Mosebach

pdf der Druckfassung aus Sezession 21/Dezember 2007

sez_nr_219von Till Kinzel

Eines der erfreulichsten kulturellen Ereignisse des Jahres 2007 ist die Verleihung des Georg-Büchner-Preises an den Frankfurter Schriftsteller Martin Mosebach. Die Versuche einer Literaturkritikerin wie Sigrid Löffler, Mosebach madig zu machen („Der aufhaltsame Aufstieg des Martin Mosebach zum Büchner-Preisträger", Literaturen 10/2007), zeugen nur noch von der Hilflosigkeit, mit der die Linke darauf reagiert, daß sich der Wind dreht - jedenfalls ein bißchen. Schlicht peinlich war Löfflers Manier, darauf hinweisen zu müssen, Mosebach habe ja auch im Karolinger Verlag veröffentlicht, bei dem sich allerlei Dunkelmänner versammelten - und vor ihr, so Löffler mit gespielter Empörung, hätte das noch keiner bemerkt und untersucht. Diejenigen Leser, die sich für Literatur interessieren und nicht für den Jahrmarkt der Eitelkeiten des Literaturbetriebs, wird dies jedoch wenig kümmern. Denn Mosebachs Werk hebt sich jetzt schon aus dem heraus, was sonst so zur allseits beliebten Schullektüre gehört. Es hebt sich heraus, weil es nicht durch gesuchte Sensationshascherei um Aufmerksamkeit buhlt und weil es einen Leser braucht, dessen Aufmerksamkeitsspanne noch nicht auf das Niveau der massenmedialen Soundbites hinabgesunken ist.


Mose­bach (der aller­dings schon zuvor etli­che Prei­se, dar­un­ter den Kleist-Preis, erhal­ten hat­te) dürf­te durch die mit dem Büch­ner-Preis ver­bun­de­ne Publi­zi­tät erst­mals in den Blick man­cher Deutsch­leh­rer gekom­men sein, die sonst wohl noch nie etwas von ihm gehört hat­ten. Auch dies ist höchst erfreu­lich, erwei­tert sich so doch das Spek­trum des­sen, was und wie in Deutsch­land geschrie­ben und gesagt wer­den kann. Mose­bachs Roman­kunst mag nicht jeder­manns Geschmack sein – und so nör­geln man­che auch an sei­nem Stil her­um -, wer aber Freu­de an sub­ti­len Beob­ach­tun­gen und leicht mäan­dern­den Erzäh­lun­gen hat, wird an und in sei­nen Roma­nen vie­les fin­den, das die Lek­tü­re lohnt. Vom Stil­be­wußt­sein, das er mit sei­ner Spra­che zele­briert, kann es unter den Bedin­gun­gen der libe­ra­len Form­lo­sig­keit und Wurs­tig­keit vor­erst nicht genug geben – der Stil ist kei­ne Neben­sa­che, son­dern mit sei­ner bewuß­ten Bevor­zu­gung der Schön­heit vor der „Wirk­lich­keit” eine huma­ne Tat. Denn wer weiß, daß sich die See­le des Men­schen an der Schön­heit nährt, wird skep­tisch sein müs­sen, wenn Lite­ra­tur nur die grell aus­ge­mal­te Ver­dopp­lung der Häß­lich­keit der Moder­ne bietet.
Der Roman­cier und Essay­ist Mose­bach hat ein fei­nes Emp­fin­den für das Schö­ne und Erha­be­ne inmit­ten fak­tisch über­leb­ter Ord­nun­gen. Und auch noch dort, wo Mose­bach eine sol­che Ord­nung in ihrem ver­glü­hen­den Glanz detail­freu­dig schil­dert – wie etwa das indi­sche König­tum in dem Roman Das Beben (2005) -, geschieht dies mit Ver­eh­rung oder doch jeden­falls dem Gefühl für die unbe­streit­ba­re Wür­de des­sen, was dem moder­nen Emp­fin­den oft nur als blo­ße Lächer­lich­keit erscheint. Mose­bach leug­net nicht das Lächer­li­che, fügt die­sem aber jene zu ach­ten­de Tie­fen­di­men­si­on hin­zu, ohne die auch das Lächer­li­che kaum Anspruch auf unser Inter­es­se hätte.
Als Roman­cier bevor­zugt Mose­bach oft die lei­se­ren Töne und lan­gen Abschwei­fun­gen, zugleich aber sind sei­ne Roma­ne emi­nent welt­hal­tig im Sin­ne Armin Moh­lers, etwa Eine lan­ge Nacht (2000), der zu sei­nen bes­ten gehört. Beach­tens­wert ist auch der poe­tisch ein­dring­li­che Roman Die Tür­kin (1999), der einer­seits an der Fas­zi­na­ti­on des exo­ti­schen Ori­ents par­ti­zi­piert, ande­rer­seits aber auch eine Para­bel auf die Undurch­schau­bar­keit des kul­tu­rell Ande­ren prä­sen­tiert, trotz immer neu­er Anläu­fe des Ver­ste­hens und des Glau­bens, nun end­lich ver­stan­den zu haben. Mose­bach ist wei­ter der im guten Sin­ne bos­haf­te Autor, der mit Vor­gän­ger­tex­ten spielt, um ihr Deu­tungs­po­ten­ti­al auf über­ra­schen­de Wei­se aus­zu­rei­zen und erfri­schen­de, ja befrei­en­de Per­spek­ti­ven zu eröff­nen. Dies gilt vor allem für sein gro­tes­kes Lese­dra­ma Rot­käpp­chen und der Wolf (2006), des­sen begna­de­ter Inter­pret Mose­bach auch selbst ist (Hör­buch erwünscht!).

Es gilt dann für die par­odis­ti­sche Anver­wand­lung der fata­len Ver­söh­nungs­re­de Richard von Weiz­säk­kers vom 8. Mai 1985 in einem Dia­log unter zer­strit­te­nen Ehe­leu­ten. Die­se wer­fen sich, nach­dem ihr Pfar­rer ihnen den Text der Rede zukom­men ließ, mit wah­rer Inbrunst deren Phra­sen und Pla­ti­tü­den an den Kopf – es han­delt sich dabei gewis­ser­ma­ßen um Mose­bachs Libe­ra­lis­mus­kri­tik durch die Tat: Die Rede von der Ver­söh­nung ist nicht das Ende des Streits, son­dern des­sen Fort­set­zung mit den Mit­teln der gut­mensch­li­chen Heu­che­lei („Der ach­te Mai – Wie eine gro­ße poli­ti­sche Rede zu prak­ti­scher Lebens­hil­fe für die Vie­len wer­den könn­te”, in: Gus­tav Seibt [Hrsg.]: Demo­kra­tisch reden. Par­la­ment, Medi­en und kri­ti­sche Öffent­lich­keit in Deutsch­land, Vale­rio 2/2005, Göt­tin­gen: Wallstein).
Dann gibt es noch den „katho­li­schen” Mose­bach der Häre­sie der Form­lo­sig­keit (zuletzt 2007), der sich auf der Grund­la­ge einer Phä­no­me­no­lo­gie des Ästhe­ti­schen, die Sein und Schein in eins setzt oder jeden­falls nicht zu tren­nen bereit ist, für die latei­ni­sche Lit­ur­gie und gegen die ästhe­ti­schen Sün­den im Bereich der katho­li­schen Kir­che ein­setzt. Die­ser Kampf ist nicht kon­ser­va­tiv, son­dern reak­tio­när und dadurch avant­gar­dis­tisch, wie Mose­bach betont, denn die alte Lit­ur­gie sei bereits zer­stört gewe­sen und konn­te daher nicht mehr bloß bewahrt wer­den. Der Vor­wurf des Ästhe­ti­zis­mus, den man gegen Mose­bach erho­ben hat, aber beruht auf einem Miß­ver­ständ­nis; denn für Mose­bach ist im Schein des Ästhe­ti­schen zugleich die Wahr­heit auf­ge­ho­ben. Es gibt für ihn kei­ne Tren­nung der Sphä­ren – das Häß­li­che ist zugleich und not­wen­dig das Unwahre.
Und schließ­lich der Essay­ist und Red­ner, der vor allem in dem schlicht und ergrei­fend und pro­gram­ma­tisch beti­tel­ten Band Schö­ne Lite­ra­tur her­vor­tritt, jener Mose­bach, der den gro­ßen Roman­cier Hei­mi­to von Dode­rer stark macht und der uner­müd­lich dafür gewirkt hat, daß das reak­tio­nä­re Den­ken im bes­ten Sin­ne, das heißt etwa eines Nicolás Gómez Dávila, in Deutsch­land eine Heim­stät­te gefun­den hat (Das Leben ist die Guil­lo­ti­ne der Wahr­hei­ten. Aus­ge­wähl­te Spreng­sät­ze, Frank­furt a.M. 2006). „Reak­tio­när ist der Glau­be an die Imper­fek­ti­bi­li­tät des Men­schen”, betont Mose­bach immer wie­der, und nicht zuletzt wegen die­ser Unvoll­kom­men­heit des Men­schen ist ihm zu miß­trau­en. Auf die­ser Linie lie­gen auch sei­ne Betrach­tun­gen über Georg Büch­ner Ende Okto­ber in Darm­stadt, in denen er gleich­sam die reak­tio­nä­ren Kom­po­nen­ten in Büch­ners Revo­lu­ti­ons­dra­ma­tik her­aus­ar­bei­tet und zugleich auf die Schat­ten­sei­ten der Moder­ne im Gefol­ge des Terr­eur der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on zu spre­chen kommt („Saint-Just. Büch­ner. Himm­ler”, in: Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung vom 30. Okto­ber 2007). Kaum waren sei­ne Wor­te ver­hallt, fühl­ten sich auch Unbe­ru­fe­ne wie der Ber­li­ner His­to­ri­ker Hein­rich August Wink­ler zur Ver­tei­di­gung ihres „lan­gen Weges nach Wes­ten” bemü­ßigt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf – daß näm­lich die Auf­klä­rung not­wen­dig ihre dunk­le Sei­te hat. Mose­bach, so die lah­me Kri­tik, habe eine reak­tio­nä­re Rede gehalten.
Mose­bachs Werk ist – auch dann, wenn es dem Leser als ein blo­ßes, mit fei­nen Fäden gespon­ne­nes fili­gra­nes Netz erscheint – der Erkennt­nis der Lage gewid­met (Der Mond und das Mäd­chen, Mün­chen 2007). Allein, eine Lage wird nie ein­fach nur erkannt, son­dern auch geschaf­fen. Mose­bach hat mit sei­nem Schrei­ben, das lan­ge wenig Auf­merk­sam­keit erhielt, die Lage zual­ler­erst mit­ge­schaf­fen, die die Ver­lei­hung des Büch­ner-Prei­ses an ihn über­haupt mög­lich machte.

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