Klaus Theweleit: Männerphantasien

Klaus Theweleit: Männerphantasien. Vollständige und um ein Nachwort erweiterte Neuausgabe, Berlin: Matthes & Seitz Berlin 2019. 1278 S., 39.90 €

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

The­we­leits Män­ner­phan­ta­sien erschie­nen zuerst 1977 / 78 in zwei Bän­den im Ver­lag Stroem­feld / Roter Stern und haben seit­dem eine Kar­rie­re gemacht, die für so ein umfang­rei­ches und eigen­ar­ti­ges Buch von Sel­ten­heits­wert sein dürf­te. Von den Dimen­sio­nen rei­chen die Stück­zah­len zwar nicht an Speng­lers Unter­gang her­an, doch bezo­gen auf die Kom­pa­ti­bi­li­tät mit dem jewei­li­gen Zeit­geist drängt sich der Ver­gleich förm­lich auf. Nach Taschen­buch­aus­ga­ben, die seit 1980 in meh­re­ren Ver­la­gen erschie­nen sind, liegt das Buch jetzt als gebun­de­ne Aus­ga­be vor, was zu der Ver­mu­tung Anlaß geben könn­te, daß es zum Klas­si­ker gewor­den ist, den man nicht mehr mit hei­ßem Her­zen liest, son­dern sich als Erin­ne­rung an die eige­ne Jugend ins Regal stellt. 

Die Risi­ko­be­reit­schaft des Ver­le­gers, solch Zie­gel­stein erneut zu ver­le­gen, wur­de offen­sicht­lich belohnt. Mitt­ler­wei­le liegt die zwei­te Auf­la­ge vor. Das Buch ist aus der lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­chen Dis­ser­ta­ti­on von The­we­leit (*1942) her­vor­ge­gan­gen, die er unter dem Titel Frei­kor­ps­li­te­ra­tur. Vom deut­schen Nach­krieg 1918 – 1923 ein­ge­reicht hatte.
Das Buch wid­met sich den schrift­stel­le­ri­schen Erzeug­nis­sen der­je­ni­gen Män­ner, die nach Kriegs­en­de aus Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl her­aus die deut­schen Gren­zen schütz­ten und wäh­rend der bür­ger­kriegs­ähn­li­chen Zustän­de die Ord­nung auf­recht­erhiel­ten. The­we­leit gießt das Gan­ze in eine wil­de Col­la­ge aus Selbst­re­fle­xio­nen, Zita­ten und Abschwei­fun­gen, die von einer kaum über­zeu­gen­den Theo­rie zusam­men­ge­hal­ten wird. The­we­leit ist davon über­zeugt, daß die­se als Faschis­ten klas­si­fi­zier­ten Män­ner nicht zu voll­wer­ti­gen Men­schen wer­den konn­ten, weil ihre Selbst­wer­dung vor­zei­tig durch die Defor­ma­ti­on im patri­ar­cha­len Eltern­haus abge­bro­chen wur­de, was sie in über­ge­ord­ne­te Struk­tu­ren von Män­ner­bün­den flie­hen ließ. 

Rudolf Aug­stein, Her­aus­ge­ber des Spie­gel, hat­te das Buch bei sei­nem ers­ten Erschei­nen als »viel­leicht auf­re­gends­te deutsch­spra­chi­ge Publi­ka­ti­on die­ses Jah­res« bezeich­net und ihm Ende 1977 eine acht­sei­ti­ge Rezen­si­on gewid­met. Sei­ne The­se: »Kratz an der Ober­flä­che des Man­nes, und ans Licht kommt der Faschist vom Anfang der Welt.« Auch wenn er bei The­we­leit die Nutz­an­wen­dung der Ent­hül­lun­gen ver­mißt, war er doch davon über­zeugt, daß sich The­we­leit auf dem rich­ti­gen Weg befindet.
Die Gegen­wart scheint in die­ser Hin­sicht deut­lich wei­ter gekom­men zu sein, da die poli­ti­sche Nutz­an­wen­dung die­ser Theo­rie mitt­ler­wei­le All­ge­mein­gut ist: Alles, was wei­ße Män­ner geschaf­fen haben, ist faschis­tisch und gehört des­halb auf den Müll­hau­fen der Geschich­te. Daher ist die Kri­tik, die anläß­lich der Neu­auf­la­ge zu lesen war, eher eine sys­tem­im­ma­nen­te, wie die der His­to­ri­ke­rin Bir­te Förs­ter in der Süd­deut­schen Zei­tung. Kri­tisch ist sie nicht, weil sie die The­sen für falsch hal­ten wür­de, son­dern weil The­we­leit mitt­ler­wei­le von sei­nen Nach­fol­gern in Gen­der-Main­strea­ming und ähn­li­chen Dis­zi­pli­nen weit über­holt wurde.
Förs­ter inter­pre­tiert die Neu­aus­ga­be als Aus­druck einer unbe­wuß­ten Ver­eh­rung alter wei­ßer Män­ner wie The­we­leit. Ande­re Kri­ti­ker legen noch eine Schip­pe drauf, wenn die feh­len­de Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Anti­se­mi­tis­mus bemän­gelt wird oder The­we­leit vor­ge­wor­fen wird, daß sein Fest­hal­ten an zwei Geschlech­tern nicht mehr ganz zeit­ge­mäß sei. Das Buch ist mitt­ler­wei­le selbst zum Gegen­stand his­to­ri­scher For­schung gewor­den, die sich beson­ders der Erklä­rung des Erfolgs gewid­met hat. In der links­al­ter­na­ti­ven Sze­ne wur­de es zum Klas­si­ker, weil es eine inter­es­san­te Ver­schrän­kung von damals viru­len­ten The­men darstellt.
Die Gestal­tung des Buches und die Ableh­nung des objek­ti­vis­ti­schen Stand­punkts in der Wis­sen­schaft schlu­gen eben­so ein wie die The­men Faschis­mus, Gewalt, Geschlech­ter­ver­hält­nis und der Ver­such, über Marx und Freud hin­aus eine post­mo­der­ne Theo­rie zu prä­sen­tie­ren. Die Begeis­te­rung des links­li­be­ral-bür­ger­li­chen Milieus ist für den Erfolg aber viel wich­ti­ger gewe­sen, weil die Infra­ge­stel­lung der Auto­ri­tät über die­se Kanä­le mehr­heits­fä­hig wur­de. The­we­leit hat sei­nen Fron­tal­an­griff auf Män­ner­bund, Insti­tu­tio­nen und Anthro­po­lo­gie in einem geschick­ten Mix prä­sen­tiert, in dem jeder fin­den konn­te, was er suchte.
Dar­an hat sich bis heu­te nichts geän­dert, was von den Rezi­pi­en­ten als Beweis sei­ner Aktua­li­tät betrach­tet wird. Es ist dabei unver­meid­lich, daß die Linie von den Frei­korps über den Faschis­mus bis in die Gegen­wart aus­ge­zo­gen wird und man schließ­lich bei der Neu­en Rech­ten und dem Rechts­po­pu­lis­mus landet.
Was The­we­leit sei­ner­zeit nicht bedacht hat, ist, daß sein Buch auch als Stein­bruch für die­je­ni­gen zu gebrau­chen war, die, aus einem links­li­be­ra­len Eltern­haus stam­mend, noch nie etwas von Frei­korps oder Ernst Jün­ger gehört hat­ten und denen er eine neue, gefähr­li­che Welt prä­sen­tier­te. Die bizar­re Theo­rie konn­te man dabei gut über­le­sen. Den­noch ändert die­ser schö­ne Neben effekt nichts dar­an, daß The­we­leits Buch für die Schlei­fung der Insti­tu­tio­nen, für die Patho­lo­gi­sie­rung der Wehr­be­reit­schaft und die Ent­männ­li­chung des Man­nes zumin­dest mit­ver­ant­wort­lich ist. Da all das gelun­gen ist, strömt die Neu­auf­la­ge den Geruch der Deka­denz aus. 

Män­ner­phan­ta­sien von Klaus The­we­leit kann man hier bestel­len.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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