Von Rosa Parks zu Emma West

Am 1. Dezember 1955 weigerte sich eine 42jährige farbige Frau in Montgomery, Alabama ihren Sitzplatz im lokalen Autobus...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

einem wei­ßen Mann zu über­las­sen, wie es die damals in Tei­len der USA herr­schen­den “Segregations”-Gesetze vorschrieben.

Die­ser Wider­stands­akt wur­de in der Fol­ge zu einem heroi­schen Grün­dungs­my­thos der “Bür­ger­rechts­be­we­gung” (Civil Rights Move­ment) ver­klärt, die im Lau­fe des fol­gen­den Jahr­zehn­tes einen unge­heu­ren Sie­ges­zug antrat.  Rosa Parks wur­de zu einer bedeu­ten­den Figur im Pan­the­on der Bewe­gung, nahe zur Rech­ten ihres zen­tra­len Mes­si­as Mar­tin Luther King.

Ein wirk­sa­mer Bestand­teil der Rosa-Parks-Legen­de war lan­ge Zeit die Vor­stel­lung, hier sei spon­tan eine “ein­fa­che Frau aus dem Vol­ke” auf­ge­stan­den, um end­lich ihre Wür­de zu ver­tei­di­gen. Inzwi­schen hat sich her­um­ge­spro­chen, daß Parks publi­ci­ty­träch­ti­ger Auf­tritt wahr­schein­lich gut vor­be­rei­tet und insze­niert war. Sie war Akti­vis­tin einer bedeu­ten­den Orga­ni­sa­ti­on, die sich für die Rech­te der Far­bi­gen ein­setz­te und hat­te in einem kom­mu­nis­tisch gepräg­ten Bil­dungs­werk eine Art Vor-“Training” erhalten.

Nun ändert die­ser Hin­ter­grund für mich wenig dar­an, daß mei­ne Sym­pa­thien hier klar auf Rosa Parks Sei­te sind. Sie hat mutig gehan­delt und sich für eine berech­tig­te Agen­da ein­ge­setzt. Sie woll­te sich die Behand­lung als Bür­ge­rin zwei­ter Klas­se nicht mehr gefal­len las­sen. “Ich war es leid, immer nach­zu­ge­ben”, schrieb sie in ihrer Auto­bio­gra­phie. Wer kann das nicht ver­ste­hen?  (Daß die Ras­sen­kon­flik­te in den USA heu­te pro­ble­ma­ti­scher und auf­ge­la­de­ner denn je sind, steht auf einem ande­rem Blatt.)

Die­se Woche pro­vo­zier­te erneut eine Frau in einem öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel media­les Auf­se­hen. Auch hier sind mei­ne Sym­pa­thien ein­deu­tig auf ihrer Sei­te, obwohl aus ihr kaum eine zwei­te Rosa Parks wer­den wird. Das hat nicht nur mit ihren Manie­ren und ihrer weni­ger noblen Atti­tü­de zu tun, son­dern wohl vor allem mit ihrer Haut­far­be. Ein “Bür­ger zwei­ter Klas­se” ist aber auch sie.

Die 34jährige Emma West, offen­bar Mut­ter min­des­tens eines Kin­des, bekam in einer gefüll­ten Lon­do­ner Stra­ßen­bahn einen Wut­an­fall,  der mit einer Han­dy­ka­me­ra gefilmt wur­de, und nun als Internet-“Mem” die Run­de macht, wobei das ori­gi­na­le You­tube-Video bis dato rund 8 Mil­lio­nen (!) “Klicks” erhielt.  Im wüs­tes­ten Unter­schich­tens­lang fing sie einen Streit mit einer schwar­zen Frau und ande­ren Fahr­gäs­ten an, die sie übel beschimpf­te:  “Du bist kein Eng­län­der… und du auch nicht! Kei­ner von euch ist ein Eng­län­der! Schert euch heim in eure beschis­se­nen Län­der, aber kommt nicht her und bleibt in mei­nem! … Eng­land ist heu­te ein Nichts! Eng­land ist nur mehr ein Scheiß­hau­fen! Mein Eng­land ist nur mehr ein Scheiß­hau­fen! (My Bri­tain is fuck-all now!) … Ich arbei­te, ich arbei­te, ich arbei­te, das ist mein bri­ti­sches Land, bis wir euch her­ein gelas­sen haben!”

Man muß in die­ser Sze­ne frei­lich auch der schwar­zen Frau recht geben, die die offen­bar auch etwas alko­ho­li­sier­te Bri­tin ermahnt, eine sol­che Spra­che nicht vor ihrem klei­nen Kind zu benut­zen, einem unwahr­schein­lich blon­den Engel wie aus dem Bil­der­buch. Ich weiß nicht, wie die Lebens­um­stän­de und der Cha­rak­ter die­ser Emma West, die nun durch einen dum­men Zufall am Pran­ger der Öffent­lich­keit steht, ansons­ten aus­se­hen. Sie mag der Schicht ange­hö­ren, die man als “white trash” bezeich­net und sich auch so beneh­men. Aber ihr Wut­aus­bruch hat trotz allem etwas Anrüh­ren­des an sich.

Sie ist vul­gär und unkon­trol­liert, sie erregt in mir aber vor allem Mit­leid. Sie wirkt, als stün­de sie kurz vor einem Ner­ven­zu­sam­men­bruch. Ihr “Ras­sis­mus” ist nicht der eines chau­vi­nis­ti­schen Kolo­ni­al­herrn, son­dern die all­er­gi­sche Haut­krank­heit eines in die Enge getrie­be­nen, ohn­mäch­ti­gen Men­schen. Es gehört auch ein erheb­li­cher Mut dazu, in einer mit Ein­wan­de­rern über­füll­ten Tram der­ar­ti­ge Tira­den von sich zu geben.  Vor allem aber öff­net sie einer wüten­den Ver­zweif­lung das Ven­til, die im heu­ti­gen Eng­land kaum jemand zu arti­ku­lie­ren wagt, auch nicht auf eine zivi­li­sier­te­re Weise.

“Ras­sis­mus” gilt heu­te als die übels­te Häre­sie und Sün­de, derer man sich in unse­rer Gesell­schaft schul­dig machen kann. Und dies ist auch der Haupt­grund, war­um ein im Grun­de bana­ler Vor­fall einen der­ar­ti­gen Boom aus­lö­sen konn­te. Nur weni­ge Stun­den, nach­dem das Video auf You­tube erschie­nen war, und per Twee­ter durchs Netz gezwit­schert wur­de, ver­haf­te­te die Poli­zei die Kra­wall­ma­che­rin wegen Ver­dachts auf “ras­sis­ti­sche Stö­rung des öffent­li­chen Frie­dens” (“raci­al­ly aggrava­ted public order offence”).  Die (offen­bar far­bi­ge) Urhe­be­rin des Vide­os zeig­te sich dar­ob hoch­be­frie­digt: “Nun wur­de die­se Frau also ver­haf­tet. Mein Video hat also Erfolg gehabt.” Wenn es jedoch nach der an der Het­ze betei­lig­ten Twit­ter-Com­mu­ni­ty gin­ge, war die blo­ße Ver­haf­tung noch zu wenig.

Hun­der­te ent­rüs­te­te Kom­men­ta­to­ren for­der­ten, die Frau gehö­re “ste­ri­li­siert”, “depor­tiert”, “ein­ge­sperrt”, “geschla­gen”, “getre­ten”, “auf­ge­hängt”, “erschos­sen”, “in die Eier­stö­cke geschos­sen”, “ertränkt”, “bei leben­di­gem Lei­be ver­brannt”  oder ein­fach nur “ernied­rigt wie ein Hund”.  Ein­zel­ne gra­tu­lier­ten der Poli­zei, die “igno­ran­te, arm­se­li­ge, respekt­lo­se F*tze” ver­haf­tet zu haben: “Manch­mal kann ein Poli­zei­staat auch der guten Sache die­nen. Dan­ke, Bri­tish Trans­port Poli­ce!” All das ist um ein Viel­fa­ches kras­ser als die anstö­ßi­gen Aus­fäl­le selbst. So kann heu­te in einem poli­tisch kor­rekt beherrsch­ten Land der Preis für einen Tabu­bruch aus­se­hen. Und er gibt offen­bar vie­len Leu­ten Gele­gen­heit, sich wenigs­tens ein­mal guten Gewis­sens der Kaker­la­ken-Spra­che bedie­nen zu dür­fen – auch das mag ein Ven­til sein.

Zu den Cla­queu­ren und Anstach­lern der “Twitch Hunt” zähl­te kein Gerin­ge­rer als der Vor­sit­zen­de (!) der “Labour Par­ty”, Ed Mil­li­band, der sei­ne “Fol­lower” auf­for­der­te, Hin­wei­se zusam­men­tra­gen, um die Frau zu iden­ti­fi­zie­ren, sprich: denun­zie­ren.  Mit ande­ren Wor­ten setz­te sich ein Mann aus der obers­ten Klas­se per­sön­lich dafür ein, eine arm­se­li­ge, wehr­lo­se Per­son aus der unters­ten Schicht für einen betrun­ke­nen ver­ba­len Aus­fall ins Gefäng­nis zu ste­cken und öffent­lich zu brand­mar­ken. Was war nun ihr größ­tes Ver­bre­chen? Ihr “Ras­sis­mus” oder die Aus­sa­ge “Mein Eng­land ist nur mehr ein Scheißhaufen”?
Test

Sehen wir uns das Gan­ze ein­mal im Kon­text an. Wir wir alle wis­sen, schert sich die gesamt­eu­ro­päi­sche Sozi­al­de­mo­kra­tie heu­te einen Dreck um die Arbei­ter­klas­se. Zusam­men mit dem Rest der Lin­ken hat sie ja nun ein neu­es, attrak­ti­ve­res und zukunfts­träch­ti­ge­res “revo­lu­tio­nä­res Sub­jekt” gefun­den, näm­lich die Ein­wan­de­rer aus allen Win­keln der Erde. Die “Labour Par­ty” ist heu­te zum schlimms­ten Feind ihrer tra­di­tio­nel­len Wäh­ler­schaft, der wei­ßen Arbei­ter, gewor­den, denen ver­mut­lich auch die toben­de “Tram Lady” angehört.

Man kann nicht oft genug dar­an erin­nern, daß es Labour zu ver­ant­wor­ten hat, daß die Mas­sen­ein­wan­de­rung nach Groß­bri­tan­ni­en wäh­rend des letz­ten Jahr­zehn­tes noch beschleu­nigt wur­de, und zwar mit der vol­len bewuß­ten Absicht, der Wäh­ler­mas­se der ange­stamm­ten Bri­ten das Rück­grat zu bre­chen. Dar­über habe ich vor zwei Jah­ren auf die­sem Blog berichtet.

Der Dai­ly Tele­graph vom 23. Okto­ber zitier­te einen ehe­ma­li­gen Bera­ter von Tony Blair und Jack Straw, der offen­leg­te, daß die Labour Par­ty im letz­ten Jahr­zehnt bewußt die Ein­wan­de­rungs­kon­trol­len gelo­ckert hät­te, um das Land der „Mas­sen­ein­wan­de­rung zu öff­nen“, es im Sin­ne des Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus „radi­kal zu ver­än­dern“ und damit „der Rech­ten die Viel­falt unter die Nase zu rei­ben“ („to rub the Right’s nose in diver­si­ty“.)  Natür­lich sei die­ser Plan geheim­ge­hal­ten wor­den, vor allem, um die Wäh­ler­schaft aus der Arbei­ter­klas­se nicht zu entfremden.

Die “mul­ti­kul­tu­ra­lis­ti­sche” Agen­da wird auf die­se Wei­se zur Chan­ce für die Regie­run­gen, sich frei nach Ber­tolt Brecht ein neu­es Volk wäh­len zu kön­nen. Das Ziel wird bald erreicht sein: jähr­lich wan­dern etwa 500,000 Men­schen in das Ver­ei­nig­te König­reich ein. Die Flut steigt seit Jahr­zehn­ten ste­tig an. Das dar­aus resul­tie­ren­de demo­gra­phi­sche Kip­pen kann man sich bereits an fünf Fin­gern abzäh­len.  Der Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus hat das heu­ti­ge Eng­land in eine Höl­le aus Über­frem­dung und Kri­mi­na­li­tät ver­wan­delt. Die Isla­mi­sie­rung und die Aus­wei­tung von Zonen, in denen de fac­to die Scha­ria herrscht, ist wohl noch wei­ter vor­an­ge­schrit­ten als in Frankreich.

Daß die Lun­ten für kom­men­de Bür­ger­krie­ge bereits gelegt und die Pul­ver­fäs­ser gestopft sind,veranschaulichten die tage­lang andau­ern­den Unru­hen die­ses Som­mers in einem guten Dut­zend bri­ti­scher Städ­te, die zum weit­aus über­wie­gen­den Teil von nicht-euro­päi­schen Ein­wan­de­rern getra­gen wur­den. Groß­bri­tan­ni­en ist ein Land, in dem regel­mä­ßig mil­tan­te Demons­tra­tio­nen von Mos­lems statt­fin­den, aber ich habe noch nicht gehört, daß die­se Gen­tle­men (und ‑women) wegen “Ras­sis­mus” und “Stö­rung des öffent­li­chen Frie­dens” behel­ligt wur­den. (Wer sich über die­se Din­ge infor­mie­ren will, sei auf die Sei­ten Gates of Vien­na und Maid of Albi­on ver­wie­sen, auf denen sich reich­lich Mate­ri­al findet.)

Der Fall Groß­bri­tan­ni­ens ist eine ent­setz­lich trau­ri­ge Sache. Welt­be­kann­te Iko­nen der “Bri­tish­ness” wie Mor­ris­sey oder “Mon­ty Python” John Clee­se haben öffent­lich beklagt, daß sie ihr Lon­don und ihr Eng­land nicht mehr wie­der­erken­nen wür­den.  Sie haben sich frei­lich fei­ner aus­ge­drückt als die unge­wa­sche­ne Emma West mit ihrem “Bri­tain is fuck-all now!”, aber sie haben im Gegen­satz zu ihr ja auch genug Geld, um sich in ihre Land­häu­ser oder in fer­ne Län­der zu flüchten.

Die ton­an­ge­ben­den Intel­lek­tu­el­len und Mei­nungs­ma­cher zei­gen indes­sen mit hämi­schem Zei­ge­fin­ger auf  “Rechts­po­pu­lis­ten” wie Nick Grif­fin und sei­ne Bri­tish Natio­nal Par­ty oder die Eng­lish Defence League, die ja bloß von Unge­bil­de­ten, Pro­le­ten und unver­bes­ser­li­chen Ras­sis­ten gewählt wür­den. Alle­samt Schich­ten, die plötz­lich zu “unter­pri­vi­le­gier­ten, dis­kri­mi­nier­ten Unter­drück­ten” wer­den, wenn sie eine ande­re Her­kunft und Haut­far­be haben.

Es sind aber vor allem die Unter­schich­ten, die Pro­le­ten, die Emma Wests, die über­all als aller­ers­te die Fol­gen der mul­ti­kul­tu­ra­lis­ti­schen Poli­tik zu tra­gen haben und von ihr an die Wand gequetscht wer­den, wie etwa die letz­te deut­sche Fami­lie in Wed­ding, und man sage mir nicht, das hät­te nichts damit zu tun, daß sich die Indus­trie einen feuch­ten Keh­richt dar­um küm­mert, wo die bil­li­ge­ren Lohn­skla­ven her­kom­men.  Inzwi­schen fühlt sich die Mit­tel­schicht, ob in Eng­land oder Deutsch­land, noch halb­wegs sicher, aber sie befin­det sich nicht nur öko­no­misch, son­dern auch demo­gra­phisch in einer rapi­den Ero­si­on, was auch ihre Aus­weich­mög­lich­kei­ten verringert.

Neu­lich sag­te ein Jour­na­list einer gro­ßen Main­stream­zei­tung allen Erns­tes zu mir, die deut­schen Eltern in Ber­lin sol­len ihre Kin­der doch auf Pri­vat­schu­len schi­cken, wenn sie nicht wol­len, daß sie in dys­funk­tio­na­le Mul­ti­kul­ti-Klas­sen gehen müs­sen, in denen sie eine Min­der­hei­ten­grup­pe stel­len. Die­se Aus­sa­ge hat mich ziem­lich frap­piert. So hät­ten bald nur mehr die Bes­ser­ver­die­nen­den eine Chan­ce, die­sem Cha­os zu ent­rin­nen, solan­ge, bis auch sie sich das eines Tages nicht mehr leis­ten kön­nen, und eben­falls ver­schluckt werden.

Es wird nicht lan­ge dau­ern, dann wer­den sich auch die Mit­tel­schich­ten wie Emma West in der mit Frem­den über­füll­ten Tram füh­len, von der sie dach­ten, daß sie ihnen gehö­re, und daß sie dar­in sicher wären. Dann will ich sehen, ob sie nicht auch anfan­gen, sich umzin­gelt zu füh­len und ob sie dann nicht auch irgend­wann das Tour­et­te-Syn­drom bekom­men. Es wird dem Bür­ger­tum nichts nüt­zen, sich an der Denunza­ti­on der pro­le­ta­ri­schen Schmud­del­kin­der zu betei­li­gen, wenn es als nächs­tes an der Rei­he ist.

Und viel­leicht wird es in Zukunft schon aus­rei­chen, wenn man nichts ande­res sagt, als “mein Eng­land”, “mein Deutsch­land” und so wei­ter, ob “Scheiß­hau­fen” oder nicht, um mit der “Rassismus”-Knute bedroht zu werden.
Test

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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