Autorenportrait Rolf Schilling

pdf de45r Druckfassung aus Sezession 45 / Dezember 2011

von Baal Müller

Eine Literaturprofessorin sagte mir einmal scherzhaft: »Nur ein toter Dichter ist ein guter Dichter.« Er teilt dieses Schicksal mit dem Indianer, da er zu Lebzeiten manchmal ebenfalls eine Herausforderung für das zivilisatorische Behagen darstellt, und kann sich, tot und zwischen Buch­deckeln bestattet, nicht mehr der Schüsse seiner Kritiker und Lassowürfe seiner Interpreten erwehren. Man kann den Satz aber auch umdrehen: »Ein guter Dichter ist immer tot«, da der Durchschnittsgeschmack das poetische Genie nur in der Vergangenheit gelten läßt, ihn in der Gegenwart aber als Spinner und Phantasten abstempelt.

Leben und Werk eines zeit­ge­nös­si­schen Dich­ters zu skiz­zie­ren, ist um so schwie­ri­ger, wenn man mit ihm in per­sön­li­chem, freund­schaft­li­chem Aus­tausch steht – und es fällt ganz beson­ders schwer, wenn es sich um Rolf Schil­ling han­delt, den bedeu­tends­ten deut­schen Lyri­ker der Gegen­wart, der noch immer im Ver­bor­ge­nen haust und des­sen gewal­ti­ges, zu wei­ten Tei­len unver­öf­fent­lich­tes Gesamt­werk so kom­plex und viel­schich­tig wie von der For­schung gänz­lich uner­schlos­sen ist.

Die äuße­ren Lebens­da­ten sind, da er sich sowohl eines bür­ger­li­chen Beru­fes als auch des Lite­ra­tur­be­triebs weit­ge­hend zu ent­zie­hen ver­stand, schnell zusam­men­ge­faßt – selbst in sei­ner Gleich­gül­tig­keit gegen­über unse­rer Erlebnis‑, Medi­en- und Event­ge­sell­schaft liegt schon eine Pro­vo­ka­ti­on. Rolf Schil­ling wur­de am 11. April 1950 in Nord­hau­sen in Thü­rin­gen gebo­ren, stu­dier­te Phi­lo­so­phie an der Ber­li­ner Hum­boldt-Uni­ver­si­tät und war sodann eini­ge Jah­re als Dozent am Insti­tut für Mar­xis­mus-Leni­nis­mus der Tech­ni­schen Hoch­schu­le in Ilmen­au tätig, bis er sich 1977 in die »inne­re Emi­gra­ti­on« zurück­zog, ohne frei­lich in Iso­la­ti­on zu ver­fal­len. Er führ­te umfang­rei­che Brief­wech­sel, ins­be­son­de­re seit Anfang der acht­zi­ger Jah­re, durch Ste­phan Herm­lin ver­mit­telt, mit Ernst Jün­ger, spä­ter auch mit Leni Rie­fen­stahl und Arno Bre­ker, der sei­nen Gedicht­band Tage der Göt­ter (1991) illus­trier­te – neben die­se in ihrem jewei­li­gen Metier her­aus­ra­gen­den Künst­ler tra­ten zahl­rei­che jün­ge­re oder wenig bekann­te Brief­part­ner und Freun­de, dar­un­ter Musi­ker, Maler, Autoren, Publi­zis­ten und Privatgelehrte.

Ein Höhe­punkt sei­nes Lebens war sicher die per­sön­li­che Begeg­nung mit Jün­ger, die nach der Wen­de mög­lich wur­de. Poli­tisch waren ihm Mauer­fall und Wie­der­ver­ei­ni­gung, obwohl er sein Dich­ter­tum als natio­nal ver­wur­zelt ver­steht, erstaun­lich gleich­gül­tig, wie sei­ne Tage­bü­cher jener Zeit bele­gen – sowohl die DDR als auch die Bun­des­re­pu­blik sieht der von der Sta­si umfäng­lich Bespit­zel­te nur als Epi­so­den der deut­schen Geschich­te, um deren ideo­lo­gi­sche Vor­ga­ben und Maß­stä­be er sich im wesent­li­chen nicht zu beküm­mern habe. Gleich­wohl erwei­ter­te der Umbruch von 1989/90 sei­nen äuße­ren Frei­raum und ließ ihn publi­zis­tisch erst­mals in grö­ße­rem Umfang her­vor­tre­ten: Seit 1990 erschien im Arnshaugk Ver­lag sei­nes dama­li­gen Dich­ter­freun­des Uwe Lamm­la eine – für einen leben­den und recht unbe­kann­ten Dich­ter erstaun­lich breit ange­leg­te und biblio­phil aus­ge­stat­te­te – Aus­ga­be sei­ner Dich­tun­gen, Über­set­zun­gen, Essays und Tage­bü­cher, deren letz­ter Band 1997 publi­ziert wur­de; seit­dem gehen die bei­den, die lan­ge durch ein kom­pli­zier­tes Ver­hält­nis von »Meis­ter-« und »Jün­ger­schaft« ver­bun­den waren, getrenn­te Wege.

Die neun­zi­ger Jah­re brach­ten Schil­ling auch eine gewis­se öffent­li­che Auf­merk­sam­keit: Ernst Jün­ger erwähnt ihn mehr­fach in sei­nem Tage­buch Sieb­zig ver­weht und spricht ihm eine heu­te kaum noch anzu­tref­fen­de Autor­schaft zu, ein indi­vi­du­el­les Aus­drucks­ver­mö­gen, das man an jeder Stro­phe sei­ner Gedich­te erken­ne. Carl Cori­no, der dama­li­ge Inten­dant des Hes­si­schen Rund­funks, stell­te Schil­ling in meh­re­ren Hör­funk-Essays vor; in der Neu­en Zür­cher Zei­tung erschien ein umfang­rei­ches Por­trait über ihn, und in Lutz Damm­becks Film über Arno Bre­ker kam er in einem lan­gen Inter­view zu Wort. Eine aus­führ­li­che Wür­di­gung erhielt Schil­ling auch in dem Buch Schwar­ze Son­ne des Fil­me­ma­chers Rüdi­ger Sün­ner, der sei­nen frei­en Umfang mit archai­schen Mythen und Sym­bo­len als Alter­na­ti­ve zu deren (tat­säch­li­chem oder ver­meint­li­chem) Miß­brauch wäh­rend des Natio­nal­so­zia­lis­mus und in der rechts­extre­men Eso­te­rik der Gegen­wart hervorhob.

In der Tat ist es Schil­lings Behei­ma­tung im Mythos, aber auch sei­ne unver­gleich­li­che Sprach­ge­walt sowie sei­ne – fas­zi­nie­ren­de oder ver­stö­ren­de – Distanz zu allen heu­te übli­chen Denk- und Sprach­ge­wohn­hei­ten, die poli­tisch oder reli­gi­ös Suchen­de in sei­ne Nähe zieht. Man­che wol­len zuwei­len einen der Ihren in ihm erken­nen und suchen ihn, als patrio­ti­schen Dich­ter oder Expo­nen­ten eines neu­en Hei­den­tums in ihr jewei­li­ges Boot zu holen. Schil­ling ver­folgt sol­che Anlie­gen zwar mit Inter­es­se und zuwei­len mit Sym­pa­thie, aber sein poe­ti­sches Selbst­ver­ständ­nis wider­strebt letzt­lich jeder welt­an­schau­li­chen Indienst­nah­me: »Das Gedicht ist nicht Mit­tel zum Zweck, son­dern als Quint­essenz unse­rer Geis­tes- und See­len­kräf­te das Höchs­te für uns Erreich­ba­re, in dem wir Erfül­lung, Erhe­bung und viel­leicht Erlö­sung finden.«

Aller­dings hat Schil­ling sol­chen Miß­ver­ständ­nis­sen durch die geistes­aristokratischen, von Nietz­sche und Geor­ge inspi­rier­ten Ten­den­zen sei­nes Essay­ban­des Das Hol­de Reich (1990) durch­aus Vor­schub geleis­tet. Es liegt nahe, in die­sem sym­bo­li­schen Bild eine Anknüp­fung an das von Ste­fan Geor­ge 1928 poe­tisch umris­se­ne »Neue Reich« oder den Ver­such der Neu­schöp­fung eines »Gehei­men Deutsch­land« im Sin­ne des Geor­ge-Krei­ses zu sehen, zumal Schil­ling im Qued­lin­bur­ger Pro­log (1981) zum titel­ge­ben­den Essay die Tra­di­tio­nen Geor­ges und der Roman­ti­ker, der Stau­fer wie der mit­tel­al­ter­li­chen Mys­ti­ker und noch die Vor­zeit der eddi­schen Skal­den auf­ge­ru­fen hat. Der Band ist bis heu­te sein popu­lärs­tes Buch und kann noch immer als Ein­stieg in sein Werk die­nen, soll­te aber kei­nes­falls als des­sen »Sum­me« oder faß­li­cher Extrakt ange­se­hen wer­den, zumal Schil­ling selbst wie­der­holt von sei­nem Ver­such einer bewuß­ten Tra­di­ti­ons­stif­tung Abstand genom­men hat: Zum einen habe er, wie er im Rück­blick fest­stellt, sei­ne Tra­di­ti­ons­li­nie zu eng gezo­gen, zum ande­ren aber – und dies ist wohl noch ent­schei­den­der – sei er mitt­ler­wei­le von der Idee eines Bun­des abge­rückt. Nur der »sou­ve­rä­ne Ein­zel­ne«, der »Soli­tär«, ist für ihn der­je­ni­ge, »der sei­ne Zei­chen setzt«, auch wenn sich ver­wand­te Geis­ter in sei­nem Schaf­fen wie­der­erken­nen. In die­sem Sin­ne hat Schil­ling von sich gesagt: »Das Hol­de Reich bin ich« und iden­ti­fi­ziert es doch auch mit der Land­schaft sei­ner Hei­mat, der Gol­de­nen Aue »zwi­schen Harz und Kyff­häuser, wo der gan­ze Palim­psest von deut­schem Mythos, Traum und Wahn zum Erbe gehört.«

Auf­grund sol­chen Anspru­ches des drei­ßig­jäh­ri­gen Dich­ters, bei des­sen dama­li­gen Zusam­men­künf­ten von Neu­lin­gen die Abfas­sung eines Sonetts aus dem Steg­reif ver­langt wur­de, stel­len sich vie­le auch den mitt­ler­wei­le über Sech­zig­jäh­ri­gen als eli­tä­ren Dich­ter­pro­phe­ten und Gebie­ter über einen Kreis jun­ger Adep­ten vor – sie dürf­ten wohl über­rascht sein, wenn sie dem unschein­bar geklei­de­ten, hage­ren und grau­bär­ti­gen Mann zum ers­ten Mal per­sön­lich begeg­nen, des­sen schlich­tes und zunächst zurück­hal­ten­des, bei nähe­rer Bekannt­schaft herz­lich-beschei­de­nes Auf­tre­ten frei von jeder Pose ist. Zwar ist ihm das Män­ner­bün­di­sche auch heu­te nicht fremd, aber es hat sich ein gutes Stück weit ins Spie­le­ri­sche und (Selbst-)Ironische ver­la­gert – etwa wenn von jedem Neu­ling bei der all­jähr­lich im Okto­ber statt­fin­den­den »Ques­ten­wan­de­rung« zum Scherz ver­langt wird, einen Bis­sen von einem Flie­gen­pilz zu sich zu neh­men (was eini­ge dann tun und ande­re nicht, ohne daß dies »über­prüft« wür­de oder in einem fei­er­lich-initia­tio­ri­schen Rah­men stattfände).

Über­haupt ist Schil­lings Werk nur dem­je­ni­gen eini­ger­ma­ßen zugäng­lich, der des­sen spie­le­ri­sche Züge, sei­ne Freu­de am Kom­bi­na­to­ri­schen und sei­nen kalei­do­sko­pi­schen Blick begreift, die sich – von den ihren Meis­ter oder ihr Aus­hän­ge­schild suchen­den Adep­ten und Ideo­lo­gen unbe­merkt – durch­aus mit der Gül­tig­keit ästhe­ti­scher For­men und Urtei­le sowie mit der Her­me­tik sei­ner Ver­se vertragen.

Schil­ling selbst ver­steht sich nicht in ers­ter Linie als »Seher«, der gehei­me Offen­ba­run­gen kund­tut, son­dern viel­mehr, wie er in sei­nem Ques­ten-Gesang sagt, als »blin­der Kurier«. Der Dich­ter ist also eine Gestalt des Über­gangs und »Inter­regn­ums«; indem er ins Wort bannt, was ihm an Gesich­ten in Rausch und Traum zuströmt, schöpft er einer­seits »aus dem Quell« und formt ande­rer­seits »die Din­ge vom Ende her«. Wie er im zeit­li­chen Sin­ne von den Extre­men, von den Ursprün­gen und der Zukunft, her­kommt, so ist er – als »Aar auf dem Gip­fel« (für sei­ne Zeit­ge­nos­sen auch »the fool on the hill«, man könn­te eben­so sagen: Adler und Kauz) – in sei­ner räum­li­chen Meta­pho­rik dem Oben und Unten ver­bun­den und stif­tet dadurch eine nur für Augen­bli­cke auf­schei­nen­de Mit­te: »Er war in der Unter­welt, bei den Müt­tern. Von ihnen über­nahm er das Seher-Amt. Aber er ist auch jener, der von der Erde zum Him­mel steigt. Er ist der Adler im Schlan­gen-Maß. Auf hohen Ber­gen hat er sei­nen Horst. Er tritt aus der Gebun­den­heit her­aus, er fügt Mus­ter, baut Model­le, er setzt Zei­chen, die er wie­der löscht. Sein Gesang ist auch Geist, ist Luxus, ist Spiel. Ihm erst gewährt sich das freie, beflü­gel­te Wort«. (»Stier, der sich opfert – Aion, der spielt«, in: Schwar­zer Apoll)

Ein Sym­bol, das für Schil­ling Maß und Ord­nung, Ober- und Unter­welt, in beson­de­rer Wei­se reprä­sen­tiert, ist die bereits mehr­fach erwähn­te Ques­te: ein Relikt uralten Son­nen­kul­tes in Gestalt eines rund zwölf Meter hohen, abge­schäl­ten Baum­stam­mes, der, mit einem gro­ßen Kranz und zu bei­den Sei­ten von die­sem her­ab­hän­gen­den »Quas­ten« geschmückt, noch heu­te auf dem Ques­ten­berg ober­halb des gleich­na­mi­gen klei­nen Ortes im Süd­harz errich­tet wird und all­jähr­lich zu Pfings­ten im Mit­tel­punkt volks­tüm­li­cher Bräu­che und Fest­ge­la­ge steht. Obwohl Schil­ling der Ques­te sei­nen wohl bekann­tes­ten Gedicht­zy­klus, den Ques­ten-Gesang, gewid­met hat, der das Kern­stück des gleich­na­mi­gen Gedicht­ban­des bil­det, ist er kei­nes­falls ein Hei­mat­dich­ter im her­kömm­li­chen Sinn; auch die hei­mi­sche Gol­de­ne Aue war für ihn »nur der Ein­stieg« in eine sym­bo­li­sche Welt, in der sich Göt­ter und Mythen der Ger­ma­nen mit sol­chen der Grie­chen und Ägyp­ter, der Inder und Chi­ne­sen verbinden.

»Ein­stieg« ist eine zen­tra­le Chif­fre sowohl für den schwie­ri­gen Zugang zu Schil­lings mythi­schen Wel­ten als auch vor allem für den per­sön­li­chen Drang des Dich­ters in die Tie­fe, den er zuwei­len als gesel­li­gen »Grot­ten­gang« in der Karst­land­schaft um den Kyff­häu­ser pflegt. Selbst dem Son­nen- und Welt­baum­sym­bol auf dem schrof­fen Ques­ten­berg kor­re­spon­diert daher in sei­ner sym­bo­li­schen Schau eine ver­bor­ge­ne »Unte­re Queste«.

Trotz Schil­lings von Ernst Jün­ger her­vor­ge­ho­be­ner Her­kunft aus der nor­di­schen Sagen­welt, sei­ner »mythisch-heral­di­schen Grund­hal­tung«, ist er in ers­ter Linie Schöp­fer und Ord­ner sei­ner aus kul­tu­rel­len Arche­ty­pen wie per­sön­li­chen Traum­bil­dern ver­dich­te­ten Bildbestände.

Als »Hei­de« möch­te er allen­falls in dem Sin­ne bezeich­net wer­den, in dem man Goe­the den »gro­ßen Hei­den« genannt hat; sei­ne Dich­tung ist also nicht pri­mär Aus­druck einer reli­giö­sen Welt­erfah­rung, son­dern spricht, wie in Schil­lings Augen jede wirk­li­che Dich­tung, für sich allein. Der Dich­ter gibt kei­ne Ant­wor­ten, son­dern er gibt Rät­sel auf. Er erscheint auch sich selbst als Fra­gen­der, als »Ques­ter« in der von Schil­ling aus der mit­tel­al­ter­li­chen Grals­dich­tung über­nom­me­nen, aber erwei­ter­ten und sub­jek­ti­vier­ten Gestalt des aus­fah­ren­den, sei­ne Bestim­mung suchen­den Hel­den, und treibt wäh­rend sei­ner Traum­rei­sen ein mytho­lo­gi­sches Mas­ken­spiel (im grie­chi­schen Wort­sin­ne ein Spiel mit »Cha­rak­te­ren«), in dem sich die Gegen­sät­ze ver­bin­den: das Unte­re mit dem Obe­ren – die Schlan­ge mit dem Adler –, Mann und Weib in andro­gy­nen For­men, Tod und Wie­der­kehr im Bil­de des sich selbst opfern­den und ver­jün­gen­den Phö­nix, oder auch das hei­mi­sche Refu­gi­um, die Welt der Pil­ze, Bee­ren und Blu­men, mit den ent­fern­tes­ten Sagen­wel­ten. So besticht sei­ne Dich­tung durch Nähe und Prä­zi­si­on, wenn er etwa in dem Zyklus Rei­fe Bee­ren das Wesen einer Sta­chel­bee­re zu fas­sen versucht.

Dann aber läßt er sei­nen Geist wie­der in Pyra­mi­den, Tro­ja, der mythi­schen Thu­le, den Tem­peln von Ang­kor ver­wei­len. »Alles Sym­bo­li­sche deu­tet aufs Gan­ze«, und der Dich­ter kann sich der ver­schie­dens­ten »Stim­men der Völ­ker« bedie­nen: Wenn Schil­ling vom nor­di­schen Dich­ter sagt, die­ser schaf­fe Bil­der, und vom ara­bi­schen, daß er mit Bil­dern spie­le, so ist er glei­cher­ma­ßen die­ser wie jener. »Sub­ti­les und Ele­men­ta­res, Mes­sing­stadt und Pilz-Para­dies tref­fen sich im Sym­bol des Mina­retts, das auch ein Phal­lus-Sym­bol ist.« Auch in der Mes­sing­stadt sei­nes Traum-Ori­ents fin­det er abend­län­di­sche Ursym­bo­le: »Vlies, Urne, Gral: die Asche aller Ges­tern / Bewahrt der Stein in sei­nen Schweige-Nestern.«

Betrach­tet man Schil­lings Gedicht­bän­de von Schar­lach und Schwan und der Stun­de des Wid­ders über den Ques­ten-Gesang und Die Häup­ter der Hydra, um nur die gewich­tigs­ten zu nen­nen, so erkennt man, bei aller Wah­rung und Ver­tie­fung des Eige­nen, eine gewis­se Hori­zont­ver­schie­bung von den hei­mi­schen, nor­disch-abend­län­di­schen und grie­chisch-anti­ken Regio­nen des Geis­tes hin zu den Wel­ten Indi­ens und Chi­nas. Sei­ne Gedicht­samm­lun­gen glie­dern sich stets in fünf Abschnit­te, die nahen und fer­nen Gegen­den gewid­met sind, aber die Ten­denz in die Fer­ne, die »Der Dra­che vom öst­li­chen Tor« in den Häup­tern der Hydra ver­deut­licht, setzt sich in sei­nem neu­es­ten Band Lin­ga­ra­ja fort, der in Kür­ze – nach fünf­zehn­jäh­ri­ger Publi­ka­ti­ons­pau­se des Dich­ters – im Teles­ma-Ver­lag erschei­nen wird.

»Lin­ga­ra­ja«, »Herr des Phal­lus«, ist ein Bei­na­me Shi­vas, des eksta­ti­schen Tän­zer- und Scha­ma­nen­got­tes, eines »gött­li­chen Bru­ders« Odins; und als »Träu­mer im Tiger­fell« nähert sich der Dich­ter dem Welt-Spie­ler, der »die Häup­ter mäht« und wie­der »sprie­ßen läßt«, bis er sich zuletzt mit dem gött­li­chen Arche­ty­pus iden­ti­fi­ziert, solan­ge die­ser »ihn träumt«.

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