Dirk Hilbert über den alltäglichen Nazi-Terror

Der FDP-Mann Dirk Hilbert darf derzeit interimsweise das Amt von Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) ausüben.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

Viel­leicht schafft er es nun aber sogar in die Geschichts­bü­cher, denn Hil­bert ist nicht irgend­ein Stell­ver­tre­ter: Er ist zual­ler­erst ein muti­ger Mensch, der den „Haß und Mord“, der „heu­te noch pas­siert“, „Tag für Tag“ verhindert.

Am 13. Febru­ar zum Auf­takt der Men­schen­ket­te konn­te Hil­bert eine Rede hal­ten, die viel­leicht in 30 Jah­ren im Lehr­buch „Geschich­te und Gesche­hen“ als Quel­len­text abge­druckt wird. Die Schü­ler wer­den dar­an ana­ly­sie­ren kön­nen, wie in die­ser inzwi­schen unter­ge­gan­ge­nen Bun­des­re­pu­blik argu­men­tiert wur­de und mit wel­chen Fines­sen Gefah­ren erfun­den wur­den, um ech­te Pro­ble­me zu übertünchen.

Hil­bert setzt zu sei­ner Rede an, als (ein­ge­kreist von Poli­zei und Anti­fa­schis­ten) ein paar Hun­dert aus ganz Deutsch­land zusam­men­ge­karr­te Men­schen einen „Trau­er­marsch“ durch­füh­ren wol­len. Hil­bert hat die­se Demons­tran­ten noch nicht zu Gesicht bekom­men, weil er die Haupt­at­trak­ti­on auf einer ande­ren Ver­an­stal­tung ist: einer Men­schen­ket­te mit 13.000 Teil­neh­mern, die ein „star­kes Zei­chen“ set­zen will.

So beginnt also die Rede, die ein schwie­ri­ges The­ma behan­delt. „Es ist kaum zu ertra­gen dar­über nach­zu­den­ken“, betont Hilbert.

Die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ideo­lo­gie, egal ob heu­te oder vor 80 Jah­ren, ist ein Welt­bild vol­ler Haß und Mord, vol­ler Gewalt und Angst.

Dem Bür­ger­meis­ter gelingt es, gro­ße his­to­ri­sche Bögen zu schla­gen und dabei trotz­dem im Auge zu behal­ten, daß es für alle Übel auf der Welt nur eine Ursa­che geben kann: den Natio­nal­so­zia­lis­mus. Am 13. Febru­ar müs­se man des­halb nicht nur den Toten der Bom­ben­nacht geden­ken, son­dern auch den ermor­de­ten Juden, den Opfern von Frem­den­haß sowie denen „aller Kriege“.

Aber wir dür­fen die­ses Geden­ken nicht los­ge­löst betrach­ten, von dem was auf der Welt, was in unse­rer eige­nen Stadt pas­siert ist und heu­te noch pas­siert.

An die­ser Stel­le drän­gen sich Fra­gen auf: Was pas­siert heu­te eigent­lich noch? Mar­schie­ren tag­täg­lich Nazi­hor­den durch Dres­den, die Hil­berts Bür­ger bedro­hen und eini­ge auch ermor­den? Oder gibt es eine rechts­extre­me Stadt­mi­liz, die für „No Go Are­as“ gesorgt hat? Wohnt der Bür­ger­meis­ter in einer ganz schlim­men Ecke, die ich nicht ken­ne, und in der eine natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Terr­or­gang das Sagen hat?

Hil­bert macht es sich nicht ein­fach. Er ruft nicht die Poli­zei, die ja auch nur Gewalt mit Gewalt bekämp­fen wür­de. Er wirft sich hin­ein in den „gewalt­frei­en Kampf“ für eine bes­se­re Welt.

Das Geden­ken an die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus und die Opfer des Krie­ges, nein aller Krie­ge, muß unser täg­li­cher Beglei­ter sein. Denn nur dann kön­nen wir unser Zusam­men­le­ben in die­ser Stadt, in die­sem Land und in die­ser Welt wirk­lich verändern.

Damit die­se Stadt, die­ses Land und die­se Welt bald wirk­lich ein ein­zi­ges Para­dies sei­en, müs­se jeder bei sich selbst begin­nen. Es rei­che nicht aus, sich ein­mal im Jahr in die Men­schen­ket­te ein­zu­rei­hen. Schon bei der Part­ner­wahl und Fami­li­en­pla­nung müs­se begon­nen werden:

Lie­be Dresd­ne­rin­nen und Dresdner,
ich habe einen Sohn. Er wird in zwei Spra­chen auf­wach­sen, zwei Kul­tu­ren wer­den ihn prä­gen. Sein Leben lang wird man ihm anse­hen, daß er nicht nur eine Hei­mat hat. Was, wenn er eines Tages zu mir kommt und sagt: „In dei­nem Land will ich nicht mehr leben? In dei­ner Stadt füh­le ich mich nicht willkommen“?
Dann habe ich ver­sagt. Noch schlim­mer: Dann haben wir alle versagt.

Es ist schon ein­zig­ar­tig, wie es Hil­bert hier gelingt, indi­vi­du­el­le Lebens­ent­schei­dun­gen und kol­lek­ti­ve Ver­ant­wor­tung zu ver­knüp­fen. Hil­bert ist mit einer Korea­ne­rin ver­hei­ra­tet, sein Sohn Lucas ist andert­halb. Über ihn gelingt ihm der Sprung in die Opfer­grup­pe, die er zuvor ima­gi­niert hat.

Es wäre eine Kata­stro­phe für uns alle. Wir alle hät­ten dann nach der auf­ge­stell­ten Logik ver­sagt und müß­ten unser Lebens­mo­dell in Fra­ge stel­len, auch wenn wir das in unse­rer Nazi-Hor­den-Zeit alle Gren­zen des Ver­ant­wor­tungs­be­wußt­seins spren­gen­de Wag­nis einer mul­ti­kul­tu­rel­len Fami­lie selbst nicht ein­ge­gan­gen sind.

Um die Kata­stro­phe abzu­wen­den, hat der Bür­ger­meis­ter noch alle Hän­de voll zu tun:

Kei­ne Men­schen­ket­te, kei­ne Kund­ge­bung und auch kei­ne Blo­cka­de wer­den ver­hin­dern, daß der Natio­nal­so­zia­lis­mus wei­te­re Men­schen­le­ben in unse­rem Land for­dert. Nur wir kön­nen dies ver­hin­dern. Jeder von uns. Tag für Tag. Dort, wo wir ste­hen, wo wir arbei­ten und wo wir leben.

 

Test

Felix Menzel

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