­stän­dig­keit und Unab­hän­gig­keit sei­ner Partei«.

Bös­wil­lig über­setzt könn­te man solch eine poli­ti­sche Hal­tung auch als Belie­big­keit deu­ten. Man­che sei­ner Vor­schlä­ge, die er in die­ser »poli­ti­schen Streit­schrift « (Ver­lags­wer­bung) macht, spre­chen tat­säch­lich dafür. Bei­spiels­wei­se sein Vor­stoß für eine Reform des kom­mu­na­len Wahl­rechts, das für ihn kei­ne Fra­ge der Staats­bür­ger­schaft ist, son­dern mit den Rech­ten der »aus­ge­schlos­se­nen Min­der­heit« von acht Pro­zent der Bevöl­ke­rung mit »Migra­ti­ons­hin­ter­grund« zu tun hat. Natür­lich sol­le das Aus­län­der­wahl­recht kei­nes­wegs bei den Kom­mu­nen halt­ma­chen, »letzt­lich müs­sen auch Bun­des- und Land­tags­wah­len allen offenstehen.«

Der Autor bezeich­net dies als »lin­ken Patrio­tis­mus«, und es ist zu befürch­ten, daß er das ehr­lich meint. Doch die Fra­ge muß schon erlaubt sein, war­um ihm die Zustän­de in den tür­kisch- isla­mi­schen Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten und die am Hori­zont dro­hen­den Bür­ger­kriegs­sze­na­ri­en nicht eine ein­zi­ge Zei­le wert sind. Für Habeck spricht, daß er sich der übli­chen Atta­cken gegen Kon­ser­va­ti­ve und Rech­te, die inzwi­schen jede läp­pi­sche Par­ty des geis­ti­gen Mit­tel­stan­des zie­ren, wohl­tu­end ent­hält. So traut er sich zwar auf eine spie­le­risch-über­le­ge­ne Wei­se alte lin­ke Zöp­fe abzu­schnei­den, um »all die kon­ser­va­ti­ven Kampf­be­grif­fe« wie »Frei­heit, Demo­kra­tie, Grund­ge­setz, Leis­tung, Fami­lie, Gemein­schaft, selbst Hei­mat oder eben: Patrio­tis­mus« einer »fort­schritt­li­chen Inter­pre­ta­ti­on« zuzu­füh­ren, doch wenn es zum Schwu­re kommt, bleibt all dies vage und realitätsfern.

Dabei hat er natür­lich recht, wenn er »ein gewis­ses Maß­hal­ten statt der Maß­lo­sig­keit der ent­grenz­ten Märk­te«, oder für jun­ge Fami­li­en Teil­zeit­ar­beits­mo­del­le for­dert. Doch rela­ti­vie­ren sich der­ar­ti­ge sinn­vol­le For­de­run­gen schnell wie­der, wenn man sei­ne Ideen zur Bil­dungs­po­li­tik liest, die auf Kuschel­päd­ago­gik und eine Abwer­tung der All­ge­mein­bil­dung hin­aus­lau­fen. Habecks Kin­der duzen den Trai­ner der geg­ne­ri­schen Hand­ball­mann­schaft. Nun ja.

Als »Lack­mus­test der Frei­heit« sieht er im Bereich von Kunst und Kul­tur vor allem die För­de­rung einer »libe­ra­len Atmo­sphä­re« in einem »tole­ran­ten Umfeld«. Denn wo es Thea­ter, Klein­kunst und ein brei­tes Kul­tur­ange­bot gebe, »zie­hen Homo­se­xu­el­le in die Quar­tie­re und Städ­te mit einem rei­chen kul­tu­rel­len Leben«, und »wo vie­le Homo­se­xu­el­le sind, ist es für Frau­en attrak­ti­ver zu leben, weil sie weni­ger bedrängt und ange­macht wer­den. Wo vie­le Frau­en sind, steigt die Gebur­ten­ra­te, dann kom­men Kitas und das Vier­tel wird kin­der­freund­lich …« So wäre das Demo­gra­phie­pro­blem mit tat­kräf­ti­ger Unter­stüt­zung der Schwu­len­sze­ne end­lich gelöst!

Habecks poli­tik­phä­no­me­no­lo­gisch hoch­in­ter­es­san­te Mischung aus einem mulch­war­men »lin­ken Plä­doy­er« für Patrio­tis­mus und einer völ­lig rea­li­täts­fer­nen Schil­de­rung der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Ver­hält­nis­se berührt die Tra­gik des sitt­li­chen und noch mehr die Här­te und Grau­sam­keit des poli­ti­schen Kon­flikts nicht ein­mal mit Fin­ger­spit­zen. Sein »lin­ker Patrio­tis­mus « ist ein dem Gra­be ent­stie­ge­ner Ver­fas­sungs­pa­trio­tis­mus von Haber­mas­schen Ausmaßen.

Mit Mer­kel, Wowe­reit und Özd­emir habe sich »die Aner­ken­nungs­kul­tur gegen­über ande­ren in den letz­ten Jahr­zehn­ten posi­tiv ent­wi­ckelt«. Ein »ande­res poli­ti­sches Spit­zen­per­so­nal « sei mehr­heits­fä­hig gewor­den: »Frau­en, Homo­se­xu­el­le, Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund«. »Muff und Spie­ßig­keit sind abge­schüt­telt« froh­lockt der Autor und lobt »die 68er und alle, die ihr Erbe anneh­men, die­se Gesell­schaft libe­ra­li­siert und frei­er gemacht haben.« Hei­li­ge Ein­falt! Nicht im Ansatz begreift Habeck die Funk­ti­on von Poli­tik und die Auf­ga­be des Staa­tes! Eben­so unfä­hig und unwil­lens ist er, die bestehen­de Ord­nung als Ver­blen­dungs­zu­sam­men­hang im Sin­ne Ador­nos zu begrei­fen. Immer­hin führt uns der erbau­li­che Klang sei­ner Theo­rien in die Ideen- und Gefühls­welt eines »lin­ken Patrio­tis­mus«, der, so dünn und anfäl­lig er auch ist, vor allem von der poli­ti­schen Schwä­che und Ago­nie des ster­ben­den Kon­ser­va­ti­vis­mus zeugt.

(Robert Habeck: Patrio­tis­mus. Ein lin­kes Plä­doy­er, Güters­loh: Güters­lo­her Ver­lags­haus 2010. 207 S., 19.95 €)

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