Berliner Hürdenlauf

pdf der Druckfassung aus Sezession 30 / Juni 2009

Es hätte alles so schön sein können. Institut für Staatspolitik (IfS), 17. Berliner Kolleg zum Thema »Die Deutsche Frage«: Der nach langer Suche gefundene Raum im Prenzlauer Berg, eine schön restaurierte ehemalige Aula, stand seit zwei Monaten fest. Vor Ort war alles mit den Betreibern besprochen worden, das Programm war bekannt. Da uns aber die Mechanismen vertraut sind, gaben wir den Ort erst wenige Tage vor der Veranstaltung bekannt und hofften, daß die Veranstaltung wie geplant würde stattfinden können.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Don­ners­tag kurz vor 17 Uhr dann der Anruf: Der Miet­ver­trag ist gekün­digt, man mache von sei­nem Haus­recht Gebrauch, die Ver­an­stal­tung wer­de in den Räu­men nicht statt­fin­den. Man habe gegoo­gelt und dabei her­aus­ge­fun­den, daß wir umstrit­ten sei­en. Nun ja, das ist Peer Stein­brück auch. Ob denn jemand ange­ru­fen und vor uns gewarnt hät­te. Nein.
Gut. Oder auch: nicht gut. Denn wir sehen im Inter­net, daß der blick nach rechts vor Tagen eine Mel­dung über unse­re Ver­an­stal­tung ver­öf­fent­licht hat und den Ver­mie­ter vor Image­scha­den warnt, soll­te er sich mit uns ein­las­sen. Also: Neue Lage, Leu­te anru­fen, Räu­me recher­chie­ren, Netz­wer­ke aktivieren.
Schließ­lich kom­men die Kor­po­rier­ten zum Zug. Einer kennt einen, der einen kennt, der einen Ver­an­stal­tungs­saal betreibt. Anruf, offe­ne Kar­ten, Pro­blem erläu­tern (uns sind kurz­fris­tig die Räu­me gekün­digt wor­den, weil ande­re den­ken, daß wir böse sind). Der Kor­po­rier­te ver­si­chert, daß uns sein Raum erhal­ten bleibt: Er selbst habe schon alles erlebt, wis­se Bescheid und wer­de die Sache in jedem Fall durch­zie­hen. Gro­ße Erleich­te­rung unsererseits.
Am Frei­tag machen wir uns gegen halb zwei von Schnell­ro­da aus auf den Weg nach Ber­lin, und nach einer Stun­de Auto­bahn kommt dann der Anruf von dem­je­ni­gen, der schon alles erlebt hat: Er müs­se den Miet­ver­trag lei­der, lei­der kün­di­gen. Er hät­te Anru­fe und Faxe von Ver­Di und fast allen Ber­li­ner Par­tei­en bekom­men, und selbst die Bezirks­bür­ger­meis­te­rin hät­te ihn ange­ru­fen. Tenor: Mit uns scha­de er sei­nem Ruf, Ver­an­stal­tun­gen wür­den bei ihm nicht mehr gebucht. Jetzt hat er Angst. Auch ein halb­stün­di­ges Tele­fo­nat fruch­tet nicht. Es wird jetzt ein biß­chen ekel­haft: Schließ­lich hat auch die Selbst­er­nied­ri­gung um der guten Sache wil­len ihre Grenzen.
Also alles zurück auf Start (sie­he oben). Als wir in Ber­lin ankom­men, ist ein Raum gefun­den. Ein Freund hat eine Eta­ge in einem leer­ste­hen­den Fabrik­ge­bäu­de auf­ge­tan. Impro­vi­sie­ren, die ein­zi­ge erhal­tens­wer­te DDR-Tugend, ist ange­sagt: Der Rest des Abends geht für die Orga­ni­sa­ti­on von Stüh­len, Tech­nik und Essen drauf, und die Teil­neh­mer erfah­ren den neu­en Ort. Der Antai­os-Ver­lags­abend in einer Char­lot­ten­bur­ger Knei­pe wird zur Nebensache.
Am nächs­ten Tag klappt alles wie am Schnür­chen: Zahl­rei­che Hel­fer sor­gen für rei­bungs­lo­sen Auf­bau, Ablauf und Abbau, fast alle Teil­neh­mer hat die Nach­richt vom neu­en Ort erreicht, die ande­ren wer­den von den ursprüng­li­chen Ver­an­stal­tungs­or­ten umge­lei­tet. Kein Refe­rent hat abge­sagt: Men­no Aden trägt über »Deut­schen Patrio­tis­mus in Euro­pa« vor, Det­lef Kühn über die Wand­lun­gen im Wie­der­ver­ei­ni­gungs­stre­ben der BRD, Stef­fen Dietzsch über die »Grün­de des Unter­gangs der DDR« und Karl­heinz Weiß­mann über die »deut­sche Fra­ge als Fra­ge der anderen«.
Unter dem Strich blei­ben drei Schlußfolgerungen.

1. Daß das Vor­ge­hen des Geg­ners bezüg­lich der Raum­kün­di­gun­gen erfolg­reich ist, liegt in der Natur des Men­schen, die auch in der Demo­kra­tie nicht hin­ter­geh­bar ist. Beschä­mend ist, daß die Instru­men­te nur noch gezeigt wer­den müssen.
2. Die ver­deck­te Vor­ge­hens­wei­se des Geg­ners soll uns beschäf­ti­gen und von ernst­haf­ter, kon­struk­ti­ver Arbeit abhal­ten. Das müs­sen wir beden­ken, wenn wir Auf­wand und Nut­zen sol­cher Ber­li­ner Hür­den­läu­fe gegenüberstellen.
3. Vor dem Hin­ter­grund der gut­mensch­li­chen Selbst­ge­fäl­lig­keit heben sich jene Men­schen umso hel­ler ab, die nicht mora­lisch ver­sackt sind­und um die Lage in unse­rem Land wissen.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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