Gelassen in den Widerstand: Martin Sellner und Heidegger

In ihrem Gesprächsbändchen Gelassen in den Widerstand sprechen mit Martin Sellner und Walter Spatz zwei Köpfe der Identitären Bewegung über den „letzten deutschen Großdenker“, Martin Heidegger. Sie befragen den Meister aus der Gegenwart heraus zu den Themen Volk, Identität, Selbstbehauptung, Heimat – eine reichlich undogmatische Heidegger-Exegese, über die Sellner in einem Kurzinterview Auskunft gibt:

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

SEZESSION: Lie­ber Mar­tin Sell­ner, in ihrem Gespräch mit dem iden­ti­tä­ren Mit­strei­ter Wal­ter Spatz ver­knüp­fen sie Heid­eg­ger und Gelas­sen­heit mit Wider­stand. Sie sind Phi­lo­soph, ken­nen die Band­brei­te der geis­ti­gen Tra­di­ti­on. Ihre Denk­we­ge füh­ren Sie stets und aus­ge­rech­net zu Heid­eg­ger. Wie paßt gera­de Heid­eg­ger zu einem, der sich wie Sie in ers­ter Linie als Akti­vist versteht?

MARTIN SELLNER: Seit ich – poli­tisch – den­ken kann, war ich auch Akti­vist. Die Tat stand bei mir eigent­lich vor dem Den­ken! Als ich mit Anfang 20 begann, mir die Gedan­ken­welt der Neu­en Rech­ten zu erschlie­ßen, führ­te das kurz­fris­tig zu einer gewis­sen Abstand­nah­me von der Akti­on. Ich war knapp davor, den mei­ner Ansicht nach grund­le­gen­den Feh­ler vie­ler Rechts­in­tel­lek­tu­el­ler zu bege­hen und Meta­po­li­tik mit rei­ner Theo­rie­ar­beit zu ver­wech­seln. Es war eigent­lich Heid­eg­ger, der mich kurz vor der Schwel­le zum aka­de­mi­schen Elfen­bein­turm zur Umkehr und Rück­kehr auf die Stra­ße beweg­te. Er ist in mei­nen Augen ein abso­lut poli­ti­scher Kopf. Heid­eg­ger ist der­je­ni­ge, der ein­fach zu radi­kal und grund­le­gend, zu umfas­send fragt, um eine “Nische” eines apo­li­ti­schen Sin­nie­rens freizulassen.

SEZESSION: Zu wel­cher Art von Wider­stand sehen Sie sich durch Heid­eg­ger ge- oder verleitet?

MARTIN SELLNER: Es gibt ja in Wahr­heit kei­ne unbe­rühr­ter Hin­ter­welt, kei­ne zeit­lo­sen unbe­weg­ten Schrein der Tra­di­ti­on, in den wir uns flüch­ten kön­nen. Alles ist im Wan­del, und alles ist im frei­en Fall. Die gan­ze Welt, in der wir leben: von der Kunst, über die Reli­gi­on, die Spra­che, die Wis­sen­schaft, das Men­schen­bild – all das befin­det sich in einem grund­le­gen­den Wan­del, steht in einer groß­an­ge­leg­ten und umfas­sen­den Atta­cke. Es gibt hier kei­ne Grenz­li­nie, kei­ne rei­ne Inner­lich­keit und pro­fa­ne Exo­te­rik. Unser gesam­tes Dasein steht in einem Aus­trag und einer Ent­schei­dung. Von Heid­eg­ger in den Wider­stand geru­fen zu wer­den bedeu­tet, sich den vol­lem Umfang die­ses Wan­dels, des Angriffs, der Gefahr und der Chan­ce bewußt zu machen. Sei­ne Kri­tik des Nietz­schea­nis­mus und des natio­na­lis­ti­schen Tat­kults gibt uns eine Gelas­sen­heit zu den Bedin­gun­gen des Poli­ti­schen. Gleich­zei­tig schafft die radi­ka­le Kri­tik Raum und eine Offen­heit für ein damit erst mög­li­ches, kom­men­des Geheim­nis. Es heißt im Klar­text, den Schritt aus dem Bann­kreis der moder­nen Ideo­lo­gien zu tun und sich kri­tisch und ehr­lich zu einer kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­nä­ren Tra­di­ti­on, zu einem “gehei­men Euro­pa” zu bekennen.

SEZESSION: Klei­ne kri­ti­sche Spit­ze: Heid­eg­gers Wider­stand rich­te­te sich ja auch gegen den Herr­schafts­cha­rak­ter der Tech­nik. Unter allen Iden­ti­tä­ren sind Sie wohl der­je­ni­ge, der moder­ne Tech­ni­ken wie Twit­ter am groß­zü­gigs­ten nutzt, und zwar im wasch­ech­ten Twit­ter-Ton und ‑Modus. Ist es also so, daß sich Wider­stand im Wider­spruch zu Heid­eg­ger der Tech­nik bedie­nen muß?

MARTIN SELLNER: Ja, ich muß das wohl zuge­ben. Mei­ne Feld­for­schung im digi­ta­len Dschun­gel der Post­mo­der­ne, die ich anfangs noch rein prag­ma­tisch-pro­pa­gan­dis­tisch recht­fer­tig­te, hat ihre Spu­ren hin­ter­las­sen. Der Abgrund, in den ich gestarrt habe, hat sich in mir auf­ge­tan und will täg­lich mit feeds und tweets gefüt­tert wer­den…! Teil­wei­se sehe ich das auch als not­wen­di­ge Fol­ge jedes kon­tem­po­rä­ren Akti­vis­mus. Er muß in der Zeit ste­hen. Ich muß jetzt aber, falls nun eini­ge Leser mei­nen Twit­ter-Kanal besich­ti­gen, klar­stel­len, daß das alles, die­se spon­ta­nen Kurz­mel­dun­gen gleich­sam aus der Hüf­te, natür­lich iro­nisch gebro­chen sind. Ein Dasein ohne Iro­nie ist in die­ser Zeit sowie­so ein lang­fris­tig unmög­li­ches Projekt.
Die Figur des eiser­nen “Poli­ti­schen Sol­da­ten” taugt, wie Dugin sagt, nur mehr für die Freak­show und das Kaba­rett. Es ist ein Simu­la­crum. Wir sind alle beschä­digt und „bloo­mi­fi­ziert“. Auch und gera­de im Ver­such des Ent­zugs und “Aus­stiegs”. Ich ver­su­che aber stets nicht “post­mo­dern zu den­ken” son­dern “die Post­mo­der­ne zu den­ken”, wie Timo Köl­ling schreibt. Damit wird die Aus­set­zung und Trans­for­ma­ti­on zur Infli­tra­ti­on. Womög­lich! Abge­se­hen davon machen mir Twit­ter und You­tube auch Spaß und brin­gen mit­tel­fris­tig eini­gen poli­ti­schen Mehr­wert. Nicht weni­ge Akti­vis­ten sind wegen mei­ner Vlogs zur Iden­ti­tä­ren Bewe­gung gesto­ßen. Ich wer­de rela­tiv oft mit sol­chen Spit­zen kon­fron­tiert und begeg­ne ihnen eben­so gelas­sen wie ich mich auf den gan­ze Kram ein­las­se. Genau das, und kei­ne roman­ti­sche Stadt­flucht hat uns auch Heid­eg­ger anempfohlen.

SEZESSION: Zur Gelas­sen­heit: Inwie­fern könn­ten wir gelas­sen sein? Ein abso­lu­ter Best­sel­ler des Vor­jah­res, geschrie­ben vom Trend­phi­lo­so­phen Wil­helm Schmid hat­te „Gelas­sen­heit“ als Titel. An den immensen Ver­kaufs­zah­len wur­de deut­lich, daß die Leu­te sehr wohl nach „Gelas­sen­heit“ suchen. Gemeint waren die klei­nen Freu­den des höhe­ren Alters. Sie stre­ben wohl nicht im Ernst vor­zei­tig danach?

MARTIN SELLNER: Nein, nein! Die Pen­si­on kann war­ten. Zwar ent­spricht mein Alter bald nicht mehr der Rol­le als Berufs­ju­gend­li­cher, in die man als Akti­vist zwangs­wei­se gedrängt wird, aber die­se sedier­te Art von “Gelas­sen­heit” wird mir ewig fremd blei­ben. Sie hat auch gar nichts mit dem Alter zu tun, wie uns nicht zuletzt Domi­ni­que Ven­ner gezeigt hat. Vie­le jun­gen Leu­te heu­te sind geis­tig bereits völ­lig ver­greist und wei­sen Anzei­chen einer seni­len Feig­heit auf. Gelas­sen­heit ist, wie jeder Begriff bei Heid­eg­ger, nicht nur Bezeich­nung für eine Stim­mung, son­dern auch onto­lo­gisch zu ver­ste­hen. Sie steht im Zusam­men­hang zum Sein-las­sen. Das meint das sich Ein­las­sen auf die Phä­no­me­ne und die Din­ge in ihrer Offen­bar­keit und ihrem Eigen­recht. Es ist eine “epis­te­mo­lo­gi­sche” Hal­tung, die mit dem Wil­lens­wahn des moder­nen Men­schen bricht. Es ist eine Hal­tung, in der die nihi­lis­ti­sche Grund­stim­mung der Lan­ge­wei­le wie­der den Weg zum Stau­nen des ers­ten Anfangs des Den­kens fin­det. Gelas­sen­heit ist für mich die Über­win­dung eines nietz­schea­ni­schen Tat­kults, der in sich moder­nis­tisch und nihi­lis­tisch ist. Das bedeu­tet aber kei­ne Pas­si­vi­tät, son­dern eine Samm­lung, viel­leicht ein “Zurück­wei­chen” um bes­ser sprin­gen zu können…
Die Nach­kriegs­jah­re waren viel­leicht not­wen­dig eine Zeit der Samm­lung, des geis­ti­gen Über­win­terns und der inne­ren Dis­zi­plin gegen die schein­ba­re hei­le Wirt­schafts­wun­der­welt. Die heu­ti­ge Kri­se erfor­dert von uns – aus der Höhe der Gelas­sen­heit – die rück­ge­bun­de­ne Mobil­ma­chung und über­leg­te Tat. Das bedeu­tet einer­seits, sich nicht in den Wahn einer poli­ti­schen Reli­gi­on rei­ßen zu las­sen, wie das mit wei­ten Tei­le der Rech­ten im 20. Jahr­hun­dert geschah und ande­rer­seits abseits von plan­lo­sen “Akti­vis­teln” zu einer ein­heit­li­chen Linie zu gelangen.

SEZESSION: Der Heid­eg­ger­for­scher Peter Traw­ny wird von Spatz und Ihnen eini­ge Male (und affir­ma­tiv) zitiert. Traw­ny ist unlängst in der Zeit­schrift TUMULT. Vier­tel­jah­res­schrift für Kon­sens­stö­rung reich­lich unwirsch mit Sieg­fried Ger­lich ins Gericht gegan­gen. Ger­lich, mit Sicher­heit ein kul­ti­vier­ter Schön- und Fein­geist hat­te in der vori­gen TUMULT- Aus­ga­be einen klu­gen Auf­satz über „Mar­tin Heid­eg­ger und den Auf­gang des Abend­lan­des“ ver­faßt. Traw­ny distan­ziert sich aus „welt­an­schau­li­chen Grün­den“ harsch von Ger­lich. Sum­ma sum­ma­rum wirft Traw­ny Ger­lich vor, Heid­eg­gers Anti­se­mi­tis­mus zu mar­gi­na­li­sie­ren. Gret­chen­fra­ge: Wie hal­tens Sie’s mit Traw­ny und dem Heid­eg­ger­schen Antisemitismus?

MARTIN SELLNER: Ich schät­ze Traw­ny eigent­lich auch trotz sei­ner frag­wür­di­gen Kom­men­tie­rung der Schwar­zen Hef­te. Ich habe auch sei­nen Vor­wurf des “seins­ge­schicht­li­chen Anti­se­mi­tis­mus”, also einer tief in Heid­eg­gers Phi­lo­so­phie hin­ein­rei­chen­den Juden­fein­schaft sehr ernst und sehr per­sön­lich genom­men und dem The­ma eine gan­ze Arbeit gewid­met. In Traw­ny sehe ich den typi­schen, inner­lich zer­ris­se­nen Men­schen der Post­mo­der­ne, der sich gewis­se Sehn­süch­te nicht ein­ge­ste­hen will, ja vor ihnen regel­recht Angst hat. Was zog und zieht ihn stän­dig zu Heid­eg­ger und Ernst Jün­ger, über den er auch ein inter­es­san­tes Buch geschrie­ben hat? In sei­nem Essay der Irr­nis­fu­ge beklagt er ehr­lich das Ende der “Tra­gö­die des Seins”, indem „jede lei­den­schaft­li­che Sehn­sucht in intel­lek­tu­el­le und phy­si­sche Mas­tur­ba­ti­on“ verebbt.
Nun macht er sich aber lei­der selbst zum Teil die­ses Betriebs. Er schreibt das, was er schrei­ben muß und gibt vor, das aus vol­lem Her­zen zu wol­len. Das kau­fe ich ihm nicht ganz ab. Er erscheint mir wie zer­ris­sen in einer wider­sprüch­li­chen Rol­le, der einen schma­len Grat einer aka­de­mi­schen Heid­eg­ger­re­zep­ti­on ver­tei­di­gen will, den es so nie gab und geben kann. Heid­eg­ger war immer schon ein Schick­sal. Er “gehört” nie­man­dem, son­dern spricht zu allen.

SEZESSION: Und der­zeit spricht er vor allem zu – uns?

SELLNER: Ja. Mit Dugin glau­be ich, daß er vor allem zu uns, zu der letz­ten ech­ten Oppo­si­ti­on spricht, die in die dunk­len Kata­kom­ben die­ser bun­ten Repu­blik gedrängt wur­de, in der sie auch alle unbe­que­men Wahr­hei­ten ver­drängt hat, die nun uns zufal­len. In die­sem “Dun­kel” jen­seits aller Poli­ti­schen Kor­rekt­heit und Uni­po­li­ti­schen Intri­gen befin­det sich auch der letz­te freie Denk­raum der Bun­des­re­pu­blik. Mit der Auf­he­bung der Staats­gren­zen hat das Mer­kel-Sys­tem auch einen tie­fen­psy­cho­lo­gi­schen Ver­trau­ens­bruch began­gen, der sei­nen cor­don sani­taire um die­ses “rech­te Lager” nach­hal­tig beschä­digt hat. Eine Strö­men nach Innen und ein Strah­len nach Außen hat begon­nen. Auf ein­mal erscheint Schnell­ro­da als geheim­nis­vol­les Wet­ter­zen­trum des kon­ser­va­ti­ven Lagers auf der Büh­ne und im Bewußt­sein des Main­streams. Der geis­ti­gen Frei­heit und dem Hun­ger nach Aner­ken­nung, in der sich in unse­rem “Lager” gesam­melt hat, haben die über­fet­te­ten, ver­knö­cher­ten Bil­dungs­eli­ten auf Dau­er nichts ent­ge­gen­zu­set­zen als pein­lich-pani­sche Warnschreie.
Zur Sache selbst, zu Heid­eg­ger und der “Juden­fra­ge”, will ich hier nur wenig sagen, da die Fra­ge selbst zu kom­plex ist. Eine “Per­so­na­li­sie­rung” seins­ge­schicht­li­cher Aspek­te sowohl im Juden­tum als auch im Deutsch­tum ist Heid­eg­ger zumin­dest vor der “Keh­re” durch­aus eigen und hängt mit der tran­szen­den­tal-hori­zon­ta­len Ver­fasst­heit des Den­kens zusam­men. Die vol­le Ent­fal­tung sei­ner Phi­lo­so­phie ist jedoch die Anti­the­se zu jedem Erlö­sungs-Natio­na­lis­mus einer­seits und geno­zi­da­len Sün­den­bock­den­ken ande­re­seits. Das seins­ge­schicht­li­che Ereig­nis­den­ken läßt jede Ideo­lo­gie hin­ter sich. Es läßt uns damit der Rol­len sowohl der Deut­schen als auch der Juden im Ver­häng­nis­zu­sam­men­hang des 20. Jahr­hun­derts gewahr wer­den. Das zu den­ken ist jedoch ein Wag­nis, das für wei­te Tei­le der “alten Rech­ten” schmerz­haft, für das von Denk­ge­bo­ten und ‑ver­bo­ten umstell­te Estab­lish­ment schlicht­weg unmög­lich ist.

SEZESSION: Dan­ke für das Gespräch!

Zum von Mar­tin Sell­ner und Wal­ter Spatz ver­faß­ten kapla­ken Gelas­sen in den Wider­stand. Ein Gespräch über Heid­eg­ger geht es hier.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (30)

Winston Smith 78699

3. Januar 2016 10:41

Vielen Dank für das Öffnen des Kommentarbereichs zu diesem Artikel. An die Äußerung

Viele junge Leute heute sind geistig bereits völlig vergreist und weisen Anzeichen einer senilen Feigheit auf.

würde ich gerne mit der Anregung zu einer Betrachtung oder gar Analyse anknüpfen, die vielleicht eine gewisse Gelassenheit und Distanz voraussetzt. Zugleich könnte damit jenen jungen und auch älteren Leuten, deren Beurteilungen der Lage und deren Verhalten vielen Lesern von SiN so absurd und bisweilen bösartig erscheint, vielleicht etwas mehr Verständnis gezeigt werden, um sie besser ansprechen und abholen zu können.

Es geht nicht um die bewußten Profiteure und vorantreibenden Akteure des derzeitigen Untergangsszenarios, sondern um jene, die von außen als Verwirrte und Manipulierte erscheinen - gesetzt den Fall, dass es sie überhaupt noch gibt. Daran aber, wie viele etwa durch die Ereignisse der Silvesternacht in Köln noch verstört werden konnten und erst aufzuwachen beginnen, zeigt sich mir ein noch immer großes Zuwachspotential.

Es geht um eine Übertragung des Phänomens der Verantwortungsdiffusion, wie es für die Handelnden in verbrecherischen Systemen untersucht wurde, deren kleine und für sich betrachtet harmlose Handlungen sich zu einer Ungeheuerlichkeit aufsummieren. Ich vermute hinter der praktischen Ausführung der Ideologie des Gutmenschentums eine Diffusion der Begründungen und Argumente. Gemeint ist, dass im Einzelnen - betreffs einer jeweiligen konkreten Problemlage - jeweils eine Perspektive und eine Antwort bzw. ein Argument zur Verfügung stehen, die sowohl obrigkeitskonform ist (also niedrigschwellig zugänglich) als auch moralische Impulse anspricht (also Gruppenkonformität und Rationalisierung ermöglicht) und somit einen starken psychologischen Zwang ausübt. Dies alles geschieht aber unter der Bedingung der absichtlichen mikroskopischen Fokussierung auf das Phänomen und durch seine Isolierung von Zusammenhängen, wenn nicht gar unter selektiver Einblendung von Zusammenhängen.

Dies einfach nur so zusammenzufassen, dass die Dummen eben keine Zusammehänge oder größere Bilder sehen können, verspielt die Möglichkeit, es sich zunutze zu machen. Vielmehr werden Teile der Bevölkerung vielleicht gezielt in einer andauernden Abfolge von Stimuli und erzeugten (emotionalen und assertorischen) Reaktionen gehalten. Sie dürfen keinen Abstand gewinnen und vor allem nicht Begründungen aus Zusammenhang A mit Begründungen aus Kontext B vergleichen oder gar nach eine konsistenten Grundlage für beide suchen. Zugleich wird hiermit bei den Systemkritikern Gelassenheit behindert, indem auch diese in das Hamsterrad der Empörungen und Reaktionen gezwungen werden sollen.

Mir erscheint das Phänomen ziemlich komplex und anspruchsvoll, wenn man sich wirklich hineindenken will, um es mit knappen Beispielen so zu entlarven, dass die Aufwachenden sich darin erkennen. Denn beispielsweise dann, wenn den Verblendeten wieder ein rühriger Einzelfall vorgeführt wird, darauf hinzuweisen, dass dieser nur durch vorherige Fehlentscheidungen entstand und bei erneuter emotional gesteuerter Fehlentscheidung viele weitere genau solche Fälle verursachen wird, bedeutet, das riesige Fass der Kontroverse zwischen Utilitarismus und Regelethik aufzumachen - und damit hängt man heutzutage die meisten schnell ab oder verzettelt sich. Vielleicht ist es daher angebracht, die inneren Widersprüche der Verblendungszusammenhänge greifbarer zu machen. Möglicherweise hat Manfred Kleine-Hartlage in seiner Form der Analyse angezeigt, wie das gehen könnte. Um das prägnant zu machen, braucht es Witz und die o.g. Gelassenheit.

Weil ich das für schwierig halte, spreche ich es genau hier bei SiN an. Angeregt wurde ich zu dieser Überlegung merkwürdigerweise durch einen Artikel zu Hayek.

nobody

3. Januar 2016 13:06

Alles ist im Wandel, und alles ist im freien Fall. Die ganze Welt, in der wir leben: von der Kunst, über die Religion, die Sprache, die Wissenschaft, das Menschenbild – all das befindet sich in einem grundlegenden Wandel, steht in einer großangelegten und umfassenden Attacke. Es gibt hier keine Grenzlinie, keine reine Innerlichkeit und profane Exoterik. Unser gesamtes Dasein steht in einem Austrag und einer Entscheidung.

Punkt, Komma, Schluss.

SgH Herr Sellner, es gibt einen sehr passenden beschreibenden Namen für die heutige Epoche. Ein Name der sowohl die Kunst (z.B. Kollagen, oder vergleichbar moderner Zerstörungswut) als auch die Musik (bewuste Zerstörung der Harmonie, siehe Rap, Techno etc.) als auch gesellschaftlich und zwischenmenschlichen Regeln und Normen zutreffend beschreibt: Destruktivismus.

Gerhard Vierfuß

4. Januar 2016 01:35

Das zu denken ist jedoch ein Wagnis, das für weite Teile der „alten Rechten“ schmerzhaft, für das von Denkgeboten und -verboten umstellte Establishment schlichtweg unmöglich ist.

Dieser letzte Satz ist auch der wichtigste, und er deutet zugleich auf die wesentliche Qualität des Kaplakenbandes von Martin Sellner und Walter Spatz hin: Dort sprechen zwei Kenner Heideggers und seiner Zeit über Nationalsozialismus und Faschismus, über Sonderwege und Auserwähltheit von Völkern und über die Stellung Heideggers zu allem diesen auf eine Weise, die in der Tat einem Altrechten sehr schmerzhaft, einem Angehörigen des Establishments aber vollständig unmöglich sein würde. Der Ertrag dieses gemeinsamen Nachdenkens ist beachtlich und zeigt, daß Wesentliches über diesen großen Denker in unserer verkehrten Zeit nur aus den, wie Sellner es formuliert, "dunklen Katakomben dieser bunten Republik(en)" zu erwarten ist.

Eine ketzerische Anmerkung will ich dennoch hinzufügen: Sellner bekennt sich hier zu einem "geheimen Europa". Im Gegensatz dazu äußerte kürzlich Rüdiger Safranski, den Katakomben (anderer Art) bereits vor langer Zeit entkommener, ebenfalls ausgewiesener Heidegger-Kenner:

Es ist überhaupt nicht erstrebenswert, eine europäische Kultur künstlich erfinden zu wollen. Europäisch ist, dass es viele Staaten, Staatsvölker, Sprachen und Kulturen gibt. Das ist der Reichtum. Es ist Verarmung, diese Vielfalt ­irgendwie auf einen gemeinsamen Nenner herunterzuziehen.

(Quelle)

Wer ist hier der identitäre, der radikalere Denker?

ingres

4. Januar 2016 07:53

Also das mit der "Technikkritik" habe ich noch nie verstanden. Habermas hat das ja als ideologische Diffamierung im Begriff des Szientismus durchgezogen, mit fatalen Folgen.

Ich weiß zwar, dass der technische Fortschritt ambivalent ist (und das es ein Leben jenseits der Technik gibt), aber ich habe noch nicht herausfinden können mit welcher Ideologie man das unter Kontrolle bringen will. Ich hab mir allerdings schon das Heidegger-Kapitel aus dem "Oxford Companion to Philsosophy" bereitgelegt. Und wäre gespannt ob man mir hier Klarheit darüber verschaffen kann wie "das mit der Technik" gemeint ist.

Ein Bekannter von mir hat mir mal erzählt, dass es einen Römer gegeben haben soll, der kritisch mit der Technik ins Gericht gegangen sei, weil die Arbeitslosigkeit erzeuge. Ich konnte das nicht nachprüfen, aber er hat mir das so erzählt.

In der Tat sieht es ja so aus, dass irgendwann nur noch diejenigen Arbeit haben werden, die die Roboter konstruieren, bauen und warten. Würde so kommen falls Europa nicht längst vorher untergegangen ist. Nur sehe ich nicht wie das sinnvoll verhindert werden könnte, außer durch drastische Geburtenkontrolle oder einer Technikabgabe für den Rest der Bevölkerung.

Das zweite mögliche Problem, dass Technik zur Entfremdung führt kann ich nicht sehen. Bei mir was das jedenfalls nicht der Fall.

Ein angeblich nachhaltiges Leben ohne Technik müßte mir schon sehr ausführlich erläutert werden. Und ich wüßte nicht ob ich Spaß dran hätte. Hab ich dich nur überlebt und eben auch gelebt auch durch und mit Technik. Wiewohl mich freilich auch die Philosophie (neben den Wissenschaften) sehr interessiert.

Peter Voit

4. Januar 2016 14:03

Zu "Gelassen in den Widerstand" fällt mir Goethes Gedicht "Wanderers Gemütsruhe" ein:

"Übers Niederträchtige
Niemand sich beklage;
Denn es ist das Mächtige,
Was man dir auch sage.

In dem Schlechten waltet es
Sich zu Hochgewinne,
Und mit Rechtem schaltet es
Ganz nach seinem Sinne."

Interpretationsbedürftig ist natürlich zumindest die zweite Zeile der ersten Strophe: Niemand sich beklage? Auch nicht über das Niederträchtige der Politik von Merkel und Co.? Schließlich hat Goethe ja noch anderes geschrieben, z. B. den "Götz von Berlichingen". Doch über das Niederträchtige sich nicht zu beklagen oder sonstwie der anderen Seite Bescheid zu geben, heißt noch lange nicht, auf Widerstand überhaupt zu verzichten.

Wie ja auch jener, dem man auf die rechte Wange schlägt und der auch die andere hinhalten soll, nicht aufgefordert wird, wegzulaufen oder klein beizugeben. Oder gar ein "freundliches Gesicht" zu machen und für "Selfies" zu Verfügung zu stehen.

Treverer

4. Januar 2016 16:15

@ingres
...dass es einen Römer gegeben haben soll, der kritisch mit der Technik ins Gericht gegangen sei, weil die Arbeitslosigkeit erzeuge. Ich konnte das nicht nachprüfen...
--------------------------------
Dies wird Kaiser Vespasian (69-79 n.Chr.) zugeschrieben (Sueton, Vesp. 18). Generell war die römische Zivilisation -anders als es der posthumen historischen Wahrnehmung entspricht- bei aller Verbesserrung der bereits vorgefundenen Techniken, sehr wenig inovativ bei der Erfindung von Neuem, insbesondere bei Produktionstechniken. Die Beispiele aus 700 Jahren lassen sich an einer Hand abzählen. Dies wird von Wirtschaftshistorikern in der Regel damit erklärt, daß ausreichend günstige menschliche Arbeitskraft zur Verfügung stand, und somit kein Anreiz zur Erfindung neuer, arbeitssparender Produktionstechniken bestand. Der Fortschritt in der Produktivität entstand vor allem durch Spezialisierung und Arbeitsteilung.

Urwinkel

4. Januar 2016 16:26

Ich versuche es mal einem Bespiel zu erklären, Ingres: Dazu reicht es, sich einmal Angelzeugs anzusehen. Mir Ostkind wurde es beigebracht, die metalllischen Angelrollen einzuölen. Die haben richtig Knete gekostet. Man liebte die Dinger, und hat sie entspechend gepflegt. Mit dem heutigen Carbonmaterial können Sie sich 50 Jahre durch die Wildnis schlagen, ohne das daran was rostet. Es ist ein Technikfetisch. Und somit nimmt der Prozentsatz derer ab, die es wagen, damit loszuziehen und ihren Fang damit zu machen. Was auch nicht fehlen darf, sind die Photographien der Fänge. Heute als "Selfie" bekannt. Wer hätte damals an sowas gedacht? Gut, das ist kein Angelforum hier, aber den Begriff "Streetfishing" will ich noch loswerden in diesem Zusammenhang.

Venator

4. Januar 2016 16:38

@ Gerhard Vierfuß

Diese Gemeinsamkeit Europas gibt es doch. Es ist das Christentum, ostkirchliches und westkirchliches. Dieser Kultur, dieser Ethnokultur entkommt kein Europäer, ob er will oder nicht.

---

Und weil die Ereignisse in Köln angesprochen wurden: Was mich wirklich wundert ist, dass sich in all den Jahren nicht ein Bernie Goetz findet, oder öffentlich bekannt wird. Nicht, dass das besonders zu wünschen wäre; es wäre aber auch nicht besonders zu fürchten. Lediglich als Symptom der Entwicklung einzustufen. Wäre das so unnormal, dass sich identitäre Entwurzelung in dieser Weise äußerte, dass die ganzen wahren und falschen Schreckensnachrichten, die uns im Netz erreichen, irgendein Fass einmal zum Überlaufen bringen? - Gut, immerhin hat Goetz Asperger, von daher ...

philos

4. Januar 2016 17:15

Das zweite mögliche Problem, dass Technik zur Entfremdung führt, kann ich nicht sehen.

Dann öffnen sie einmal für nur zehn Minuten Ihre Augen für das Treiben an einem öffentlichen Ort selbst einer Kleinstadt. Oder beobachten Sie, schlimmer noch weil "intimer", zwei Menschen beim Kaffeetrinken. Lauschen Sie, unhöflicher noch, kurz deren Gespräch. Erschreckt Sie das nicht?

Der Gutmensch

4. Januar 2016 18:09

@ smith

Ich würde es eher eine Art Verantwortungsosmose nennen; bei irgendwem bleibt die chose ja am Ende ja leider eben doch hängen (und denjenigen nennt man dann „Opfer“), sonst wäre das eine tolle Sache! Desgleichen eine „Osmose“ der Argumente; der eine kann erkennen, auf welchen Effekt das zielt und in seine Richtung ist die Membran also durchlässig, weil er das in den richtigen Zusammenhang einordnen kann - und die anderen kriegen den Kakao eingeschenkt. Nicht zu trinken ist aber auch schwer, wenn man eben durstig (nach Orientierung) ist.

Und weil wir es eben hier m. E. mit einem gestuften System zu tun haben, halte ich es für schwierig, ein einheitliches Konzept zu finden, um dagegen zu halten.

Dagegentölpeln funktioniert jedenfalls nicht, das ist m. E. nur ein künstlich aufgeblähter Popanz: Dummköpfe reagieren zwar auf markige Gesten und Autoritätsargumente. Aber die Autorität liegt ja nicht mal ansatzweise in der Händen derer, die (offen) für einen Politikwechsel eintreten - und so markige Gesten (Beleidigungen), wie sie sich unsere Berufspolitiker mittlerweile erlauben, sind dem gemeinen Bürger gar nicht gestattet. (Im übrigen überzeugt mich der Hayek-Link nicht. (Aufsteigende) Inkompetenz ist kein ausschließliches Problem totalitärer Systeme, sondern eines, mit dem man es in jeder Hierarchie zu tun bekommt. Es brauchte nicht erst das Peter-Prinzip, das zu wissen.)

Entlarven - falscher Argumentationslinien - entlastet zwar ungemein, hat aber ebenfalls eine problematische Seite. Zwar fällt es oft nicht besonders schwer, groben Unfug auch als solchen darzustellen. Aber wer den Hafen nicht kennt, dem ist letztlich kein Wind günstig (Seneca, glaub ich, ist aus dem Gedächtnis). Als nicht-privilegiert-Informierter riskiert man also Eigentore.

Am wichtigsten scheint mir derzeit jedoch das Anliegen, die Menschen nicht im Fatalismus versumpfen zu lassen; da muss man dann eben mal ein Eigentor riskieren, denn it is moral, that wins victory: Man kann daher eben nicht gutheißen, wenn sich eine kritische Menge an Menschen aus Prinzip nicht mehr um das schert, was in der Welt vor sich geht, sich von einer Helene-Fischer-Gala ablenken lässt bzw. sich daran gewöhnt, das eigene Urteil grundsätzlich an der Garderobe abzugeben.

Der Gutmensch.

Gerhard Vierfuß

4. Januar 2016 18:46

Hier noch nachgetragen die Quelle des Safranski-Zitats: Es stammt aus dem sehr lesenswerten Interview der Schweizer Weltwoche, im Netz zu lesen unter https://psychosputnik.wordpress.com/2015/12/25/leave-us-not-alone-with-the-germans/

Sara Tempel

4. Januar 2016 19:26

Eine Geisteshaltung, die „Gelassen in den Widerstand“ geht, kann ich ebenfalls begrüßen. Für den zeitgenössischen Konservativen sehe ich auch keine angemessene Alternative. Die Gelassenheit schafft emotionale Distanz und geistige Klarheit. - Es ist dagegen immer ein Fehler, sich vom Gegner zu schnell in die Defensive und zur Vorzeitigen Aufnahme des Kampfes zwingen zu lassen (s. die beiden Weltkriege). - In der Kampfkunst des Aikido geschult, empfehle ich die gelassene Beobachtung des Feindes, bis dieser seinerseits zum nächsten Schlag ausholt; in diesem Moment müssen wir, die Deutschen, plötzlich vorstürmen und den empfindlichen Punkt treffen.

Sara Tempel

4. Januar 2016 19:57

Anmerkung: Mit "wir" sind nicht nur die letzten Deutschen, sondern ebenso z.B. Österreicher oder auch die amerikanischen Konservativen gemeint!

Michael Schlenger

5. Januar 2016 01:26

Ergänzend zum Thema Technik und dem Beitrag des Treverers:

Die römische Zivilisation ist ein interessantes Beispiel, weil sie durchaus selektiv Gebrauch von Hochtechnologie machte. Beispiele sind der unter Wasser abbindende Beton für Hafenanlagen, gegossene Kuppelbauten ohne Eisenarmierung, Fernwasserleitungen, Staudämme und hochwasserfeste Brücken, die z.T. heute noch Nutzen stiften.

Dazu haben die Römer einiges perfektioniert, was sie von Griechen, Etruskern, Phöniziern und Ägyptern übernommen haben, anderes haben sie selbst erfunden. Die meisten dieser Technologien dienten praktischen Zwecken (Ferntransport, Kanalisation, Hygiene usw.), nur wenige dienten dem persönlichen Vergnügen oder der Ablenkung (die Arenen für Wagenrennen und Kampfspiele etwa).

Um die Erleichterung individueller alltäglicher Verrichtungen hat man sich jedenfalls nicht sonderlich bemüht. Sicher: Es gab Großausgaben der Handmühle in Bäckereien und spezielle Essenszutaten wurden quasi industriell produziert und überregional vertrieben (Olivenöl z.B.).

Doch weit interessanter und kulturell möglicherweise bedeutender ist die Dienstbarmachung von Technik zur zweckfreien Verschönerung des Lebensumfeldes und im Bereich des Kultes. Die technische Meisterschaft bei der Massenproduktion von Götterfiguren in allen Größen oder der Schmuckherstellung, der selbstverständliche Einsatz von Drehbänken zur Herstellung kunstvoll geformter Alltagsgegenstände aus Holz oder Bein, die Ausmalung ganzer Häuser mit farbigen Fresken zum Niederknien (gefertigt von angelernten Handwerkern), das rationelle Verlegen von Mosaikböden in Bädern und Wohnräumen, das alles kündet von einem souveränen Umgang mit Technik, die dem Menschen dient, oder Freude oder Ehrfurcht bereitet.

In keinem dieser Fälle wäre die Technik Selbstzweck gewesen, wäre nicht selbst Gegenstand des Bewunderns und Begehrens gewesen. Die vom Treverer erwähnte Arbeitsteilung war sicher mit für die Verbreitung römischer Lebensart und -kunst im einstigen Imperium verantwortlich. Bei der Herstellung hochwertiger Töpferwaren (Terra Sigillata) war der private Wettbwerb ein bedeutender Faktor. Doch von systematischer Grundlagenforschung oder blinder Technikeuphorie wie im Silicon Valley dagegen ist nichts überliefert.

Lange Rede kurzer Sinn: Wer mit Technik als solcher ein Problem hat, hat nicht verstanden, welches Potential an Vertiefung des Lebens und Erlebens damit verbunden sein kann. Man darf nur die Technik nicht mit dem eigentlichen Zweck und Ziel verwechseln, wie das heute oft geschieht.

Nun weiß ich nicht, was Heidegger einst dazu eingefallen ist - jedenfalls müssen seine Gedanken zur Technik nicht zwangsläufig intelligenter gewesen sein, was gebildeten und technikerfahrenen Zeitgenossen der Gegenwart dazu einfällt.

firenzass

5. Januar 2016 08:33

@venator
"Es ist das Christentum, ostkirchliches und westkirchliches. Dieser Kultur, dieser Ethnokultur entkommt kein Europäer, ob er will oder nicht."
Wer moechte daran zweifeln, es sei denn, man liesse sich von den Nibelungen oder der Edda inspirieren? ( oder durch die paganische Enzyklika Laudato Si des duesteren Bergoglio , die in ihrer intellektuellen Duerftigkeit der Feder des Ghostwriters aller Claudias dieser Welt entsprungen scheint.)
Venator, es ist bezeichnend ,dass Ihr kleiner Kommentar hier isoliert scheint und unwidersprochen bleibt.
So wie ich, auch in diesem Forum, beobachte, dass zu keiner Zeit, nie, und nicht mal mit einem Nebensatz an das entsetzliche Martyrium der Christen des Orients gedacht wird, so kann es mich jetzt auch nicht ueberraschen, dass sich nicht ein einziger in diesem Debattierclub durch die Vorgaenge im allerkatholischsten Polen angesprochen fuehlte. Wer weiss, vielleicht meint man sich selbst hier dem heimischen Doenerverkaeufer "di riferimento" noch mehr verbunden als dem polnischen "Katho-Faschisten"? Wie gesagt, ueberraschen taete es mich nicht.-----
"Dieser Kultur, dieser Ethnokultur entkommt kein Europäer, ob er will oder nicht."
"Auch Sie stehen in der Nachfolge Christi, ob Ihnen das nun passt oder nicht", so beschied ich neulich den ansonsten hochgeschaetzten Lutz Meyer. Antwort steht noch aus.

Hartwig aus LG8, der ehemalige Hartwig

5. Januar 2016 10:52

Zur Technik (leicht OT):
Seit ca. 200 Jahren hat sich der Mensch, und zwar der von Europäern und Nordasiaten abstammende Mensch, die Energiequelle Kohle und Öl zugänglich gemacht; also die fossil gespeicherte Sonnenenergie einiger hundert Millionen Jahre. Diese Energiequelle ist die Basis aller Technisierung der letzten 200 bis 250 Jahre. In extrem zunehmendem Maß war es seitdem möglich, sich des Kampfes um die Existenz (Wärme, Nahrung, Obdach) zu entledigen. Eine Vielzahl von Erfindungen wäre nicht gemacht worden oder hätte nie den praktischen Durchbruch geschafft, wenn der Menschheit jeweils pro Jahr immer nur die Sonnenenergie des jweiligen Jahres zur Verfügung gestanden hätte. Dazu gehört die direkte Strahlung (Wärme), das Pflanzenwachstum eines Jahres (Getreide, Holz), Wind und Wasserkraft. Kaum mehr (Erdwärme).
Ob es angesichts dieser fiktiven Voraussetzung zur Entdeckung und Nutzbarmachung der einzigen nicht sonnenabhängigen Energiequelle (Kernkraft) gekommen wäre, ist in Zweifel zu ziehen.

Der Erfindungsreichtum kennt seit diesem gigantischen Energie-Input kaum Grenzen. Vieles wird mit großer Selbstverständlichkeit als Nutzen begriffen, wobei man hinter fast alles mindestens ein Fragezeichen setzen kann. Also z.B. auch hinter solch gefeierte Fortschritte wie die stets ansteigende Lebenserwartung. Bestimmte Komfort-Erfindungen will ich gar nicht erwähnen.

Ich will mich nicht größer machen, als ich bin. Ich habe mich an die Gasheizung genauso gewöhnt, wie an eine Reise über mehrere hundert Kilometer am Tag, an ein nötiges Medikament fürs Kind, nicht zuletzt an ein immer vorhandenes Angebot verschiedenster Lebensmittel.

Aber gibt es tatsächlich einen Zuwachs an Qualität, oder führt dieser Fortschritt nicht sogar in unsere beklagte Dekadenz hinein, und zwar in raumgreifendem Maße? So raumgreifend, dass das 'glückliche Leben' als Anspruch formuliert wird?

Gott hat den Turmbau zu Babel seinerzeit mit der Verwirrung der Sprache gestoppt. Heute scheint er wohl die Durchmischung der Rassen und Kulturen für zielführend zu halten. Mal sehen.

Der Gutmensch

5. Januar 2016 11:30

So - Kommentar weg, ich habe gerade sowieso schlechte Laune wg. permanentem Ohrensausen:

Ja, ja - alles schrecklich, das mit den Christen im Orient. Aber unsere Asyltore stehen sperrangelweit offen, also kommet auch, ihr Kinderlein! Da der IS nunmal als Terrororganisation (und nicht als Staat) gilt, kommen wir ihm absehbar nicht vor Ort bei. Denn eine Terrororganisation kann man nicht desavouieren wie einen Staat, man kann sie nur total vernichten. Wenn und solange das nicht möglich ist, wird es unschuldige Menschen das Leben kosten - wir haben das Spiel ja auch nicht erfunden.

Und uns mit den Polen solidiarisieren, nur weil man uns - jedenfalls Menschen wie mich - in einen Topf mit ihnen wirft, uns gemeinsame Rückständigkeit attestiert? Ich gebe zu, die Versuchung ist nicht von schlechten Eltern ... wir hätten was gemeinsam ... aber das hab ich auch mit dem Yeti, schon weil der bekanntlich auch kein geselliger einer ist.

Nee, die Polen sind in erster Linie Konkurrenz und haben ihre eigenen Probleme mit der Souveränität, schon immer, und kuscheln daher mit den aggressiven Amis, auch schon immer, wie man spätestens seit den verblendeten Solidanocs´weiß. Das hätte bekanntlich damals schon fast zu einer Katastrophe geführt (mindestens für Polen, wären Jaruzelski damals die Nerven durchgegangen) und ist daher bei mir nicht unter der Rubrik der empfehlenswerten Strategien abgelegt.

Sara Tempel

5. Januar 2016 12:35

Soweit mir bekannt, hat Heidegger auf die Gefahren des "Gestells", der Weise des Entbergens moderner Technik, hingewiesen und das sicher zu Recht. Auch wenn wir uns ein alltägliches Leben ohne die modernen Konsumgüter als Produkte der Technisierung kaum noch vorstellen können, dürfen wir ihre Nachteile nicht vergessen, führt doch die Entwicklung der globalisierten Industrie zur billigen Quantität bei fehlender Qualität hin. - Aus meiner Sicht geht es dem Philosophen auch um fehlende Ehrfurcht vor der ganzheitlichen Welt, ihre Ausbeutung, durch die Nutzung von Technik. Das gab es noch nie zuvor, auch nicht bei den Römern. Dazu kommen in der Postmoderne die fatalen Folgen der Digitalisierung, besonders auf das Bewußtsein von Kindern und das Kontrollpotential des "World Wide Web". -
Auch die Kampfkunst des Aikido zurückkommend, möchte ich mich noch etwas klarer ausdrücken. In den Techniken dieser Kampfkunst geht es darum, die zerstörerische Energie des Gegner umzuleiten und gegen ihn selbst zu richten. Das bedeutet im übertragenen Sinne, daß die Verteidiger des Abendlandes die Energie des Antichristen zuerst aufnehmen sollten, um sie dann auf ihn selbst zurückzuleiten. Wenn also z.B. die Drahtzieher der USA den IS aufgebaut haben und dieser jetzt ungehindert seinen Terror in Europa ausüben kann, wäre es taktisch sinnvoll, dessen Zerstörungspotential direkt auf die verantwortlichen Politiker selbst zu lenken.

der Gehenkte

5. Januar 2016 13:53

Jedes wesentliche Denken geht unantastbar durch alle Anhängerschaft und Gegnerschaft hindurch. (Heidegger)

Dieses schmale kaplaken-Bändchen von Sellner und Spatz stellt einen der gewichtigsten theoretischen Beiträge zum Denken des Rechten der letzten Jahre dar – im Grunde genommen ist es „nur“ ein Prolegomenon und man kann Sellner/Spatz nur ermuntern, die Wesensfragen grundlegender und ausführlicher anzugehen und zur Diskussion zu stellen.

Die tragenden Gedanken der abendländischen Metaphysik bleiben uns fremd, solange wir diese Gedanken nicht denken, sondern nur immer über sie berichten. (Heidegger)

Die Gesprächspartner zeigen uns vor allem eines: Mit Heidegger haben wir einen noch weitgehend unerschlossenen Schatz, eine Werkzeugkiste – um mit Deleuze zu reden –, sowohl die aktuell-politische Lage, als auch die tiefliegenden Deformierungen der Moderne zu durchdenken und handelnd – oder eben auch gelassen lassend – zu beeinflußen. Auf „‘ontischer‘ Ebene gegen den Wahnsinn des großen Austausches (auch diesen Begriff muß man hinterfragen) und auf einer ‚ontologischen‘ Ebene die Auseinandersetzung mit dem Ge-stell suchen.“ Gerade als Deutsche: Das ist einer der Hauptdiskussionspunkte, wie wir als Deutsche (und wie auch der Franzose als Franzose, der Russe als Russe etc.) unseren eigenen Bezug zum Sein „im Verhängniszusammenhang der Geschichtspfade“, unsere ureigene Aufgabe wiederfinden können. Nur so ist der Begriff „Volk“ – auf den es nur der Sache, nicht der Begrifflichkeit nach ankommt – überhaupt noch zu retten.

Die Zeit drängt und gerade deswegen braucht sie Verlangsamung im Denken, mehr noch als heiße politische Aktion. Es täte Not, in Schnellroda Heidegger deutlicher in den Mittelpunkt zu rücken! Dazu wäre gemeinsames Lesen der Texte und strikte Konzentration auf diese notwendig.

Es wird auch reizvoll zu sehen sein, wie Sellner den Spagat zwischen Denken und Handeln meistern will. Bisher scheint der Versuch eine seinsgeschichtliche Grundlegung der Identitären vorzulegen, noch viele Fragen offen zu lassen und kann vom nichtaffirmativ gestimmten Leser durchaus auch als unfreiwillige Komik verstanden werden.

Trotzdem: Für ein heideggerianisches Gespräch enthält es auch schon an der Oberfläche jede Menge Sprengstoff. Allein schon weil es viele Anschlußstellen an andere Denkformen, auch linke, gibt – wäre doch großartig, wenn Heidegger uns wieder in Kontakt mit der anderen Hälfte des deutschen Geistes brächte.

Aristoteles.

5. Januar 2016 14:10

@firenzass

Warum eigentlich die Polarisierung von Ethnokultur und Christentum?

https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_von_Kues#Politik_und_Kirchenpolitik

Der Gutmensch

5. Januar 2016 17:06

Lieber ehemaliger oder wie auch immer - der Hartwig, der jedenfalls schon immer da war:

Ich habe zwar nur Sekundärquellen zu Heidegger und seiner Technikkritik gelesen. Aber mir scheint dem doch die Gefahr innezuwohnen, dass statt des Zauberlehrlings der Besen gescholten wird:

Grundsätzlich ist das Interesse an Technik m. E. Ausdruck eines Gestaltungswillens, der die Deutschen in seiner Intensität und Ausprägung scheinbar doch von einigen anderen unterscheidet (jedenfalls lange Zeit unterschieden hat; und so was verschwindet ja nicht über Nacht). Dieses Interesse ist eben nicht gleichzusetzen mit dem, was man so salopp „Fortschrittsgläubigkeit“ nennt. Solange ich dazu Feldforschung betreibe, habe ich immer wieder festgestellt: Es gibt Menschen, die werden leidenschaftlich davon angezogen, etwas zum Funktionieren zu bringen. Man erkennt sie z. B. daran, dass sie aus Prinzip kein Auto fahren, sondern einen wandelbaren Bastelsatz und die haben auch keine Musikanlage/keinen Computer, sondern etwas, das - na, schweigen wir mal besser darüber. Sie bringen die Dinge also zum Laufen (zur Not im Reinraum), sie lösen das verdammte Problem - und suchen sich sofort ein neues. Ich sehe nicht, dass uns diese Menschen in eine Sackgasse führen würden, ich sehe bloß ein, dass ich mich ohne sie ganz gewiss zu Tode langweilen würde!

Aber dann gibt es Menschen, die suchen keine Herausforderung, sondern wollen lediglich mit den neuesten Errungenschaften prahlen - und das ist alles. Also nutzen sie den ihnen wesensfremden Spieltrieb anderer schamlos für ihre eigenen Zwecke; und die haben dann nichts mehr mit etwa zu lösenden Problemen zu tun (sondern im Zweifel damit, wie man erstmal Probleme oder Bedürfnisse erschaffen und sodann anderen teuer die Lösung dafür verkaufen kann). Und wenn das dann böse endet, war ja bloß der Nerd dran schuld, den man sich plakativ ins Schaufenster gestellt hat.

Ich bezweifle daher, das es sich empfiehlt, das Interesse an Technik in toto für jeden unangenehmen Streber und/oder Geschäftemacher in Geiselhaft zu nehmen, das wäre aus deutscher Perspektive (hoffentlich) immer noch ein bitterböses Eigentor. Von hier aus gesehen stellt sich schon eher die Frage, wie man die dröge Fraktion ausbremsen kann, die prinzipiell neidisch auf die Kreativität anderer ist und begierig, diese in ihren finsteren Dienst zu stellen.

Der Gutmensch.

Peter Voit

5. Januar 2016 18:41

@Hartwig aus LG8

Der Verwirrung der Sprache beim Turmbau zu Babel ging allerdings etwas voraus, das diesen Turmbau erst ermöglichte. Die biblische Erzählung jedenfalls beginnt mit dem Satz: "Es hatte aber die ganze Erde die gleiche Sprache und die gleichen Worte" (Gn 11,1). Ganz so wie damals ist es heute freilich noch nicht. Doch Worte wie "Weltoffenheit", "Toleranz" oder "Refugees welcome" sind bekanntlich auch heute nicht nur in der CDU zu hören.
Vielleicht steigt Jahwe erneut herab, um sich den Turm anzusehen, dessen Spitze angeblich bis zu Himmel reichen sollte. Vielleicht bleibt Jahwe Gott aber auch oben, weil er das Bauwerk ja schon kennt. Auch wenn es heute anders genannt wird: "Wir bauen das Haus Europa", ließ Helmut Kohl hören. Auch von der "Neuen Weltordnung" und der "One World" ist die Rede. Und: "Wir schaffen das."
Herabsteigen also müßte Gott nicht. Es sei denn, er wolle demonstrieren, wie tief unten das Bauwerk steht. Und dann hätte Gott ja auch noch Mitarbeiter, die die Sprache der gegenwärtigen Baumeister verwirren und dahin zerstreuen, wo der Pfeffer wächst.

(...)

Waldgänger

5. Januar 2016 19:01

Ich muss jetzt mal ein bisschen die gute Laune verderben.

Nichts gegen Heidegger, er mag durchaus auf individueller Ebene für einen nach Erkenntnis strebenden Einzelnen ein Schatz sein - wie z.B. @ der gehenkte schreibt.
Aber darüber hinaus??
Man sollte nicht überbewerten.

Im Prinzip bemüht sich Herr Sellner im Interview um eine Art von Spagat.

Einerseits schreibt er ganz richtig, dass es ein Fehler wäre, sich zu sehr in theoretischen Überlegungen zu verlieren ...

Ich war knapp davor, den meiner Ansicht nach grundlegenden Fehler vieler Rechtsintellektueller zu begehen und Metapolitik mit reiner Theoriearbeit zu verwechseln.

... andererseits glaubt er aber dennoch daran, dass es was bringt, sich überhaupt mit Philosophie zu beschäftigen - denn sonst würde er es ja nicht tun.

Das möchte ich aber erst mal bewiesen bekommen, welchen Sinn es hat, sich in einer zurückgedrängten Nischenposition überhaupt mit philosophischen Konzepten zu beschäftigen. Also ich käme nicht auf die Idee.

Es ist doch (leider) eine ziemlich abwegigige Vorstellung, dass die Gedanken von Heidegger oder meinetwegen auch Schmitt auf den Mainstreamdiskurs abfärben könnten, nur weil sie auf einigen Internetseiten diskutiert werden.

Immer wieder derselbe alte Fehler auf der Rechten zu denken, dass der Geist die Welt bewegt und dass es helfen und etwas verändern würde, das Richtige zu denken. Dieses Denken hilft uns selbst einen klaren Kopf zu behalten, verändert darüber hinaus aber herzlich wenig.

Umgekehrt ist es! Der Geist bzw. die philosophischen Konzepte die sich durchsetzen, passen immer zu den herrschenden sozio-ökonomischen Verhältnissen.
Der physisch-technisch-machtpolitische Unterbau bestimmt den geistigen Oberbau!
Einer der wenigen Sätze von Marx, die sich immer wieder bewahrheiten!

Das ist mir sowieso - seit ich hier mitlese - immer wieder ein Rätsel, wieso viele Leser und Autoren so dermaßen von der Macht und Bedeutung des Geistes und der Philosophie überzeugt sind.
Das spielt heute nur auf individueller Ebene eine Rolle!

Die Schwäche der Konservativen und Rechten hat ja nun ganz bestimmt nichts damit zu tun, dass sie in geistiger Hinsicht zu wenig liefert. Stärke und Macht hat eben herzlich wenig mit der Stimmigkeit oder dem Wahrheitsgehalt von Gedanken zu tun!

Anders gesagt:
Ich weiß nicht, ob es der Rechten gut tut, dass das Gros ihrer Vertreter etwas einseitig aus der geisteswissenschaftlichen Ecke kommt ...
Geisteswissenschaft ist ja okay, aber man steht halt auf zwei Beinen besser.

Ich vermisse mitunter ein nüchternes machtpolitisches, soziologisches und ökomomisches Denken.

Andreas

5. Januar 2016 19:37

Ja ja, gelassen der Widerstand, der da auf Köln schaut, und entweder in elitären Kamingesprächen verschwurbeltes zur Kunstform bringt oder mit Befriedigung auf das Untergehen blickt (mituntergehende eigene Kinder bleiben seltsam unberücksichtigt), oder gar sich selbst an Gewaltphantasien berauscht, verdrängend das das angesichts der Kräfteverhältnisse (1000 einfach so !!! habt Ihr das jetzt realisiert, ja ? 1000. Was meint ihr wieviele kommen, wenn die mal ihre handys auspacken?) einfach lächerlich ist.

Ich habe keine Antworten, aber ich bin auch nur ein durchschnittsgebildeter Familienvater, dem das Schicksal seiner Kinder nicht egal ist.

Neurechte, identitäre, egalitäre, elitäre?
Hilflosigkeit allerorten.

Winston Smith 78699

5. Januar 2016 23:18

@ Der Gutmensch

Vielen Dank für die Lektüre meiner Idee. Sie haben verstanden, was ich meine. (Mein Beispiel wäre jetzt gewesen, dass die Demonstranten auf der Domplatte sich tatsächlich dazu bringen ließen, sich gegen männliche Gewalt zu äußern und zugleich die Flüchtlinge willkommen zu heißen. Enteder diese Demo war von vorneherein bewußt gekapert, um den aufbrechenden Protest wie gewünscht zu steuern, oder manche sind wirklich auf die Propaganda der selektiven Aus- und Einblendung von Erklärungen reingefallen.) Aber wie gesagt: ich fühle mich verstanden und widerspreche dem Gegenvorschlag nicht, einfach weil es meinerseits nur ein Versuch ist.

Bezüglich des Links zu Hayek: ich hatte denselben Einwand. Merkwürdig war nur, dass dies der Auslöser meiner Überlegung war. Der Zwischenschritt war wohl, dass eine Analyse der Erosion der deutschen Politik bis in das System Kohl zurückreichen und erklären müßte, wie die Herrschaft der Nieten über Jahrzehnte und mehrere Generationenwechsel in mehreren Parteien entstanden ist.

Und dass zu dieser Entwicklung auch eine jahrzehntelange Erziehung zur Manipulierbarkeit gehören mußte, an deren momentanem Höhepunkt der gegenwärtige Wahn steht. Und dass wiederm diese Erzählung viel zu komplex ist, als dass man Wahnsinnige damit beeindrucken könnte, die engste Aufeinanderfolgen von Stimulii und angebotenen Erklärungen und Reaktionsmustern gewohnt sind.

Dass es Wahnsinnige sind, erscheint mir endgültig so seit der heutigen Demonstration auf der Domplatte. Es ist gänzlich vergleichbar mit religiösem Fanatismus oder Psychokult.

Magnus Göller

6. Januar 2016 06:57

Scharf, entschlossen, klar, hart, zielführend.

Das ist gefragt.

Gelassenheit ist bei kleinen Belästigungen am rechten Ort, jetzt aber für Kühe und Ochsen.

Der Gutmensch

6. Januar 2016 09:25

Ich vermisse mitunter ein nüchternes machtpolitisches, soziologisches und ökomomisches Denken.

Lieber Waldgänger,

würden die Menschen hier so denken, wären sie ja nicht in der Opposition, sondern beim mainstream, weil der bessere machtpolitische Voraussetzungen bietet. Hier wird aber - hoffentlich, manchmal, und allem zum Trotz - ein Feld bespielt, das seine grundsätzliche Berechtigung auch ohne machtpolitische, soziologische und ökonomische Erwägungen hat (gleichwohl es ohne diese auch nicht mehr lange überlebt).

Der Gutmensch.

Waldgänger

6. Januar 2016 21:53

Lieber Gutmensch,

meinen Sie denn, dass man automatisch mainstreammäßig oder gar links sein müsste, nur weil man auch nüchtern, soziologisch, naturwissenschaftlich-technisch und ökonomisch denken kann??
Ich denke nicht, dass sich diese Ansätze der Weltbetrachtung mit rechts-konservativem Denken unvereinbar sind.

Urwinkel

9. Januar 2016 07:55

Bei diesem Thema kommt mir immer wieder der Finne Pentti Linkola in den Sinn. Sein Chauvinismus und Reaktionismus mag manchen hier als ätzend vorkommen. Dennoch sind seine Ideen gar nicht mal so bescheuert und weit hergeholt. Aber erkläre mal einem klassischen Gutmenschen und Technikverrückten, daß wir chronisch überbevölkert sind. Mit krassen Thesen wie denen Linkolas, erntet man bloß ungläubiges Kopfschütteln. Das ist fast schon wieder witzig. Aber nicht ganz.

Tarapo

14. Januar 2016 23:37

Nun es ist modern, das Ende des Nationalstaates zu befürworten –
immer noch. Auch wenn es schöne bzw. weniger schöne Bilder zu Brüssel,
zur EU gibt, am schönsten das die Idee der vereinigten Staaten von Europa
strahlend vom Himmel herableuchtet. Strahlend - aber leblos, tot, wie das Licht längst vergangener Sonnen.

Wir werden uns mehr und mehr daran erinnern, das es sinnvoll ist einem Volk einen eigenen Charakter zuzubilligen, erinnern, denn es ist eine sehr alte Idee. Jede Beschäftigung mit Heidegger ist hier hilfreich.

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