Clint Eastwood und der Abtritt des weißen Mannes

Zum heutigen 80. Geburtstag von Clint Eastwood ist in der aktuellen Jungen Freiheit eine von mir verfaßte Würdigung ...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

… mit dem Titel “Das Ende des wei­ßen Man­nes” erschie­nen. Die­ser bezieht sich vor allem auf East­woods Film “Gran Tori­no” aus dem Jahr 2008, den man auch als eine Art Schwa­nen­ge­sang des Regis­seurs und Schau­spie­lers lesen kann. Der ist indes­sen unge­bro­chen agil und hat recht­zei­tig zur Fuß­ball-Welt­meis­ter­schaft den Nel­son-Man­de­la-Film “Invic­tus” gedreht, der 1995 wäh­rend der (hier­zu­lan­de wohl wenig bekann­ten) “Rug­by-Uni­on-Welt­meis­ter­schaft” spielt.

Es ist bezeich­nend, daß Hol­ly­wood einen Film über Süd­afri­ka nicht in der mehr als pro­ble­ma­ti­schen Gegen­wart, son­dern in der frü­hen Prä­si­dent­schafts­pe­ri­ode Man­de­las ansie­delt, als im Wes­ten der Ein­druck erweckt wur­de, daß mit dem Ende der Apart­heid das Gute nun für immer gesiegt habe – “and they lived hap­pi­ly ever after.” (Daß es natür­lich ganz anders kam, kann man in der neu­en IfS-Stu­die “Süd­afri­ka. Vom Schei­tern eines mul­ti­eth­ni­schen Expe­ri­ments” nach­le­sen.) Das Image Man­de­las im Wes­ten wur­de schon in den Acht­zi­gern vor­wie­gend von der US-Unter­hal­tungs­in­dus­trie geprägt, die ihn mit star­be­setz­ten Bene­fiz­kon­zer­ten und Anti-Apart­heids-Fil­men als eine Art zwei­ten Gan­dhi (und zwar einen Gan­dhi frei nach Richard Atten­bo­rough und Ben King­s­ley) prä­sen­tier­te.  Und pas­send zur Fuß­ball-WM wird in “Invic­tus” mal wie­der das alte sen­ti­men­ta­le Lied­chen ange­stimmt, daß Sports­geist die Ras­sen­span­nun­gen nach­hal­tig kurie­ren und aus “Fein­den Freun­de” machen kön­ne, wie es in der lite­ra­ri­schen Vor­la­ge heißt.

Es ist trau­rig, East­wood an einem solch ver­lo­gen-poli­tisch kor­rek­ten Pro­jekt betei­ligt zu sehen.  Dabei den­ke ich nicht nur an den Mann, der noch im hohen Alter ein Meis­ter­werk wie “Let­ters from Iwo Jima” (2007) gedreht hat, das die Schlacht um die Pazi­fik­in­sel aus­schließ­lich aus der Sicht der Japa­ner zeigt (ein ähn­lich fai­rer Film über die deut­sche Sei­te der Nor­man­die-Inva­si­on steht noch aus.)  Ich den­ke dabei auch an East­wood als Sym­bol­fi­gur, zumin­dest was sei­ne Lein­wand-Per­so­na betrifft.

Wäh­rend Hol­ly­wood heu­te bei­nah geschlos­sen auf der Sei­te der Demo­kra­ten steht (das war nicht immer so), sind Repu­bli­ka­ner wie Schwar­zen­eg­ger oder eben East­wood eher die Aus­nah­me. In den Sieb­zi­gern wur­de er wegen Fil­men wie “Dir­ty Har­ry”, die libe­ra­le Gemü­ter ent­setz­ten, als “Faschist” und reak­tio­nä­rer Macho geschmäht, heu­te gilt er als klas­si­sche Iko­ne tra­di­tio­nel­ler Männ­lich­keit. Dazu paßt auch, daß er als einer der weni­gen US-Fil­me­ma­cher dem oft tot­ge­sag­ten ur-ame­ri­ka­ni­schen Gen­re schlecht­hin, dem Wes­tern, über Jahr­zehn­te hin­weg die Treue gehal­ten hat – frei­lich vor allem in sei­ner düs­te­ren, “revi­sio­nis­ti­schen” Form, die sich spä­tes­tens seit dem Viet­nam-Krieg durch­ge­setzt hat.

Wo der Klas­si­ker­sta­tus erreicht ist, sind auch das Kli­schee und die (Selbst-)Parodie nicht mehr fern. In “Gran Tori­no” hat East­wood nicht nur den eige­nen Kino­my­thos einer halb-iro­ni­schen Revi­si­on unter­zo­gen, der Film reflek­tiert auch die in Oba­mas Ame­ri­ka ste­tig an Ein­fluß gewin­nen­de Vor­stel­lung, daß die Herr­schaft des wei­ßen Man­nes all­mäh­lich auch dort an ihr Ende gekom­men ist. Dabei ver­mischt der Film auf eigen­tüm­li­che Wei­se empha­tisch her­vor­ge­ho­be­ne kon­ser­va­ti­ve Wert­vor­stel­lun­gen mit einer libe­ra­len mes­sa­ge, die durch­aus mit dem Zeit­geist von Oba­mas (ver­meint­lich) “post-ras­si­schem Ame­ri­ka” kom­pa­ti­bel ist.

East­wood spielt dar­in den knor­ri­gen Wit­wer Walt Kowal­ski, der auf sei­ner Veran­da ein gro­ßes Ster­nen­ban­ner wehen läßt, eigen­bröt­le­risch vor sich hin gran­telnd den Lebens­abend ver­bringt und bei frem­dem Über­tritt auf sei­nen Rasen auch mal das Gewehr zückt. Der pol­nisch­stäm­mi­ge Korea­krieg-Vete­ran ist ver­bit­tert dar­über, daß das Ame­ri­ka sei­ner Jugend und sei­ne Wer­te längst ver­schwun­den sind. Sein Wohn­ort ist fast völ­lig über­frem­det durch den Zuzug von Ost­asia­ten. Die Groß­mutter der benach­bar­ten Hmong-Fami­lie beschimpft ihn genau­so ras­sis­tisch, wie er sie. Für sei­ne eige­ne Fami­lie hin­ge­gen ist er nur mehr ein mis­an­thro­pi­scher Dinosaurier.

Der Film stellt sich zunächst ganz auf Kowalskis Sei­te, indem er ihn zwar als rauh­bei­ni­ges Ekel zeich­net, aber die Grün­de sei­ner Ver­stim­mung nach­voll­zieh­bar macht. Die eige­ne Fami­lie ist ober­fläch­lich und abwei­send, die Fremd­ar­tig­keit der Nach­barn ener­vie­rend. Sein Haus­arzt wur­de durch eine Asia­tin ersetzt, wäh­rend die kopf­tuch­tra­gen­de Sprech­stun­den­hil­fe sei­nen Namen nicht aus­spre­chen kann und er im War­te­raum der ein­zi­ge Wei­ße in einem bun­ten Gemisch von Men­schen unter­schied­lichs­ter Her­kunft ist.

Vor allem aber sind die Stra­ßen beherrscht von mul­ti­kul­tu­rel­ler Gewalt: Gangs von Lati­nos, Asia­ten und Schwar­zen machen sich die Vor­herr­schaft strei­tig. Die Wei­ßen sind ent­we­der wie Walts Fami­lie fort­ge­zo­gen oder aber unfä­hig, sich zu weh­ren. In einer Schlüs­sel­sze­ne wird das in Kowalskis Nach­bar­schaft leben­de Hmong-Mäd­chen in Beglei­tung eines jun­gen Wei­ßen von einer schwar­zen Gang bedroht. Der Wei­ße trägt ein Hip-Hop­per-Out­fit, das den Habi­tus der Schwar­zen zu imi­tie­ren sucht. Sei­ne plum­pen Ver­su­che, sich beim Anfüh­rer der Gang im Ghet­to­s­lang anzu­bie­dern (“Alles cool, Bru­der!”) gehen nach hin­ten los.

Ehe die Situa­ti­on – vor allem für das Mäd­chen – rich­tig unge­müt­lich wird, schrei­tet East­wood ein und demons­triert wie schon in “Dir­ty Har­ry” mit gezück­tem Revol­ver, daß Gewalt nur mit Gegen­ge­walt bekämpft wer­den kann. Zu dem ver­ängs­tig­ten wei­ßen Jun­gen sagt er vol­ler Ver­ach­tung: “Schnau­ze, du Schwuch­tel! Willst du hier den Oberb­im­bo geben? Die wol­len nicht dei­ne Brü­der sein, und das kann man ihnen nicht ver­übeln.” Hier denkt man als deut­scher Zuschau­er unwei­ger­lich an den von einem tür­ki­schen Dea­ler gemobb­ten Jun­gen aus dem berüch­tig­ten Fern­seh­film “Wut”.  Die schwar­ze Gang indes­sen guckt dem pis­to­len­schwin­gen­den Alten mit einer Mischung aus Angst und auf­rich­ti­gem Respekt nach – Respekt, den sie ihm, nicht aber dem fei­gen “Wig­ger” ent­ge­gen­brin­gen können.

Im Lau­fe der Hand­lung wird Kowal­ski schließ­lich eher wider­wil­lig zum Schutz­pa­tron der benach­bar­ten Hmong-Fami­lie, ins­be­son­de­re des schüch­ter­nen jun­gen Thao, der sich der Gang sei­nes Cou­sins nicht anschlie­ßen will, und dem es an einem star­ken männ­li­chen Vor­bild fehlt. Dem bringt Kowal­ski schließ­lich bei, wie man Waf­fen und Werk­zeu­ge benutzt, Mäd­chen anspricht und ras­sis­ti­sche Wit­ze erzählt.

Im Gegen­satz zu Walts Fami­lie wer­den bei den Hmong von neben­an der Zusam­men­halt und die kon­ser­va­ti­ve Tra­di­ti­on groß­ge­schrie­ben, so daß er irgend­wann irri­tiert erken­nen muß: “Ich habe mit die­sen Schlitz­au­gen mehr gemein­sam als mit mei­ner eige­nen ver­damm­ten ver­wöhn­ten Fami­lie.” Dabei pro­fi­tie­ren die Hmong wie­der­um von der Locke­rung all­zu enger Tra­di­tio­nen durch den ame­ri­ka­ni­schen Ein­fluß. “Ich wünsch­te, mein Vater wäre mehr so gewe­sen wie Sie. Er war immer so streng zu uns, so tra­di­tio­nell, voll von der alten Schu­le”, sagt Tha­os Schwes­ter zu Kowal­ski. “Ich bin auch von der alten Schu­le!” – “Ja… aber Sie sind Amerikaner.”

Wie so oft tritt East­wood am Ende des Films gegen eine Über­zahl von Schur­ken in Form der Gang des bösen Cou­sins an, doch dies­mal um sich selbst zu opfern, anstel­le zu töten. Sein Hab und Gut erbt die katho­li­sche Kir­che, sei­nen sym­bol­be­la­de­nen “Gran Tori­no” Bau­jahr 1972 der jun­ge Hmong, wäh­rend die eige­ne Fami­lie leer aus­geht.  Die Söh­ne des patri­ar­cha­len wei­ßen Man­nes haben sich frei­wil­lig von ihm los­ge­sagt, womit sie sich aller­dings auch selbst ent­waff­net und dem Unter­gang preis­ge­ge­ben haben. Denn beerbt wer­den sie nun von ver­dien­ten Adop­tiv­söh­nen aus ande­ren Völkern.

So scheint “Gran Tori­no” die Idee zu pro­pa­gie­ren, daß mit dem Aus­ster­ben der wei­ßen Män­ner, die Ame­ri­ka auf­ge­baut haben, nicht auch unbe­dingt der ame­ri­ka­ni­sche Traum am Ende ist – er muß nur in die rich­ti­gen Hän­de gelegt wer­den, und Ras­se und Her­kunft spie­len dabei eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le; dazu muß der Film frei­lich einen schar­fen Gegen­satz zwi­schen “anstän­dig”- kon­ser­va­ti­ven und kri­mi­nell-ent­wur­zel­ten Ein­wan­de­rern kon­stru­ie­ren.  Dies funk­tio­niert im – frei­lich trü­ge­ri­schen! – Rah­men des Films auch recht gut, und ver­mag sogar die nicht aus­ge­spar­ten nega­ti­ven Sei­ten der “mul­ti­kul­tu­rel­len Gesell­schaft” zu übertönen.

Die­se ins Posi­ti­ve gewen­de­te Resi­gna­ti­on läßt jedoch über­haupt kei­nen Platz mehr für den Gedan­ken, die Wei­ßen könn­ten sich even­tu­ell nun doch noch wie­der auf­rich­ten, die deser­tie­ren­den Söh­ne also wie­der zu den wehr­haf­ten Vätern und Groß­vä­tern zurück­fin­den, wie der wei­ße Jun­ge, der meint, er könn­te die feind­se­li­gen Anders­ras­si­gen durch Anbie­de­rung und Anglei­chung beschwich­ti­gen. Im Gegen­teil scheint “Gran Tori­no” ihren Abgang für gege­ben und unver­meid­lich anzu­neh­men, ihn jedoch zu akzep­tie­ren, solan­ge “die Rich­ti­gen” das Erbe antre­ten. Um so mehr fällt ins Gewicht, daß gera­de Clint East­wood als iko­ni­sche Figur des wei­ßen, männ­li­chen Ame­ri­ka es ist, der in die­sem Film den Stab weitergibt.

Was das Schick­sal der wei­ßen Ame­ri­ka­ner betrifft, so ist der Sub­text von “Gran Tori­no” kei­nes­wegs über­trie­ben. Der wei­ße Bevöl­ke­rungs­an­teil in den USA ist seit den frü­hen Sech­zi­gern um etwa ein Drit­tel auf 65 Pro­zent gesun­ken, bei anhal­ten­der Ten­denz. Im Süden sind bereits wei­te Tei­le des Lan­des his­pa­ni­siert, wäh­rend Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus, “Diversity”-Propaganda und Ras­sen­de­bat­ten rund um die Uhr die Medi­en beherr­schen. Rou­ti­ne­mä­ßig wird den dif­fu­sen Pro­tes­ten der Tea Par­ty-Bewe­gung, die fast aus­schließ­lich von Wei­ßen getra­gen wer­den, impli­zi­ter “Ras­sis­mus” vor­ge­wor­fen. Tat­säch­lich mag hier eine dump­fe Ahnung der kom­men­den Ent­mach­tung der eige­nen, bis­her domi­nan­ten eth­ni­schen Grup­pe hin­ein­spie­len,  wäh­rend gleich­zei­tig jeder Ansatz zum Selbst­er­halt tabui­siert und dif­fa­miert wird.

Ein Kom­men­ta­tor der gene­rell eher oba­mafreund­li­chen, links­li­be­ra­len New York Times schrieb in einem Arti­kel im März 2010 im Grun­de nichts anderes:

Die Ver­bin­dung eines schwar­zen Prä­si­den­ten und einer Frau als Spre­che­rin des Wei­ßen Hau­ses – noch über­bo­ten durch eine “wei­se Lati­na” im Obers­ten Gerichts­hof und einen mäch­ti­gen schwu­len Vor­sit­zen­den des Kon­greß­aus­schus­ses – muß­te die Angst vor der Ent­mach­tung inner­halb einer schwin­den­den und bedroh­ten Min­der­heit (sic) im Lan­de her­vor­ru­fen, egal was für eine Poli­tik betrie­ben wür­de.  (…) Wenn die Demons­tran­ten den Slo­gan  “Holt unser Land zurück” skan­die­ren, dann sind das genau die Leu­te, aus deren Hän­den sie ihr Land wie­der­ha­ben wollen.

Aber das kön­nen sie nicht. Demo­gra­phi­sche Sta­tis­ti­ken sind Ava­tare des Wech­sels (chan­ge), die bedeu­ten­der sind als irgend­ei­ne Geset­zes­ver­fü­gung, die von Oba­ma oder dem Kon­greß geplant wird. In der Woche vor der Abstim­mung über die Gesund­heits­re­form berich­te­te die Times, daß die Gebur­ten­ra­ten von asia­ti­schen, schwar­zen und his­pa­ni­schen Frau­en inzwi­schen 48 Pro­zent der Gesamt­ge­bur­ten­ra­te in Ame­ri­ka betra­gen (…). Im Jahr 2012, wenn die nächs­ten Prä­si­dent­schafts­wah­len anste­hen, wer­den nicht-his­pa­ni­sche wei­ße Gebur­ten in der Min­der­zahl sein. Die Tea Par­ty-Bewe­gung ist prak­tisch aus­schließ­lich weiß. Die Repu­bli­ka­ner hat­ten kei­nen ein­zi­gen Afro­ame­ri­ka­ner im Senat oder im Wei­ßen Haus seit 2003 und ins­ge­samt nur drei seit 1935. Ihre Ängs­te über ein sich rasch wan­deln­des Ame­ri­ka sind wohlbegründet.

Bild: Wiki­pe­dia.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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