Karikaturen, Satyrspiele

pdf der Druckfassung aus Sezession 32 / Oktober 2009

Mehr als dreißig Jahre nach seiner Niederschrift vermag das Schlußkapitel von Joachim Fernaus Halleluja. Die Geschichte der USA immer noch zu erschüttern: ein Aufschrei des Entsetzens angesichts der giftigen Emanationen des »American Way of Life«, vor denen in Fernaus Augen kein Lebensbereich mehr sicher war. Man spürt beinah physisch, wie der Autor vergebens darum ringt, sich den Alpdruck von der Brust zu schütteln.»Wir haben alles vertan, was uns ein guter Gott, oder wie immer sein Name sein mag, gegeben hat. (…) Unser Leben ist eine einzige große Angst und Besorgnis geworden wie ein immer noch einmal prolongierter Wechsel.« Jahrzehnte später werden nur wenige diese Verzweiflung überhaupt noch verstehen. Frei nach Gómez Dávila: »Der Mensch gewöhnt sich mit entsetzlicher Leichtigkeit an die absolute Häßlichkeit und das reine Böse. Eine Hölle ohne Qualen verwandelt sich leicht in einen etwas heißen Urlaubsort.«

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Auch im Som­mer 2009 lag Deutsch­land in einem Däm­mer­zu­stand aus Lan­ge­wei­le und unter­schwel­li­ger Angst, gewürzt mit der tag­täg­li­chen Geis­ter­be­schwö­rung der ver­fluch­ten zwölf Jah­re. Deren Ritua­le sind längst so irre­al und selbst­re­fe­ren­ti­ell wie die Phan­ta­sie­welt von Quen­tin Taran­ti­nos Film »Ing­lou­rious Bas­ter­ds«, dem gro­ßen Ren­ner des dies­jäh­ri­gen Som­mer­lochs. Der Zwei­te Welt­krieg als Comic-Spaß, in dem ein Stoß­trupp aus jüdi­schen Gal­gen­vö­geln im besetz­ten Frank­reich »Nazis« (das inklu­diert alles, was Feld­grau trägt und nicht mit den Alli­ier­ten kol­la­bo­riert) bes­tia­lisch abschlach­tet. Wenn auch der »Holo­caust-Rache-Film« dop­pel­bö­di­ger und unblu­ti­ger aus­fiel als erwar­tet, fei­er­ten Kri­ti­ker­stim­men von Georg Seeß­len bis zur BILD-Zei­tung (»Der deut­sches­te Film, der jemals aus Hol­ly­wood kam!«) den US-Import als eine Art ästhe­ti­schen Befrei­ung­schlag. Ein ande­rer Kri­ti­ker des Spie­gel schrieb, dar­in tri­um­phie­re »das poly­pho­ne, demo­kra­ti­sche und sich sei­ner glo­ba­len Her­kunft bewuss­te Hol­ly­wood über Goeb­bels’ auto­ri­tä­res Nationalkino.«
Das Unbe­ha­gen, das irgend­wo doch noch in den Enkeln rumort, wenn ihre Groß­vä­ter auf der Lein­wand als Schieß­bu­den­schur­ken »für die Demo­kra­tie « abge­schlach­tet wer­den, mach­te sich allen­falls in den Kom­men­tar­spal­ten der gro­ßen Netz­por­ta­le Luft. Nicht anders, als sich eine Woche nach dem Anlau­fen der »Bas­ter­ds« der Spie­gel in den natio­nal­ma­so­chis­ti­schen Rausch stürz­te: »Der Krieg der Deut­schen« hieß es da auf der Titel­sei­te anläß­lich des Kriegs­be­ginns von 1939, und: »Als ein Volk die Welt über­fiel«, illus­triert mit einem sug­ges­ti­ven Bild von tumb drein­bli­cken­den Land­sern. An die­sem patho­lo­gi­schen Gemisch aus Lüge, Dumm­heit und nega­ti­vem Grö­ßen­wahn stimmt weder »die Welt«, noch der »Über­fall«, noch das »Volk«. Kurz dar­auf hielt die Berufs­bü­ßer­fi­gur Ange­la Mer­kel in Dan­zig eine krie­che­ri­sche Rede, in der sie die voll­stän­di­ge Ver­ant­wor­tung für den gesam­ten Welt­krieg der deut­schen Nati­on anlas­te­te, ohne auch nur ein Wort über die deut­schen Opfer zu ver­lie­ren. Es han­delt sich um diessel­be Frau, die sich zeit­gleich auf einem Pla­kat der CDU zu den Bun­des­tags­wah­len mit tief­ge­schnit­te­nem Dekoll­tee und dem Spruch »Wir haben mehr zu bie­ten« prä­sen­tie­ren ließ. Und diessel­be Frau stell­te sich dem heuch­le­ri­schen Inter­net-Video-Wett­be­werb »361° Grad Tole­ranz » als Sonn­tags­red­ne­rin zur Ver­fü­gung: »Trägt in der Klas­se jemand Kopf­tuch oder Kip­pa (sic!), und wird des­halb anders behan­delt? (…) Stel­len wir uns vor, wie man sich fühlt, wenn man aus­ge­grenzt wird und stän­dig Sti­che­lei­en und Gemein­hei­ten ertra­gen muß.«
Taran­ti­nos Film als Medi­zin für den deut­schen Michel, boden­lo­se Selbst­be­zich­ti­gungs­or­gi­en und ein Wahl­kampf, des­sen Lee­re und Dümm­lich­keit quer durch die poli­ti­schen Lager ver­merkt wur­de, all das formt sich zu einem eben­so komi­schen wie ver­ächt­li­chen Bild. Man kann, wie Eck­hard Hen­scheid in der Jun­gen Frei­heit, dar­aus und aus sei­nem eige­nen Gejam­mer einen Witz machen: »Das Leben ist ein Traum der Höl­le (Shake­speare). Ein Ent­set­zen. Das schie­re Grau­en.« Hin­ter dem Satyr­spiel steht aller­dings ein bit­te­rer Ernst, eine kol­lek­ti­ve, toten­star­re­ar­ti­ge Hyp­no­se, aus der es kein Erwa­chen zu geben scheint, und eine zyklo­pi­sche Wand aus Kau­tschuk, die jeg­li­che Ver­nunft abschmettert.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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