Unser Standpunkt – winterlicher Nachtrag zu einem sommerlichen Aufruf

pdf der Druckfassung aus Sezession 23/April 2008

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Vor­weg: Hier steht für die­je­ni­gen nichts Neu­es, die unser Insti­tut, unse­ren Ver­lag und die Sezes­si­on seit der Grün­dung im Jah­re 2000 beglei­ten. Es ist eine neu­er­li­che Selbst­ver­ge­wis­se­rung, die noch­ma­li­ge Fest­le­gung eines Aus­gangs­punkts, unse­res Stand­punkts, der ja immer ein Aus­gangs­punkt ist und den wir viel­fäl­tig for­mu­liert und ver­dich­tet haben.

Zunächst also das Wich­tigs­te: Wir (also: die Leu­te um unse­re Pro­jek­te) wären immer so, wie wir sind. Wir wür­den stets Ver­la­ge grün­den und an Gym­na­si­en unter­rich­ten, in Zei­tun­gen ver­öf­fent­li­chen und eine Zeit­schrift her­aus­ge­ben, leb­ten mit unse­ren Fami­li­en auf mit­tel­deut­schen Schol­len oder in Wohn­vier­teln gro­ßer Städ­te, wür­den vor Stu­den­ten­ver­bin­dun­gen, aka­de­mi­schen Zir­keln und Jugend­grup­pen vor­tra­gen, in Wort und Tat unser Erbe pfle­gen und dar­über wachen, daß unse­rer Leben unser Leben bleibt und unse­re Kin­der auf dem schma­len Grat zwi­schen den Not­wen­dig­kei­ten und dem Wider­wär­ti­gen unse­rer Zeit die Balan­ce nicht ver­lie­ren. Viel­leicht könn­te der ein oder ande­re von uns sei­ne Offi­zier­kar­rie­re fort­ge­setzt haben, wenn die Zei­ten ande­re gewe­sen wären, und viel­leicht stün­den wir alle­samt nicht vor dem Dilem­ma, die Wirk­lich­keit unse­res Staa­tes ableh­nen zu müs­sen, um auf sei­ne Idee zu ver­wei­sen; aber davon hängt nichts ab: Um Sol­dat zu sein, bedarf es der Schul­ter­klap­pen nicht, und um dem Staat zu die­nen, muß man kein Staats­die­ner sein.
Wir wären immer so, wie wir sind. Wir wären auch dann nicht iro­nisch, wenn über­all Pathos oder eine exis­ten­ti­el­le Ernst­haf­tig­keit aus­zu­ma­chen wäre, und wir sind nicht des­we­gen ernst, weil in jeder talk­show ein Witz­lein die Ant­wort auf unge­müt­li­che Gesprächs­la­gen ist; wir sind nicht des­halb rechts, weil alle eher links sind, und mor­gen links, weil alle eher rechts sind. Wir sind im Wesent­li­chen stets ernst­haft und poli­tisch immer rechts, und weil dies so ist, weil wir also nicht reagie­ren oder sonst auf eine selt­sa­me Art außen­ge­lei­tet sind, haben wir einen Standpunkt.
Fle­xi­bel sind die Metho­den, mit­tels derer wir den eige­nen Stand­punkt kenn­zeich­nen und ver­tei­di­gen, um jene „Bal­kani­dee” zu kon­kre­ti­sie­ren, deren Abge­sang der Trä­ger des Prei­ses der Sezes­si­on, Wig­go Mann, anstimmt. Er hat ja einer­seits recht: Ord­ne jeder sei­nen Ort, dann ist viel getan! Ande­rer­seits kom­men wir doch nicht an der Poli­tik und ihrem Über­bau – der Meta­po­li­tik – vor­bei, wenn wir unse­re Pro­gno­sen ernst neh­men: daß näm­lich die Bruch­li­ni­en, an denen ent­lang der Kampf um die Gestal­tungs­macht im Land und vor allem: der Kampf um eine bestimm­te, von Deutsch­land erreich­te kul­tu­rel­le Höhe aus­ge­foch­ten wird, bereits mit­ten durch unser Land ver­lau­fen. Und so lie­gen denn auch die Grün­de für vie­ler­lei Sezes­sio­nen, für Los­lö­sun­gen von unpas­sen­den Begrif­fen, kleb­ri­gen Vor­den­kern, zemen­tier­ten Behaup­tun­gen auf der Hand.
Unser Stand­punkt: Er ist gut beschrie­ben in den bei­den Kapla­ken-Bänd­chen, die im Som­mer erschie­nen sind. Man muß die­se Bänd­chen hin­ter­ein­an­der­weg­le­sen (zuerst Das kon­ser­va­ti­ve Mini­mum, dann Pro­vo­ka­ti­on), denn die eine Per­spek­ti­ve ergänzt und spie­gelt die ande­re, und eben­so ver­hält es sich mit den Unter­schie­den im Ton: hier der kleins­te gemein­sa­me Nen­ner, dort die Zuspitzung.

Das kon­ser­va­ti­ve Mini­mum mar­kiert unse­re Rück­zugs­li­nie und beschreibt das Pro­blem der begriff­li­chen Unschär­fe in der Bezeich­nung der Ver­tei­di­ger die­ser letz­ten Stel­lung. Wer nennt sich nicht alles kon­ser­va­tiv? Doch auch jene unent­schlos­se­nen, wert‑, kul­tur- oder beschwich­ti­gungs­kon­ser­va­ti­ven Figu­ren, die das, was sie ver­lie­ren, mög­lichst lang­sam ver­lie­ren wol­len, nie jedoch den Gedan­ken in Erwä­gung zie­hen, daß man Opfer brin­gen könn­te, um eine Stel­lung zu halten.
Das kon­ser­va­ti­ve Mini­mum umschreibt des­halb fol­ge­rich­tig zunächst jenen Leit­spruch, den sich jüngst ein Ver­lag als Mot­to wähl­te: „Die Ent­de­ckung des Eige­nen”. Aber das reicht nicht, und des­halb geht selbst das Mini­mum weit dar­über hin­aus: Es ist eine Kampf­an­sa­ge nach Innen (gerich­tet gegen den soge­nann­ten „nach­fa­schis­ti­schen Defai­tis­mus” der Rech­ten) und nach Außen (gerich­tet gegen jene, die unser Land auf den Hund haben kom­men las­sen). Und es ist dies ein not­wen­di­ger Schritt, einer, der von der blo­ßen „Ent­de­ckung” zu einer „Ver­tei­di­gung des Eige­nen” führt.
Die­ses Eige­ne, die­ses aus der Geschich­te gespeis­te So-Sein unse­rer Nati­on, muß ver­tei­digt wer­den, das ist unse­re Über­zeu­gung. Und gera­de in letz­ter Zeit haben wir deut­lich gemacht, daß die­se unse­re Iden­ti­tät nicht nur gegen jene ver­tei­digt wer­den muß, die Deutsch­land aus dem ver­meint­lich schwar­zen Nichts her­aus und mit­tels Ver­dam­mung von tau­send Jah­ren Geschich­te noch­mals neu gegrün­det und erfun­den haben. Sie muß eben­so ver­tei­digt wer­den gegen alle, die unter „deutsch” und „natio­nal” vor allem eine nost­al­gi­sche KdF-Damp­fer­fahrt über die toll geschwun­ge­nen Reichs­au­to­bah­nen zu Hit­lers Berg­hof ver­ste­hen, oder aber eine schau­rig-schö­ne Über­nach­tung in Etzels Saal vor Sta­lin­grad (alles in Far­be und mit einem wis­sen­den Wir-wür­den-schon-wenn-wir-nur-dürf­ten-Zwin­kern im Auge): Genau so sieht näm­lich eine Unter­art des nach­fa­schis­ti­schen Defai­tis­mus aus, und wir ken­nen nicht nur einen Fall, nicht nur einen jun­gen Mann, der für jede deut­sche Waf­fen­tat einen Bild­band aus einem ein­schlä­gi­gen Ver­lag griff­be­reit hat, sei­ne eige­ne Kraft aber selt­sam frucht­los abflie­ßen läßt: Wochen­en­de für Wochen­en­de gewinnt an den Com­pu­tern sol­cher Gestal­ten die Wehr­macht den Zwei­ten Welt­krieg, und nach der Schlacht sieht man den Schreib­tisch-Feld­mar­schall dann im Flecktarn­jäck­chen zum Kon­zert einer in die Jah­re gekom­me­nen Neo­folk-Band ziehen.
So darf man nicht enden, aber so oder ähn­lich unfrucht­bar enden vie­le, blei­ben in einem bes­ser­wis­se­ri­schen Defai­tis­mus ste­cken und bli­cken läs­sig auf jene, die auf eine per­sön­li­che Kar­rie­re ver­zich­ten, um dort­hin zu gehen, wo es weh tut. Weh tat es dort, Ver­zicht auf Kar­rie­ren wur­de dort geleis­tet, wo Die­ter Stein mit sei­ner Redak­ti­on stand, um die Jun­ge Frei­heit auf­zu­bau­en, jah­re­lang ohne die Gewiß­heit, daß die­ser Lebens­ein­satz ein­mal etwas aus­tra­gen wür­de. Mitt­ler­wei­le ist die JF nicht mehr weg­zu­krie­gen, und kaum ein Pro­jekt, kaum ein Mann hat den Erfolg so sehr verdient.

Die Jun­ge Frei­heit hat vor­ge­macht, daß mit der Fixie­rung auf jene zwölf Jah­re deut­scher Geschich­te Schluß sein kann. Das meint nicht, daß der ver­ord­ne­te Kon­sens über his­to­ri­sche Bege­ben­hei­ten ein­fach so hin­ge­nom­men wer­den muß; wie wich­tig ist doch die­ser Revi­sio­nis­mus auf Sam­met­pfo­ten, den jüngst etwa Bog­dan Musi­al in der FAZ mit sei­ner Unter­su­chung der Angriffs­plä­ne und ‑zie­le Sta­lins im Früh­som­mer 1941 betrieb! Aber wie sim­pel wird ein Leben, das alles, was ihm nicht gelin­gen mag, auf die Nie­der­la­ge von 45 schiebt. Geht es den Sie­gern heu­te wirk­lich bes­ser als uns?
Wir rücken ande­re Fra­ge­stel­lun­gen in den Mit­tel­punkt unse­rer Über­le­gun­gen, etwa die, woher Legi­ti­ma­ti­on und Ener­gie für geziel­te Regel­ver­stö­ße im öffent­li­chen Raum kom­men. Das sind die The­men des ande­ren Bänd­chens (Pro­vo­ka­ti­on), das von einem Vor­satz (1. Kapi­tel) aus­geht und über ein Zögern (2. Kapi­tel) in den Anlauf (3. Kapi­tel) und schließ­lich in den Sprung (4. Kapi­tel) fin­det. Vor­satz wozu, Sprung wohin?
Wir tre­ten mit dem Vor­satz an, die Sub­stanz unse­rer Nati­on zu ret­ten und ihr die Mög­lich­keit zu bewah­ren, wie­der zu sich selbst zu gelan­gen und als die Mit­te Euro­pas auf­zu­strah­len. Und weil wir uns die­ser Auf­ga­be wid­men, ste­hen wir in einem geis­ti­gen Bür­ger­krieg gegen die Lob­by­is­ten der Zer­set­zung: Es sind deut­sche Poli­ti­ker und Mei­nungs­ma­cher, die gegen ihr Land und gegen ihr Volk arbei­ten und das Expe­ri­ment einer neu­en Gesell­schaft nicht (und auch nach der zwan­zigs­ten Lek­ti­on noch immer nicht) been­den wol­len. Und es sind im Kiel­was­ser die­ser Vor­bil­der die Deut­schen selbst, die ihre Zukunft abtrei­ben oder gar nicht erst zeu­gen und sie so in frem­de Hän­de geben. Das sind nur Bei­spie­le, das ist nur eine von vie­len Fronten.
Wir tre­ten mit dem Vor­satz an, unter jun­gen Deut­schen eine Epi­de­mie des Mutes aus­zu­lö­sen. Wir for­dern den Mut zur Authen­ti­zi­tät, den Mut, die Sche­re zwi­schen dem, was einer für rich­tig hält und dem, was er dann äußert und tut, nicht zu weit geöff­net zu hal­ten. Wir for­dern den Mut, mit neu­en, zuge­spitz­ten Begrif­fen die Wirk­lich­keit zu beschrei­ben. Gera­de dafür gibt es ein gutes Bei­spiel. Es fin­det sich im Rah­men des Pro­jekts Blaue Nar­zis­se, das täg­lich wach­sen­de Besu­cher­zah­len und neue Mit­strei­ter ver­zeich­nen kann. Dort ver­öf­fent­lich­te jüngst ein Simon Mey­er den Auf­ruf „Wir Posi­ti­ven” und for­der­te eben dies: den Mut, mit eige­nen Begrif­fen das viel tref­fen­der zu beschrei­ben, was mit einem main­stream-Begriff im Grun­de nur ver­tuscht wird. „Einen Gau­ner einen Gau­ner nen­nen” lau­tet die Formel.
Viel­leicht kommt es noch in die­sem Jahr zum Sprung in die Akti­on. Die­ser Sprung ist vor­be­rei­tet, orga­ni­sa­to­risch und begriff­lich: Wer einen Stand­punkt hat, kann absprin­gen, kann unge­be­ten dort auf­schla­gen, wo sich der Geg­ner sicher fühlt, kann selbst­be­wußt sein „Ich nicht” sagen – und mehr. Es wird eini­ge bei­spiel­haf­te Aktio­nen geben müs­sen, eini­ge Bil­der müs­sen kur­sie­ren kön­nen, Bil­der, die Schu­le machen. Dann wer­den wir erle­ben, wie­viel Was­ser in den Reser­voi­ren auf­ge­staut ist. Spe­ku­lie­ren wir also dar­auf, daß die­sem win­ter­li­chen Nach­trag zu einem som­mer­li­chen Auf­ruf zur Pro­vo­ka­ti­on ein wie­der­um som­mer­li­cher Aus­bruch folgt.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.