“Martin Mollnitz” oder Kleines Toleranzstückchen

von Heino Bosselmann

Vorweg ein Fallbeispiel in eigener Sache: Wegen eines unter meinem Pseudonym Martin Mollnitz veröffentlichten Essays zur neuen Lyrik...

im Frei­tag wur­de ich kürz­lich von einem Anony­mus namens „Mars­born“ dort wie anders­wo als „Möch­te­gern-Lyrik-Brei­vik“ ange­grif­fen, nach­dem vom Greifs­wal­der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler Micha­el Gratz und des­sen Jungly­rik-Entou­ra­ge unter Offen­le­gung mei­nes Pseud­onyms alar­miert wor­den war, ich schrie­be für die Jun­ge Freiheit.

Mein Pseud­onym flog also auf, nach­dem ich es – unter ver­ein­bar­tem Still­schwei­gen – all­zu ver­trau­ens­se­lig einem an mei­nen Arbei­ten sehr inter­es­sier­tem Greifs­wal­der Ver­lag (der aus­ge­rech­net den Namen Frei­raum trägt) auf des­sen drin­gen­de Anfra­ge hin eröff­net hatte.

Wohl­ge­merkt, die poli­ti­schen Vor­wür­fe began­nen in Zusam­men­hang mit einem Text von mir, in dem es ein­zig und allein um Lite­ra­tur­kri­tik ging. An einem Ort, wie er ohne Zwei­fel libe­ra­ler, links­li­be­ra­ler nicht sein kann, denn der von mir geschätz­te Frei­tag ist gera­de­zu ein Mus­ter an Tole­ranz und Plu­ra­lis­mus. – Oder erfolg­ten üble Nach­re­de, Krän­kung und Brei­vik-Vor­wurf viel­leicht gera­de des­we­gen, so aus tole­ran­tem Selbst­ver­ständ­nis heraus?

Man muß bei solch har­tem Toback schon durch­at­men, aber man soll­te, fin­de ich, das aus­hal­ten ler­nen. Man soll­te es eben­falls aus­hal­ten, wenn, wie mir gera­de gesche­hen, Publi­ka­tio­nen lite­ra­ri­scher Tex­te mit expli­zi­tem Ver­weis auf JF-Autoren­schaft an meh­re­ren Ver­lags­adres­sen ver­hin­dert wer­den. Und wenn einem der nicht selbst ver­schul­de­te Rum­mel im Netz dann von den Miß­gön­nern sogar noch als per­fi­de Publi­ci­ty-Stra­te­gie zur Pla­zie­rung von Pseud­onym und Namen aus­ge­legt wird. Mitt­ler­wei­le ver­such­te ich zu reagieren.

Nur: Wes­we­gen ist die Lin­ke so emp­find­lich, daß sie seit Jah­ren – ob in mei­nem oder ande­ren Fäl­len – gleich zum Kahl­schlag anset­zen will, wenn einer von der JF mal anders­wo etwas schreibt – auch noch unter Pseud­onym, zwangs­läu­fig doch, weil er anders kaum unterkäme?

Ich den­ke, die Lin­ke hat mitt­ler­wei­le ein polit­neu­ro­ti­sches Pro­blem und reagiert klas­sisch mit freu­dia­ni­scher Ver­schie­bung: Sie macht es sich qua­si kol­lek­tiv unbe­wußt zum Vor­wurf, daß sie, um ihre rous­seau­schen oder bloch­schen oder nur unklar roman­ti­schen Vor­stel­lun­gen von Demo­kra­tie und Frei­heit wenigs­tens im Kom­pro­miß ver­wirk­licht zu sehen, ihren Frie­den mit dem der­zei­ti­gen Kapi­ta­lis­mus in des­sen Euro- bzw. Glo­bal­ge­stalt gemacht hat, ohne­hin kor­rum­piert von der jahr­zehn­te­lan­gen Gewöh­nung an den Öko­no­mis­mus und Kon­su­mis­mus der Hül­le und Fül­le, wohl­stän­dig und ange­stellt bzw. beam­tet satu­riert, den demo­kra­ti­schen Betei­li­gungs­schwund ver­drän­gend. Ich mei­ne damit weni­ger die Rest­be­stän­de genu­in poli­ti­scher Lin­ker, die sich durch­aus nach wie vor mit Ersatz­for­men des Revo­lu­tio­nä­ren und Anti-Atom abra­ckern, son­dern die ver­bür­ger­lich­te, folk­lo­ris­ti­sche, intel­lek­tu­el­le Emp­fin­dungs­lin­ke in ihrer ambi­va­len­ten Ange­paßt­heit an den „Kapi­talo-Par­la­men­ta­ris­mus“ (Alain Badiou) der lob­by­is­tisch bestimm­ten und ja viel­leicht gar nicht bes­ser zu haben­den Schön­wet­ter­de­mo­kra­tie. Die klein­bür­ger­li­che Lin­ke betreibt eine Nach­ah­mung, der das Modell abhan­den gekom­men ist.

Weil sie den Sta­tus quo mehr oder weni­ger gut­heißt und in all der unge­nau­en Leit­li­ni­en­se­man­tik der „poli­ti­schen Mit­te“ so mit­schwimmt und damit bequem lebt, bleibt ihr als Geg­ner nur eine mys­ti­fi­zier­te Rech­te, und dazu gehört nach ihrer Defi­ni­ti­on jeder, der nicht erklär­ter­ma­ßen „links“ ist oder sich min­des­tens zur „poli­ti­schen Mit­te“ bekennt. Tho­mas E. Schmidt bezeich­net im neu­es­ten „Mer­kur“ die „Obses­si­on des Mit­ti­gen“ als einen „Aus­druck his­to­ri­scher Ver­än­de­rungs­angst, kurz­fris­tig so etwas wie poli­ti­sche Schmerz­ver­mei­dung.“ Der Fall Brei­vik und die NSU sol­len bewei­sen, wohin es unwei­ger­lich führt, wenn man die­se Sicher­stel­lun­gen ver­säumt. Simp­le Struwwelpeter-Didaktik.

Wer bestimm­te, stets per se vor­aus­ge­setz­te Grund­ver­ein­ba­run­gen, die unskan­da­lös her­zähl­bar wären, nicht vor­be­halt­los bejaht, wer also nach wie vor durch­aus viru­len­te The­men, deren Gren­zen immer enger gezo­gen wur­den, für dis­kus­si­ons­wür­dig hält, den eli­mi­niert man aus dem Dis­kurs am wirk­sams­ten, indem man ihn als „Möch­te­gern-Brei­vik“ oder min­des­tens als Nazi oder Faschis­ten denun­ziert, als sol­chen ins Netz stellt und hämisch hin­ter der Mas­ke des eige­nen Pseud­onyms abwar­tet, wie der jetzt poli­tisch, ethisch und als Per­son „in echt“ auf­läuft. Nach dem Pran­ger im Netz oder in der Pres­se sind dann viel­leicht die Häu­ser­wän­de dran oder die Arbeits­stel­le oder die Ver­wand­ten und Freunde.

Brei­vik! Eine Stadt sucht einen Nazi! Man kennt sol­che Ver­fah­ren, gegen die sich Cyber-Mob­bing wie ein harm­lo­ses Gesell­schafts­spiel aus­nimmt, sonst nur vom Mob, wenn der sich der Ein­quar­tie­rung eines psy­cho­ti­schen Trieb­tä­ters in der Gemein­de wider­setzt. – Aus­lö­ser der Atta­cken gegen mich waren nur poli­tisch unver­däch­ti­ge Gedan­ken zur Lite­ra­tur. Das reicht schon! Wenn man als JF-Autor iden­ti­fi­zier­bar ist. – Die dif­fa­mie­ren­de Denun­zia­ti­on besteht in der Gleich­set­zung der poli­tisch kon­ser­va­ti­ven bzw. natio­nal­li­be­ra­len JF und deren Lesern wie Schrei­bern mit Nazis, NSU und letzt­end­lich Mas­sen­mör­dern. Ver­un­glimp­fung und Nega­tivstig­ma­ti­sie­rung statt Disputation.

Und genau, weil man sich nicht beschä­di­gen las­sen soll­te, weil die Rufer von „Nazi-Sau!“ und „Möch­te­gern-Brei­vik!“ nicht durch­kom­men dür­fen, muß man das eben aus­hal­ten ler­nen und sich auf sei­ne Sache kon­zen­trie­ren. Geht nicht anders. – Ich möch­te nur mei­ne Arbeit machen. Dazu gehört, daß lite­ra­ri­sche Tex­te, wenn sie ein Ver­lag publi­zie­ren möch­te, auch durch­kom­men, als daß sie an der Gesin­nungs­zen­sur von Ver­hin­de­rern schei­tern, die sich selbst für Mul­ti­pli­ka­to­ren des Plu­ra­lis­mus halten.

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