zdf_neo: Selbstdemontage des öffentlich-rechtlichen Fernsehens

Zum 1. November 2009 hat das „Zweite“ mit zdf_neo einen neuen Spartenkanal geschaffen und dafür seinen Doku-Sender abgeschalten.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

„Wir müs­sen die Fra­ge beant­wor­ten kön­nen: Wes­halb zah­len die Jün­ge­ren Gebüh­ren? Und Jün­ge­re haben eben ande­re Fern­seh­ge­wohn­hei­ten und dar­auf müs­sen wir ein­ge­hen, aber wir blei­ben dadurch öffent­lich-recht­lich“, erklär­te ZDF-Pro­gramm­di­rek­tor Tho­mas Bel­lut zum Start des jung daher­kom­men­den Kanals.

Ein Blick ins Pro­gramm von zdf_neo, das Zuschau­er zwi­schen 25 und 49 anspre­chen soll, bringt schnell Ernüch­te­rung: Die meis­te Zeit des Tages lau­fen Doku-Soaps, US-Come­dy­se­ri­en und am Ran­de – das sei zuge­ge­ben – weni­ge Sen­dun­gen mit Bil­dungs­an­spruch, z.B. die Wie­der­ho­lung von Die Deut­schen und heu­te um 23:20 Uhr die Doku­men­ta­ti­on Eine Nacht im Novem­ber. Count­down für die DDR – „Wir wol­len raus!“.

Kurz: Wer ein Para­de­bei­spiel für die Kon­ver­genz­the­se sucht, die besagt, daß sich öffent­lich-recht­li­ches und pri­vat-kom­mer­zi­el­les Fern­se­hen immer mehr annä­hern, dem hat das ZDF jetzt genau das rich­ti­ge Fut­ter hingeworfen.

Wenn kein deut­li­cher Qua­li­täts­un­ter­schied mehr zwi­schen gebüh­ren­fi­nan­zier­ten und pri­va­ten Sen­dern vor­han­den ist, dann sind ers­te­re über­flüs­sig. zdf_neo ver­fügt übri­gens über einen Jah­res­etat von rund 30 Mil­lio­nen Euro.

Ich glau­be, Tho­mas Bel­lut muß über die Fra­ge „Wes­halb zah­len die Jün­ge­ren Gebüh­ren?“ noch etwas inten­si­ver nach­den­ken und ich bin mir sicher, daß er zu kei­ner zufrie­den­stel­len­den Ant­wort kom­men wird, denn – wie der popu­lä­re Fern­seh­kri­ti­ker Neil Post­man es aus­ge­drückt hat:

Pro­ble­ma­tisch am Fern­se­hen ist nicht, daß es uns unter­halt­sa­me The­men prä­sen­tiert, pro­ble­ma­tisch ist, daß es jedes The­ma als Unter­hal­tung präsentiert.

Um es anders zu for­mu­lie­ren: Das Enter­tain­ment ist die Superideo­lo­gie des gesam­ten Fern­seh­dis­kur­ses. Gleich­gül­tig, was gezeigt wird und aus wel­chem Blink­win­kel – die Grund­an­nah­me ist stets, daß es zu unse­rer Unter­hal­tung und unse­rem Ver­gnü­gen gezeigt wird. Des­halb for­dern uns die Spre­cher sogar in den Nach­rich­ten­sen­dun­gen, die uns täg­lich Bruch­stü­cke von Tra­gik und Bar­ba­rei ins Haus lie­fern, dazu auf, „mor­gen wie­der dabeizusein“.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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