Schreibtisch, Garten, Alltag (XIII): Junge Kerle

Stillstand. Jetzt, da nur noch drei Enten zu schlachten sind, wird es ruhiger im Stall. Man tritt morgens nicht mehr in eine....

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek ist Verleger (Antaios) und seit 2003 verantwortlicher Redakteur der Sezession.

Auf­re­gung, wenn man die Holz­tür öff­net. Eine Wand wei­ter hau­sen die Hüh­ner. Der alte Hahn hat sie im Griff, der jun­ge zieht ohne Volk durch den Gar­ten und ver­sucht durch Gekrä­he auf sich auf­merk­sam zu machen. Er ist präch­tig (weiß, rot ste­hen­der Kamm, metal­lisch-grü­ne Schwanz­fe­dern), hat sich gegen vier Brü­der durch­ge­setzt, und wer ihn vor dem Topf bewah­ren will , kann ihn abholen.

In unse­rem Netz-Tage­buch ste­hen seit ges­tern Abend vier offe­ne Fra­gen im Raum, die Felix Men­zel gestellt hat. Sie die­nen der Ver­knüp­fung der ziem­lich agi­len, ziem­lich jun­gen, ziem­lich jugend­lich bestück­ten Iden­ti­tä­ren Bewe­gung mit der bele­se­nen, aus­dif­fe­ren­zier­ten, manch­mal zyni­schen, manch­mal gelas­se­nen, jeden­falls des­il­lu­sio­nier­ten Neu­en Rech­ten – die im Ver­gleich zu den Iden­ti­tä­ren auf welt­an­schau­lich und struk­tu­rell sta­bi­len Füßen steht (Zei­tung, Zeit­schrif­ten, Ver­la­ge, Bildungseinrichtungen).

Men­zels Fra­gen gehen auch an mei­ne Adres­se. Mir scheint, daß da der Blick nach Innen und der Blick nach Außen inein­an­der ver­hed­dert sind. Der Blick nach Innen: Das ist die Fra­ge nach dem eige­nen Lebens­ent­wurf, ist über­haupt die Fra­ge danach, ob man sich “leben läßt” oder ob man sein Leben tat­säch­lich “führt”. Eine gro­ße Fra­ge ist das, sie ist nicht mit einem Satz zu beant­wor­ten, allen­falls iden­ti­tär zu gewich­ten: “Eine wahr­nehm­ba­re Lebens­spur zu zie­hen – das ist schon viel.” In unse­rem Sin­ne wäre die­se Spur aber erst, wenn sie ein­ge­bet­tet wäre in das, was man Iden­ti­tät nennt, und dies hat immer etwas mit einer Zurück­stel­lung des Ichs zu tun.

Der Blick nach Außen: Das ist die Wut über den Zustand eines Lan­des, eines Kon­ti­nents, über den Gang in eine Zukunft, die nicht in unse­rem Sin­ne sein kann. Die­se Wut ist von der all­täg­li­chen Lebens­pra­xis meis­tens weit ent­fernt, die Ver­bün­de­ten im auf­kom­men­den Wider­stand sind ande­re als die Nach­barn, mit denen man über Enten, Kin­der, das Wet­ter, den Tabel­len­stand und ihr blö­des Laub­ge­blä­se spricht.

Kein Nach­bar hier schreibt für die Sezes­si­on, kei­ner liest sie, kei­ner war je an einer kon­ser­va­tiv-sub­ver­si­ven akti­on betei­ligt. Aber die Art, aus dem eige­nen Stück Gar­ten, dem Dorf und der Land­schaft etwas zu machen, hat mich im all­täg­li­chen Leben eben­so stark geprägt wie die Lek­tü­re des Aben­teu­er­li­chen Her­zens von Ernst Jün­ger. Und der Anspruch, den die Kin­der haben, läßt mich Ver­lag und Zeit­schrift anders füh­ren, als es ein ledi­ger Groß­städ­ter kann und tut.

Über alle­dem fehlt mir mitt­ler­wei­le die Geduld mit Kom­men­ta­to­ren und Kri­ti­kern, die den Stra­ßen­ak­ti­vis­mus wie unver­söhn­lich der Publi­zis­tik gegen­über­stel­len. Jeder weiß, daß ein kom­ple­xer oder auch nur schö­ner Text viel­fäl­ti­ge und gar nicht vor­her­seh­ba­re Wir­kun­gen bei sei­nen Lesern erzie­len kann: Wenn der eine danach weiß, daß es neben dem All­tag noch eine zwei­te, drit­te, vier­te Welt gibt, wird der nächs­te pro­duk­tiv und schreibt – den Ton des Gele­se­nen im Kopf – selbst auf, was er zu sagen hat; der drit­te kriegt unru­hi­ge Füße und der vier­te bricht den Text auf ein paar Paro­len her­un­ter und tanzt über den Bürgersteig.

Wie kann man die Auf­fas­sung ver­tre­ten, daß die Paro­len und Mani­fest-Ansät­ze der Iden­ti­tä­ren aus dem hoh­len Bauch ent­stün­den? Wie kann man die Viel­fäl­tig­keit einer neu­rech­ten Sze­ne dadurch so gründ­lich miß­ach­ten, daß man am liebs­ten jedes Ber­li­ner Kol­leg oder jede Som­mer­aka­de­mie, jedes JF-Leser­tref­fen und jede Biblio­theks­ta­gung in eine Akti­on, eine Demons­tra­ti­on mün­den las­sen wür­de? Vie­le wol­len weder schlecht tan­zen, noch Schei­ße reden, son­dern durch Lek­tü­re und gute Gesprä­che vor allem für das wei­ter­kom­men, was ihr eige­nes Leben und das ihrer Kin­der ausmacht.

Kom­me also nicht stän­dig einer mit Radi­kal-Ent­wür­fen oder Aus­schließ­lich­kei­ten: Jeder von uns hat sich im Umgang mit ande­ren zu arran­gie­ren, hat die Ellen­bo­gen aus­ein­an­der­zu­stem­men, um ordent­lich Platz für das Eige­ne zu bekom­men – aber auch im rich­ti­gen Moment auf­zu­hö­ren sich zu sprei­zen, damit nicht jede U‑Bahn-Fahrt in eine Schlä­ge­rei aus­ar­tet. Und wenn einer gar nicht mehr “umge­hen” will mit ande­ren – soll er! Es muß auch Orte geben, an denen zum rich­ti­gen Buch der rich­ti­ge Suff sich gesellt.

Über Men­zels vier Fra­gen zuckt die “Neue Rech­te” (der er ange­hört!) die Schul­tern, gera­de nach dem zwi­schen­tag, der den auch mir wich­ti­gen Beweis einer eben­so leben­di­gen wie niveau­vol­len neu­rech­ten Sze­ne erbracht hat. Ihr Ziel ist umfas­send, ihr kon­kre­tes Tun eine gegen jeden Wider­stand geleis­te­te struk­tu­rel­le und geis­ti­ge Auf­bau- und Bewah­rungs­ar­beit, und ihre Ver­bün­de­ten sind je nach Pro­jekt mal der Set­zer und der Dru­cker, der Refe­rent und der Gast­wirt, der sei­nen Raum zur Ver­fü­gung stellt. Das Wir­ken vor Ort ist etwas völ­lig ande­res, ist von der Poli­tik los­ge­löst. Ver­wech­selt Poli­tik nicht mit dem Leben, ver­wech­selt eine Wel­le nicht mit einem Fluß!

Wer die Iden­ti­tä­ren füh­ren will, wird ihre Spra­che fin­den und so viel Ener­gie prä­sen­tie­ren müs­sen, daß er magne­tisch wird. Und ich weiß: Das wis­sen die­je­ni­gen, die das Pro­jekt nun geschul­tert haben.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek ist Verleger (Antaios) und seit 2003 verantwortlicher Redakteur der Sezession.

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Kommentare (14)

Rumpelstilzchen

5. Dezember 2012 17:28

Ich mache äußerst ungern den Anfang.
Habe mir die Videos der Straßenaktionen angeschaut. Ich möchte die Aktionen der Jugendlichen nicht schlecht machen, aber offen gesagt, mir als Elternteil tut es in der Seele weh, wie verloren, ohne Identität viele junge Menschen sind. Wie verloren das wirkt. Wie einsam.
Aber ich werde stinkesauer, wenn Altlinke und Altrechte sich über diese Jungen lustig machen oder sie stigmatisieren wollen als Rechte oder Naive.
Tacheles gesprochen, als verdammt noch mal - Mutter:
Ihr jungen Menschen habt nichts, gar nichts zu verlieren,
Weil ihr schon alles verloren habt,
Ihr dürft auf nichts mehr stolz sein,
ihr werdet verlacht, wenn ihr euch nicht anpasst,
ihr paßt euch an, um einen Minimalstandard zu halten, lasst euch von der EU Arbeitsplätze garantieren, wissend, dass das von euren Eltern Erarbeitete verfällt , Masseneinwanderung eure Existenz bedroht usw. usw.
Die Linken sagten uns, ihr habt nichts zu verlieren außer euren Ketten,
Auch die habt ihr verloren, euch hält nichts mehr...
Komischerweise fällt mir als Mutter nichts ein, was ich euch raten könnte, außer bildet euch und zieht herum und wandert und bildet Gemeinschaften, Freundschaften mit Gleichgesinnten, pflegt Freundschaften.das ist wirklich wichtig. Kultiviert Gemeinschaft. Steht füreinander ein. Strebt nicht nach Karriere.
Paßt euch diesem System nicht an.
ich denke an das Lied von den wilden Gesellen, an die Wandervogelbewegung, wandern als Selbstbehauptung, trotzig, ehrlos , in Lumpen und Loden.
ich habe vor kurzem im hiesigen Wald einen jungen Mann getroffen, der eine Woche durch den Wald zog , dort lebte und übernachtete, beeindruckend, aber er war ganz alleine... Das Große ereignet sich in der Stille....
Ihr müßt euch keine Fragen beantworten, das müssen eure Eltern,
Zieht los, verweigert euch , seid ehrlos bis unter den Boden...

Trotzdem bin ich nicht desillusionisiert

Kurt Schumacher

5. Dezember 2012 17:57

Guten Abend, Herr Kubitschek, warum sind eigentlich Ihre Nachbarn so unpolitisch? Haben Sie schon mal explizit versucht, die Nachbarn auf die Themen, die wir hier diskutieren, anzusprechen? Oder trauen Sie denen soviel Begriffsvermögen schlicht nicht zu? Ich meine, es ist ja so üblich, daß man am öffentlichen Gartenzaun nur über harmlose Gartenthemen spricht. Man weiß ja nie, wer zuhört - und das hat sich den Leuten in der DDR schon viel früher eingeprägt als uns im Westen. Man ist vorsichtig. Aber wenn man seine Nachbarn schließlich näher kennenlernt (vielleicht bei einem guten Schlückchen), dann entpuppen sie sich oft als ganz andere Charaktere. Da staunt man, was da alles zutage kommt.

Vielleicht sind Ihre Nachbarn ja wirklich nur Laubbläser und RTL-Zombies. Aber vielleicht haben sie auch nur Angst vor dem geheimnisumwitterten rechten Verleger. Vielleicht zittern sie vor Ihnen als dem "Promi"?

antwort kubitschek:
lieber schumacher, manchmal schreiben Sie schwer klug, manchmal ists quark. diesmal: letzteres. es gibt einfach keinen grund, mit den nachbarn ständig über die großen dinge weit weg zu reden - es ist viel konkreter von zaun zu zaun. und wenns mal politisch wird: da sitz ich beinahe wie ein liberaler zwischen harten kerlen, die zur hälfte links, zur hälfte cdu wählen (von denen einer alle gärtner erschießen will, die derzeit schöne, neue alleen pflanzen). ich bin in deren augen ein rechter sonderling, mit dem man glücklicherweise auf einen nenner kommen kann, auch wenn er sein geld für bücher und musikunterricht aus dem fenster schmeißt und nie sein auto putzt. aber daß ellen und ich unser dorf ziemlich berühmt gemacht haben (3sat usf.) finden sie wieder toll. aber all dies hat mit dem alltag nichts zu tun.

Kurt Schumacher

5. Dezember 2012 18:40

Danke für die schnelle Antwort und das Kompliment "schwer klug". Natürlich schreibe ich auch mal Quark, man ist ja nur ein Mensch; aber was die Sache mit den Nachbarn betrifft, da war ich vielleicht zu naiv. Ich muß zugeben, daß ich selbst mit meinen Nachbarn auch nicht viel Kontakt habe. Allerdings lebe ich auch in der Stadt, wo das nicht üblich ist. Ich dachte eben, bei Ihnen auf dem Land wäre das anders. Und vielleicht habe ich auch zu sehr die DDR-Bürger idealisiert. Au fond (wie Fontane sagen würde) sind die "Ossis" ja vielfach deutscher als die "Weltbürger-Wessis". Aber vielleicht sind sie einfach nur ärmer. Wer sich keine Reise auf die Malediven leisten kann (oder nicht die Schwindelfreiheit besitzt, einfach seinen Kreditrahmen zu überziehen), der wandert halt mit Familie und Dackel durch den Thüringer Wald. Warum auch nicht? Ich selbst wandere übrigens auch lieber, als daß es mich auf die Malediven zöge. Ich war übrigens im Herbsturlaub auch einmal oben bei der Queste, nachdem ich das Gedicht von Rolf Schilling gelesen hatte. Ich muß zugeben, daß ich den Dorfbewohnern von Questenberg aber auch nicht gesagt habe, warum ich da war. Ich habe einfach freundlich nach dem Weg gefragt (was immer die von mir gedacht haben) und bin dann den Hügel hochgeklettert - oben war ich dann etwas schweißgebadet. Ja, meine Bundeswehr-Zeit ist schon etwas her...aber der Zauber der Goldenen Aue hat mich schon ergriffen. In Nebra war ich auch schon, in diesem komischen Museum, das da wie ein Ufo gelandet ist und wo sie eine Kopie der germanischen Himmelsscheibe zeigen (weiter oben ist noch ein Aussichtsturm). Und die Fahrt weiter nach Naumburg zu Uta und Co. habe ich auch gemacht. Wahnsinn, die Deutschheit der Grenzmark (damals war es Grenzmark) in Stein gemeißelt! (Ja, ich weiß, die Stifter sahen vermutlich ganz anders aus, da die Figuren erst Generationen später entstanden, aber sie strahlen trotzdem eine innere Wahrheit aus.) Ich beneide sie um die Landschaft, in der Sie leben! Allerdings war ich ja nur im Urlaub da und mußte nicht im Alltag mit den Leuten auskommen.

Mit freundlichen Grüßen,
"Kurt Schumacher"

PB

5. Dezember 2012 18:50

Es wäre schon viel gewonnen, wenn jeder, der aus der Zugehörigkeit zu einer Identität stiftenden Gruppe heraus für sich persönlich Kraft geschöpft hat, auch dann noch zu dieser Gruppe hielte, wenn sie Anfeindungen von außen ausgesetzt ist.

30.11.12
Büge: "Ich lasse mich nicht in die rechte Ecke stellen"
https://tinyurl.com/csn79rj

taz vom 03.12.12 (derzeit nicht online)
"Büge muss sich entscheiden"

05.12.12, 17 Uhr
Staatssekretär Büge verlässt Burschenschaft
https://tinyurl.com/ckw4dyb

Solchen, in der Regel pauschalen und überzogenen Anfeindungen muss man allerdings auch dann entgegentreten, wenn in ihrem Kern womöglich ein Vorwurf steckt, den man bis zu einem gewissen Grad auch selber erheben würde.

Denn dem linken Spektrum würde es niemals einfallen, sich äußere Kritik an einem seiner Sympathisanten zu eigen zu machen, egal wie schwer die Vorwürfe sein mögen.

Wenn also konservative Bücherwürmer sich bereits über identitäre Falschtänzer lustig machen, braucht die Linke schon keine aufwendige Zersetzungsarbeit mehr zu leisten.

Kurt Schumacher

5. Dezember 2012 20:07

@ PB

Moment mal, PB! Den Schuh zieh ich mir nicht an! Ob die jugendlichen Identitären "falsch" tanzen oder nicht, ist mir egal. Meine Kritik zielt aber auf den Kern! Ist die ganze identitäre Bewegung gefährdet, von anti-deutschen "false flag" Operateuren wie PI und PRO unterwandert und umgedreht zu werden? Ich schäme mich nicht, Bücher zu lesen! Bei wem es aber geistig nur zu "Daumen hoch" bei Facebook reicht, der fällt dann auch in die Fallen, die Leute wie Sarkozy oder Broder (Namen nur als Beispiele) aufgestellt haben. Und dann verpufft nämlich der ganze noch so ehrlich gemeinte Widerstand im Nichts. DAS ist meine Kritik!

Oder als Frage: wie weltanschaulich fundiert sind diese Jugendlichen? Übrigens: "Jugendliche" ist bekanntlich ein Verharmlosungswort der NWO-Massenmedien für (meist arabische) Migranten. Man denke auch an die Hampelmänner von "Volksfront". Was reden die denn von Deutschland? Die könnten genausogut auf die andere Seite der Barrikade krabbeln und sich bei den Migranten einreihen.

Ein gewisses Qualitätsbewußtsein müssen wir schon verlangen, wenn wir Deutschland retten wollen. Eine Aussage wie "100 Prozent identitär, null Prozent Rassismus" führt in eine Sackgasse. Denn dann hat man ehrlich gesagt überhaupt keine Argumente gegen die Entdeutschung oder Enteuropäisierung mehr in der Hand. Denn "irgendeine Identität" hat ja jeder!

...und bitte unterstellen Sie mir jetzt keinen Rassismus. Danke.

Inselbauer

5. Dezember 2012 22:44

Diese Konstellation aus herzerwärmendem Vorbild Kubitschek und irrlichternder Identitätskritik wird mir schon zu einer richtigen Heimat. 2 Dinge: Als ich ein Kind war, bin ich unter Sozialdemokraten aufgewachsen, die 500 Meter rechts von Herrn Kubitschek positioniert, stramme Antisemiten waren und in schallendes Gelächter angesichts eines Zweifels am Deutschtum ihrer Herkunft ausgebrochen wären; die scheinbar säuberliche Abgrenzung von PI et al. erinnert mich an die verzweifelte Suche nach einem abgrenzenden Selbstwert wie man sie überall und auch dort findet, wo es ganz windiger Konstruktionen zur Rettung des Selbstwerts bedarf.
Ich hab Euch gern, aber der rhetorische Aufwand ist albern. Und Herr Kubitschek, hören Sie endlich auf, sich als Methusalem zu stilisieren, der zur Parteigründung zu alt ist.

Kurt Schumacher

6. Dezember 2012 08:18

@ Inselbauer

Das mußte ja irgendwann kommen. Die Kritik an PI wird als "Antisemitismus" denunziert und zudem ins Lächerliche gezogen. (Zitat: "windige Konstruktionen", "der rhetorische Aufwand ist albern" etc.)

Schade. So kann man nicht diskutieren, wenn der Gesprächspartner negiert wird.

Ein Fremder aus Elea

6. Dezember 2012 09:19

In unserem Sinne wäre diese Spur aber erst, wenn sie eingebettet wäre in das, was man Identität nennt, und dies hat immer etwas mit einer Zurückstellung des Ichs zu tun.

Unbegründete Sorge, wieviele haben überhaupt die Wahl?

Der Individualismus ist nichts Individuelles, schon mal bemerkt?

Habe ich gestern und vorgestern behandelt.

https://bereitschaftsfront.blogspot.com/2012/12/der-geist-der-befreiung.html
https://bereitschaftsfront.blogspot.com/2012/12/eine-erganzung-zum-geist-der-befreiung.html

Der Individualismus ist das spirituelle Gegengewicht des Materialismusses. Indem wir uns künftig Richtung WTO-Diktatur weiterentwickeln, entwickelt sich auch das spirituelle Gegengewicht weiter.

Die Schanzarbeiten beginnen, ob nun jemand auf der Straße tanzt oder nicht, und zwangsläufig werden nur die Strukturen bestehen bleiben, welche belastbar sind, was das, was mit "identitär" gemeint ist, begünstigt, aber nicht ganz so starr ist.

godeysen

6. Dezember 2012 14:53

Es geht doch letztlich immer darum, ob es zu schaffen ist, dem Denken und Handeln in unserem Land eine neue Richtung zu geben. Konkret heißt das: Ein sympathisches Sammelbecken muß her für alle CDU-enttäuschten und resignierten Konservativen, für Splitterparteichen wie Pro, Freiheit etc., für kluge, belesene Sezessionisten und für bodenständige Schrebergärtner und vielleicht auch für die Realos der bald verbotenen NPD. Eben für alle, denen deutsch und abendländisch noch etwas bedeutet.
Die Identitäre Bewegung hat vielleicht die Chance, das zu schaffen - aber sie kann diese Chance auch verspielen, indem sie bloß Unfug macht. Unfug und unbrauchbar ist z.B. die Anbiederung an die Popkultur (oder -noch verheerender: die bereits ausschließliche Identifikation mit der Popkultur aus Unkenntnis der Hochkultur). Die Popkultur (in Musik, Wort, Kleidung, Umgang, Essen u.a.) ist genuin traditionslos und globalistisch, kann also nicht "identitär" sein, wenn man darunter kulturelle Identität im Sinne langsam gewachsener und auch geographisch verorteter Sitten versteht. Es geht also nicht darum, ob die Identitären gut oder schlecht tanzen, sondern WAS sie tanzen: Hiphop oder Walzer.

Rumpelstilzchen

6. Dezember 2012 15:36

An den sehr Fremden aus Elea,
seit frühester Jugend liebe ich philosophisches Geschwurbel ,
nur die Bürden des Lebens sind oft ernüchternd und zwingen zu praktischem Denken.
Habe versucht, ihre Gedanken für mich verstehbar zu machen.
1. Ich höre heraus eine Kritik am Individualismus.
Der Soziologe Ulrich Beck hat das Phänomen Individualisierung in seinem Buch 'eigenes Leben' in seiner ganzen Radikalität thematisiert. Der einzelne sieht sich nicht mehr durch gesellschaftliche Normen und Traditionen geleitet, Das alltägliche Ringen um das eigene Leben wird zur Kollektiverfahrung der westlichen Welt.
2. Der Individualisierung entspricht die Globalisierung der wirtschaftlichen, politischen kulturellen Strukturen, bzw. diese führt zu dem Zwang, ein individualisiertes Leben zu führen.
in einer globalen Welt der über den Konsum definierten Individualität ist der einzelne konkrete Mensch überfordert, es gibt keine kollektiven Entlastungssysteme .
3. Gleichzeitig ist Gott tot. Das Ende der Metaphysik.
"Ohne transzendenten Rückzugspol sind wir dem Ungeheuer Welt eingefügt".( P. Sloterdijk)
In dieser Situation ist der Mensch völlig vereinsamt und verloren. Ohne Identität. Quo vadis ?
" Authentische Philosophie der Postmoderne ist die Hermeneutik des Ungeheuren als Theorie der alleinigen Welt" (Sloterdijk)
"Weh dem, der keine Heimat hat".
Und wo ist nun der Geist der Befreiung ??

apollinaris

7. Dezember 2012 06:24

Wie können die Protagonisten der hiesigen metapolitischen Ebene den auf der Strasse agierenden jungen Identitären eine Hilfestellung geben? Darüber sollten wir uns Gedanken machen. Helfen Geld, Spenden? Hilft persönlicher Zuspruch des jeweils Älteren? Helfen persönliche Erfahrungsberichte aus der Situation der früheren eigenen Jugend? Inwieweit kann man Ratschläge geben? Was ist mit der Rolle der Frau in diesem Zusammenhang, ist dies zu thematisieren?

Ein Fremder aus Elea

7. Dezember 2012 08:26

Sehr geehrtes Rumpelstilzchen,

Sie haben die Freiheit zu denken, was Sie wollen, aber was Sie da aufgezählt haben, ist nicht das, was ich denke und gesagt habe.

Ad 1. Ganz im Gegenteil. Ich verteidige den Individualismus als eine notwendige Gegenbewegung zu einer Weltanschauung, welche die gesamte Welt, einschließlich des Menschen, als Verfügungs- und Gestaltungsmaterial betrachtet. Sie kommt auch nicht zufällig zu Stande, sondern das ist das Wirken des heiligen Geistes. Wer mit ansieht, wie alles ver- und geplant wird, der entwickelt geradezu zwangsläufig den Wunsch, aus dieser Gesellschaft auszubrechen und sein Heil in möglichst vielen interessanten persönlichen Erfahrungen zu suchen.

Ad 2. Und diesbezüglich sage ich, daß, in dem Grade, in dem die Globalisierung zur Unterdrückung und Freiheitseinschränkung der Menschen führt, und das ist ihre Stoßrichtung, sich wieder Kollektive bilden.

Ad 3. Entweder Gott hat nie gelebt oder er lebt ewig, sonst wäre es nicht Gott. Entscheiden Sie sich diesbezüglich. Ich sehe sein Wirken, zum Beispiel in diesen Gegenbewegungen zum jeweiligen Treiben der Mächtigen, was ich als Geist der Befreiung (von aufgestellten Strukturen, denn alles was entsteht, ist wert, daß es zu Grunde geht) bezeichnet habe. Was Sie hier ansprechen ist mehr ein Trugschluß der Westeuropäer, welcher darin besteht, daß sie glaubten, das Christentum Richtung wirtschaftsliberalem Humanismus weiterentwickeln zu können, wahrscheinlich am prägnantesten in den Worten Our Constitution was made only for a moral and religious people. It is wholly inadequate to the government of any other. erfaßt. Das Problem ist, daß diese Verfassung moral people beseitigt. Ich fürchte, ich bin in der Tat zu fremd, um Sloterdijks Sentimentalitäten diesbezüglich zu goutieren. Es ist, das wird mir zunehmend klar, die exakte Parallele zum Fall der Inkas. Die glaubten an Astrologie, und das läutete ihr Ende ein, die Westeuropäer glauben an die Segnungen des entschränkten Wettbewerbs. Das Interessantere daran ist die Omnipräsenz dieses Irrtums, er spielt auch eine zentrale Rolle bei Leni Riefenstahl (im Film Das blaue Licht, genauer gesagt).

Der Grund dafür ist, daß der durchschnittliche Westeuropäer sich überhaupt nicht vorstellen kann, daß es mehr als eine, nämlich seine Moralität geben kann.

Aus dem Grund hat er andere Völker als vom Teufel besessen ausgerottet, aus dem Grund landet jeder, welcher in seiner Gesellschaft von ihr abweicht entweder in der Klappsmühle oder wird zum Landstreicher, aus dem Grund versucht er jetzt wieder, die Welt zur Höhe seiner Zivilisation emporzuführen.

Aber aus dem Grund glaubt er auch, daß, was irgendwo in einem Teilbereich seiner Gesellschaft als normal akzpetiert wird, seiner Moral entsprechen muß, und also ungefährlich ist.

Rumpelstilzchen

7. Dezember 2012 09:26

An Apollinaris und den Fremden aus Elea,

Danke für eure Überlegungen und Fragen,
Ich will niemanden von was überzeugen sondern einfach wissen, was die Jungen bewegt und ob wir Alten da was von lernen können.
Vielleicht auch umgekehrt ?
Frage 1 was ist mit der Rolle der Frau, bei den Identitären sind nur junge Männer, wo sind die Frauen ?
Brainstorm: es gibt aktionistische Frauen: a) pussy riot (gottlos , schamlos) b) femen (toplos, aber nicht kopflos), c) free minds müster muslimische Frauen, kreativ und aus meiner Sicht interessant, da gegen Kulturrelativismus und gleichzeitig für Individualität,
Fremder aus Elea
1. Auch ich verteidige den Individualismus, aber angesichts der Globalisierung (Monounkultur bzw. Multikulti) fände ich eine Philosophie der Gleichursprünglichkeit von Individuum und Kollektiv nötig.
3.' Entweder hat Gott nie gelebt oder er lebt ewig'
Das sehe ich genauso, nur von welchem Gott reden wir ?
Für den christlich abendländischen Gott hat auch nach Nietzsche, Kommunismus und Nationalsozialismus und auch in der Konfrontation mit dem Islam der christliche Gott die höchste überlebenswahrscheinlichkeit,
Wenn nicht vorher die Welt untergeht .
Von welchem Gott und Geist reden wir also ?
(Nur am Rande , Sloterdijk ist ein Zyniker, ich stehe nicht hinter einer Person, die ich zitiere.)

Götz Kubitschek

7. Dezember 2012 12:11

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gruß! kubitschek

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